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Psiram fragt den Landwirt

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bauer_williWir haben ja schon des öfteren Interviews geführt und haben uns gedacht: Fragen wir doch mal einen Landwirt!

In seinem Blog spricht der Bauer Willi über Themen der Landwirtschaft, seine Arbeit und ärgert sich schon mal über die Verbraucher.

Wir haben es ihm nicht ganz leicht gemacht und Themen wie Bio, Gentechnik, Bienensterben angeschnitten. Die folgenden Fragen sind vor allem als Denkanstoß gedacht, vielleicht findet der interessierte Leser ja ein paar Fragen, die er auch stellen möchte oder Themen, die er genauer wissen möchte.

Welche Bedeutung hat “Bio” heute in der Landwirtschaft? Gegensatz oder Ergänzung? Ist “Bio” überhaupt großflächig machbar?

Bio kommt ja sowohl von Verbraucherseite als auch von Produktionsseite. Angebot und Nachfrage machen den Markt. Beide Wirtschaftsformen existieren folglich gut nebeneinander. Die Frage, ob Bio großflächig machbar ist, kann man für Deutschland alleine als problematisch ansehen, weil dann die Selbstversorgung – so sie denn überhaupt gesellschaftlich gewollt ist – gefährdet wäre. Global gesehen werden wir mit reiner Biolandwirtschaft wohl nicht die erforderliche Menge an Kalorien produzieren können.

Sind die gesetzlichen Auflagen/Regelungen für “Bio” aus deiner Sicht sinnvoll?

Ja, wie sonst soll gewährleistet werden, dass auch Bio drin ist, wo Bio draufsteht.

Hat man als konventioneller Landwirt, wenn man nicht “Bio” ist, heutzutage ein Image-Problem?

Noch nicht. Aber es geht immer mehr in diese Richtung. Gestern war es das Rauchen, das verteufelt wurde. Zu Recht, weil es die Krankenkassen und damit die Allgemeinheit belastet. Im Moment ist es chic, kein Fleisch zu essen. Fleisch ist „die Zigarette von morgen“. Was kommt danach?

Siehst du überhaupt einen Widerspruch zwischen ökonomischer und ökologischer Arbeit für den Landwirt?

Ich verstehe die Frage nicht, weil es sich nicht ausschließt. Auch der Bio-Bauer muss von seiner Arbeit leben können. Da ist kein Unterschied.

Fruchtwechsel wird oft als “Allheilmittel” gegen Schädlinge angepriesen, als Alternative zu Pestiziden. Was meinst du dazu? Inwieweit wird Fruchtwechsel heute betrieben? Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit aus?

Fruchtwechsel ist in meinem und vielen anderen Betrieben absoluter Standard, auch um Schädlinge und Krankheiten in Schach zu halten. Deshalb ist Fruchtwechsel auch wirtschaftlich. Ja, es gibt Monokulturen, aber nahezu ausschließlich mit einer Kultur und das ist Mais.

Würde ein Praktikum mit Mistgabel und Mistkarre den “Kritikern” eventuell neue Einsicht in deinen Beruf verleihen?

Dazu nur ein Zitat von Dwight D. Eisenhower, das übersetzt in etwa lautet: „Landwirtschaft ist einfach, wenn der Pflug ein Bleistift ist und der Acker 1.000 Meilen entfernt“.

Die Energiewende bedingt, aufgrund von Subventionen, dass zunehmend landwirtschaftliche Fläche für die Energiegewinnung genutzt wird. Was hältst Du von dieser Entwicklung und welche Konsequenzen hat dies für Deinen Betrieb?

Ich sehe das ähnlich wie bei Bio, mit einem Unterschied: ich verkaufe Rohware, also Getreidekörner, Rapskörner und Zuckerrüben. In welchem Markt, ob auf dem Teller oder im Tank, die landen, unterliegt nicht meinem Einfluss. Das entscheidet der Käufer. Ethisch gesehen halte ich die Entwicklung aus globaler Sicht schon für etwas fragwürdig. Der Teller sollte immer den Vorrang haben, aber warum sollte z.B. Stroh als Nebenprodukt nicht energetisch genutzt werden?

Die Honigbiene gilt heute verbreitet als der wichtigste Bestäuber in der Landwirtschaft. Ohne diese würden die Erträge massiv geringer ausfallen. Verwendest Du auch Honigbienen bzw. den Dienst von Bestäubungsimkern, um Deine Erträge – z.B. beim Raps – zu sichern?

Auf unserer Weide hat ein Imker seine Bienenvölker stehen, weil es im Wohngebiet Probleme mit den Nachbarn gab. Für mich ist es schön, dass es sich so ergeben hat. Da ist die Rapsbestäubung in jedem Fall gesichert. Weizen ist ein Selbstbestäuber und Zuckerrüben benötigen keine Bestäubung.

Viele sehen in der modernen Landwirtschaft den wichtigsten Verursacher des Bienensterbens. Zum einen durch die Monokulturen und zum anderen durch den leichtfertigen Einsatz von Pestiziden. Wie gehst Du mit diesen Vorwürfen um?

„Mein“ Imker erzählt mir was anderes. Sein Hauptproblem ist die Varroa-Milbe. Und Monokulturen habe ich keine.

Die EU hat ein Teilverbot der sogenannten Neonicotinoide erlassen, um vor allem die Bienen vor angenommenen Schäden zu bewahren. Hältst Du dieses Verbot für angemessen und bringt es Dich ggf. in Bedrängnis, da Dir jetzt weniger Möglichkeiten zur Schädlingsabwehr zu Verfügung stehen.

Es hat technische Probleme bei der Anwendung in Mais gegeben. Das stimmt. Soweit mir bekannt, sind die gelöst. Dürfte der Wirkstoff auch in Zuckerrüben nicht mehr angewendet werden, müsste wieder großflächig mit Insektiziden gespritzt werden. Das kann nicht umweltgerechter sein.

Siehst Du insgesamt einen Rückgang der Artenvielfalt – von dem immer wieder die Rede ist – auf Deinen bewirtschafteten und der daran angrenzenden Flächen? Wie gehst Du ggf. damit um?

Definitiv nein, sogar das Gegenteil. Auf unserem Hof brüten Falken, neuerdings auch Eulen. Ich sehe wieder Eichhörnchen und Fischreiher. Der Feldhamster ist wieder aufgetaucht und vor vier Wochen standen Rehe auf meinem Acker. Vor 10 Jahren gab es die alle nicht in meinem Betrieb.

Du hast vor kurzem in deinem Blog die Grüne Gentechnik quasi zur Diskussion gestellt. Ist es für dich inzwischen klarer? Nach deinem Gefühl: Was denkt die Mehrzahl der Landwirte über Grüne Gentechnik?

Ja, eines ist klarer. Es gibt immer noch ein Schwarz/Weiß-Denken, immer noch die Ja/nein-Positionen. Es gibt Anwendungen, die ich für wenig sinnvoll halte, andere wiederum wären ein Gewinn für die Natur, z.B. eine Kartoffel, die gegen Krautfäule resistent ist. Die ist machbar, aber eben nur mit Gentechnik. Und die wird pauschal abgelehnt und das finde ich so schade.

Sehr gerne wird mit Monopolen und Patenten auf Gentechnik-Saatgut argumentiert. Für wie relevant hältst du dieses Argument? Spielt Nachbau überhaupt eine Rolle in Deutschland? Wie sehr bist Du von den Saatgutherstellern abhängig? Siehst Du in dem Bereich eine gefährliche Monopolisierung und eine Marktmacht, die Dir betriebliche Entscheidungen vorschreibt?

Patente auf Lebewesen sollte es meiner Meinung nach nicht geben. Patente auf technische Neuerungen hingegen gibt es seit langem und die müssen auch sein, sonst forscht keiner mehr.
Für meinen Betrieb spielt Nachbau schon seit Jahrzehnten keine Rolle mehr, aber es gibt ihn noch.

Ja, ich bin von Saatgutfirmen „abhängig“, die aber auch von mir. Wenn ich denen nichts mehr abkaufe, sind die bald pleite und können keine neuen Entwicklungen auf den Markt bringen. Mit meinem Kauf bei verschiedenen Saatgutherstellern beuge ich also selbst einer Monopolisierung vor.

Wenn wir heute von Monopolisierung sprechen, sehe ich nur die Marktmacht der Lebensmittelketten: Aldi, Lidl, Edeka, Rewe, Metro. Und das war es dann schon. Da steckt die Marktmacht, da habe ich ein Problem mit einem Monopol. Aber da geht kein Kartellamt ran.


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