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Von Rossa Minogue
Eine neue Studie entlarvt Fairtrade als das, was es ist – ein Projekt westlicher Eitelkeiten, das diejenigen verarmen lässt, denen es nützen soll. Es verhindert Entwicklung, hält die Bauern in Abhängigkeit und ist ökonomisch mehr als fragwürdig, meint Rossa Minogue.
Die ethisch bewussten Konsumenten der Welt sind immer noch erschüttert über die Ergebnisse einer letzte Woche veröffentlichten Studie, die aufzeigt, wie wenig Fairtrade-Programme den Bauern in Entwicklungsländern nützen.
Veröffentlicht wurde der Bericht von der School of Oriental and African Studies (S.O.A.S.) der University of London. Die dazugehörige Studie[1] wurde von der Regierung finanziert und über einen Vierjahreszeitraum in Uganda und Äthiopien durchgeführt. Sie zeigt, dass Arbeiter auf Farmen, die Teil von Fairtrade-Programmen sind, in der Regel geringer bezahlt werden und schlechteren Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind als diejenigen, die auf großen konventionellen Farmen und sogar kleinen Nicht-Fairtrade-Farmen arbeiten. Professor Christopher Cramer, der Hauptautor der Studie, sagte dazu: „Fairtrade ist kein effektiver Mechanismus, um das Leben von Lohnarbeitern, der ärmsten ländlichen Bevölkerung, zu verbessern.“ Außerdem werde laut Studie die in den Preis von Fairtrade-Produkten integrierte „Sozialprämie“, die eigentlich dazu genutzt werden soll, um die Infrastruktur in ärmlichen Gemeinden zu verbessern, oft falsch verwendet.
„Fairtrade ist ein egoistisches Projekt selbsternannter Weltverbesserer.“
In einem Fall entdeckten die Forscher, dass moderne Toiletten, die mit Mitteln aus der Prämie gebaut wurden, nur Führungskräften der Farm zur Verfügung standen. Der Bericht dokumentiert außerdem Beispiele von durch Sozialprämien gegründeten Gesundheitskliniken und Schulen, deren Gebühren zu hoch für die Arbeiter sind, denen sie eigentlich zu Gute kommen sollten. Natürlich brauchte niemand die klugen Menschen der S.O.A.S. für diese Erkenntnisse.
Von Anfang an beruhte das Konzept von Fairtrade auf niedrigen, „nachhaltigen“ Erwartungshorizonten für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Armen. Die Urheber dieses Konzepts halten die Bedürfnisse der Menschen in Afrika und anderen Orten der Dritten Welt offenbar für grundverschieden von unseren westlichen. Die Fairtrade-Bewegung hat ihren Ursprung nicht bei mittellosen Bauern in Entwicklungsländern, sondern bei westlichen NGOs. Mit ihren Armeen von Freiwilligenjahr-Weltverbesserern sind sie versessen darauf, ihre rückwärtsgewandte „Small is beautiful“-Ideologie einem Afrika aufzudrücken, das sich verzweifelt nach jeglicher Art von Veränderung sehnt. Im Fairtrade-Weltbild sind die ärmlichen Kleinbauern der Welt im Grunde ganz glücklich mit ihrem Schicksal und wünschen sich lediglich einen stabilen, wenn auch niedrigen, Preis für ihre Erzeugnisse. Sobald dieser garantiert werden kann, können sie ihr einfaches, idyllisches Dasein genießen. Das Vorbild des Westens, durch schnelle Industrialisierung und Verstädterung extreme Armut überwunden zu haben, lasse sich nicht auf Afrika übertragen, wird argumentiert. Stattdessen ist es von höchster Bedeutung, dass Fairtrade „die kulturelle Identität und traditionellen Fähigkeiten von Kleinproduzent(inn)en (…) fördert, schützt und [an]erkennt“.[2] Sie sollten genug Geld erhalten, um nicht verhungern zu müssen, aber nicht genug, um sich einen Auslandsurlaub zu leisten oder ein Kind zur Universität schicken zu können, oder überhaupt irgendwelche der Dinge zu tun, an denen wir im Westen uns erfreuen, damit ihre kulturelle Identität nicht in Gefahr gerät.
„Weder sozial noch ökonomisch sinnvoll.“
Westliche Unternehmen, die mit der ethischen Korrektheit ihrer Marken werben wollen, nahmen das Konzept von Fairtrade begeistert auf – jetzt konnten sie ihren Kunden erzählen, dass diese durch den Kauf ihrer Waren die Welt zu einem besseren Ort machen würden. Es wurde zu einer der erfolgreichsten Marketing-Kampagnen der Geschichte. In Wahrheit aber war die Idee von ethisch korrekten Konsumenten, die die Welt durch ihr Konsumverhalten verändern, immer ein Märchen. Ja, Fairtrade-Bauern ist ein Mindestpreis für ihre Güter garantiert, für den Fall, dass der Preis ihrer Ware abstürzt. Allerdings wird von ihnen im Gegenzug erwartet, sich an strikte Vorschriften zu halten, die oft den Ausbau oder die Weiterentwicklung ihrer Betriebe behindern. So werden, als Resultat von Fairtrade, viele Farmer in Armut gehalten.
Grundsatz 10 der Fairtrade-Charta beispielsweise verpflichtet die Farmer zum „Schutz der Umwelt“. In der Praxis läuft dies darauf hinaus, den Einsatz künstlicher Dünger, Pestizide und mechanischer Werkzeuge zu behindern – den drei Dingen, die moderne Landwirtschaft möglich machen. Stattdessen betont Fairtrade die Wichtigkeit „traditioneller Fertigkeiten“, was nichts anderes bedeutet als zermürbende Knochenarbeit. Das Endresultat von all dem ist, dass die Bauern gezwungen sind, größere Mühen für geringere Erträge hinzunehmen. Es ist keine Überraschung, dass die Farmbesitzer die ökonomischen Beschränkungen an ihre Arbeiter weitergeben – in Form niedriger Löhne. All dies ist schon lange bekannt.
Bereits im Jahr 2005 zeigte der britische Dokumentarfilm „The Bitter Aftertaste“[3] die Kluft zwischen den trostlosen Verhältnissen der Arbeiter auf Fairtrade-Kleinbauernhöfen und den selbstgerechten Weltverbesserern im Westen, die ihnen zu helfen glaubten. Fast ein Jahrzehnt später sieht es aus, als hätte sich wenig geändert. Vor allem linksliberale Medien, wie der Guardian, verteidigen das Konzept trotz aller Kritik weiterhin. Der Grundtenor dabei ist meistens gleich: Trotz aller negativen Aspekte für die Entwicklungsländer müsse Fairtrade nur reformiert statt komplett abgeschafft werden.
Dieser Haltung ist bedauernswert. Fürsprecher von Fairtrade, wie der Guardian, akzeptieren, dass alle Menschen in Entwicklungsländern ein Leben kurz oberhalb der Existenzgrundlage verdient haben, und dass es unsere Aufgabe im Westen ist, ihnen das zu ermöglichen – mehr aber nicht. Es ist an der Zeit, dass diese herablassende Einstellung einer positiveren Betrachtung weicht, die ökonomische Entwicklung als besten Weg zur Verbesserung der Lebensumstände der Menschen begreift. Die Veränderung der Lebensbedingungen im ländlichen Afrika durch wirtschaftliche Entwicklung sollte nicht beklagt, sondern gefeiert werden. Afrikanische Bauern brauchen keine Fairtrade-Vorschriften und -Restriktionen, sie brauchen die Freiheit, ihre Gesellschaften in moderne Volkswirtschaften zu entwickeln, mit großen, effizienten, modernen Farmen, in denen die Arbeiter eine Chance haben könnten, einen angemessenen Lohn für ihre Arbeit zu fordern.
Aus dem Englischen von Fridjof Krenz.
Rossa Minogue ist fester Autor bei Spiked. Dieser Artikel ist zuerst beim britischen Novo-Partnermagazin Spiked Online erschienen.
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Anmerkungen
1 Die Studie wurde vom Forschungsprojekt „The Fair Trade, Employment and Poverty Reduction Project“ der School of Oriental and African Studies durchgeführt und vom britischen Entwicklungsministerium (UK Department for International Development) finanziert. Der Bericht zur Studie wurde im April 2014 unter dem Titel „Fairtrade, Employment and Poverty Reduction in Ethiopia and Uganda” auf der Webseite des Forschungsprojektes veröffentlicht.
2 Grundsatz 3: „Faire Handelspraktiken“ der Charta der World Fair Trade Organization.
3 The Bitter Aftertaste – A Film about Fair Trade. Regie: Philip Thompson. UK 2005.