Angekündigt wird die auf den 27./28. Juni 2015 terminierte Veranstaltung als großes „Trommelevent mit Künstler- und Handwerkermarkt in Bad Gögging“ . Hinter der harmlos daherkommenden Bezeichnung verbirgt sich allerdings ein Wochenende, das prallvoll mit esoterischer Schwurbelei, allen möglichen Heilern und vielen Plastikschamanen auf Kundenfang geht. Auf der Facebook-Seite heißt es, das Event stehe „ganz im Zeichen von Mensch, Gesundheit, Ökologie, Spiritualität und Freude“, „[w]as als kleine Idee des Veranstalters Norbert Grüner aus Kelheim und einigen Gleichgesinnten begann, mobilisiert nun Schamanen, Trommler und Heiler aus ganz Europa“. Es wird nichts ausgelassen: „… gemeinsam zum Herzschlag der Erde für die Heilung der Mutter Erde trommeln. Damit soll ein Zeichen gesetzt werden …“ und natürlich: „Für alle, die neue Wege gehen wollen, sich über die Möglichkeiten der Heilungsmethoden aus der Natur erkundigen möchten oder einfach nur zum spirituellen Gedankenaustausch mit anderen treffen wollen …“. Für das breite Publikum gibt es ebenfalls noch Line-Dance (seeehr spirituell und indigen) und einen „Chuck Berry vom Schlachthofviertel“.
Die Mittelbayerische hat treffsicher den „Schirmherrn“ des Events aufs Korn genommen – es handelt sich um den in Europa als Schamanen und vorgeblichen Indianer auftretenden Ruben Ortiz, Künstlername J. Reuben Silverbird . Ortiz alias Silverbird weiß so wenig von indigenen Kulturen, dass ihm entgangen ist, dass es bei den indigenen Völkern Amerikas keine Schamanen gibt. Er wird auch nicht glaubwürdiger, wenn er als angeblicher Apache, oder Navaho, oder Navaho-Cherokee, oder Apache-Cherokee in Bekleidung auftritt, die an die der Plainskulturen angelehnt ist. Die von ihm gerne getragene Adlerfederhaube ist leider bei Apache, Navaho sowie Cherokee völlig unbekannt. Es ist davon auszugehen, dass er sich im „Schamanisieren“ ebenso wenig auskennt, aber zum Ausgleich dafür lässt er sich von der Vereinigungskirche, also den Moonies, und in den letzten Jahren auch von Falun Gong hofieren, Reisen bezahlen sowie Geburtstagsfeten ausrichten. Bei den Moonies hat er den Titel „Peace Ambassador“ eingeheimst, den diese sehr wahllos verteilen, und setzt gerne darauf, dass Veranstalter und Publikum dies irrütmlich als von der UNO vergebenen Titel missverstehen und ihn entsprechend ankündigen. Für die Moonies und ihre Tarnorganisationen tritt er bis heute auf, wie z.B. bei einer Tagung der Universal Peace Foundation im Januar 2015.
Die Facebook-Seite von Ortiz/Silverbird weist ihn zusätzlich als Unternehmer aus:
„Silverbird Spiritual Solutions
through Clairvoyant, Psychic, Healing Music & Native Wisdom“
Es hat ihm offenbar auch noch niemand gesteckt, dass er als angeblicher Hellseher und Medium auch lange nicht mehr im Bereich indigener amerikanischer Spiritualität unterwegs ist – aber sollte er das als Hellseher nicht eigentlich sehen können? Fragen über Fragen …
Auf der Facebook-Seite des Trommelevents wird Ortiz/Silverbird übrigens so grottenfalsch wie werbewirksam als „[d]er führende Lehrer der Native-American-Spiritualität“ herausgeputzt. Dabei ist der Herr nichts weiter als ein schlecht imitierter Indianer-Darsteller, der von indigener Spiritualität weniger weiß als der Elefant vom Stepptanz. Dieselbe Beschreibung gibt es ebenfalls auf dem Portal Worldangels, in das sich Esoteriker aller Couleur eintragen dürfen, die irgendwelche Dienst zu verkaufen haben. Hier wird für Silverbird eine Kontaktadresse in München angegeben; er steht für Workshops zu folgenden Themen zur Verfügung: „Native American – geistige Lehren, geheiligtes Trommeln und Tanzen Frühlings- TagundNachtgleiche- Schwitzhütten-Zeremonie“. Ferner heißt es:
Außerdem bietet J.R. Silverbird Programme für Schulen an, bei denen er über Traditionen der Native American informiert und den jungen Menschen seine Botschaft des Friedens übermittelt.
Es wäre wünschenswert, wenn solche Auftritte gar nicht zustandekämen. Dass Ortiz/Silverbird erwachsene Personen mit billigem Fantasie-Hokuspokus über den Tisch zieht – die sind für sich selbst verantwortlich. Aber Kindern und Jugendlichen diesen Schwurbelkram als echt verkaufen: da hört es auf. Vor allem, da er wohl – siehe die erwähnte „Botschaft des Friedens“ – auch noch Moonie-Propaganda einfließen lässt.
Veranstalter des Events ist ein Norbert Grüner aus Kelheim, der mit zwei Partnern unter dem Namen „Lebensfreu(n)de – Messe und Events“ eine Firma betreibt, deren Seite in der URL allerdings auf ein „Lichtstudio Elina“ läuft. Die Lebensfreunde veranstalten vom 26.-28. Juni 2015 außerdem die „Naturheiltage Labertal“, zu deren Themen z.B. Alternative Heilmethoden oder Aktivierung der Selbstheilungskräfte gehören. Die Ausstellerliste präsentiert den gesamten esoterischen Gemischtwarenladen: Kirlian-Bioenergiefeldmessung, Coaching, Heilströmen, Magnetschmuck, Plastikschamanen, Tierkommunikation, Energetisches Heilen, Heilpraktiker, Geistheiler, Rückführungen etc. Andererseits ist Herr Grüner wie Ortiz/Silverbird auch auf dem Portal Worldangels mit einem Profil vertreten.
Grüner ist ebenfalls als Ansprechpartner für eine Firma „Cyberschamane in Kelheim“ genannt, die ihren Kunden zusagt:
Cyberschamane, Werbung & Beratung, Computerhilfe Kelheim. Flyer, Visitenkarten und Anzeigenerstellung.
Websites die auch gefunden werden. SEO – Suchmaschinen Optimierung. Pagrank & Alexa Rank Optimierung.
Wer den Link anklickt, landet jedoch auf der Seite der Plastikschamanin Viola Flambé aus Kelheim, deren Namen sich die Leser am besten schon mal merken.
Die Programmplanung bietet den Lesern auch einiges vom Esoterikmarkt:
Stefanie Steinhausen referiert über Kundalini-Yoga, ein Renato Strassmann informiert das Publikum über „Urpflanzen“, eine Dr. med. univ. Silvie Helene Reither über „Hypnoakupunktur“, Bärbel Rey referiert über Astrologie und – es ist ja „international“ – Jaya Peters informiert über das Didgeridoo, wobei es vermutlich das Geheimnis der Referentin und der Veranstalter bleibt, wie ein australisches Instrument da hineinkommt und was dieses mit „Heilung“ zu tun haben soll. Petra Ostermeier erzählt etwas von Kräutern, Shania Sharantron allerdings belämmert das Publikum mit dem „Lichtkörperprozess“ und ein Rolf Schaub doziert über „Russische Mediale Heiltechnik Freisprechnung von allen Belastungen“.
Dies nur als kleinen und unvollständigen Ausblick auf das Angebot.
Nun noch ein paar ganz besondere Schmankerln des Gögginger Events:
Da ist zum einen Viola Flambé, die sich auch „Die weiße Büffelfrau“ sowie Schamanin nennt. Ja genau, das war die Dame, zu deren Schamanenwebseite ein Link eines angeblichen PC-Service geht, für den der Gögging-Veranstalter Norbert Grüner als Ansprechpartner auftritt. Es ist sicherlich nicht zufällig, dass die Geschäftsanschrift von Flambés Schamanenbusiness in Kelheim just dieselbe ist wie die von Grüners „Lebensfreu(n)de“-Eventladen. Die Zusammenarbeit zwischen Flambé und Grüner scheint insgesamt bestens zu florieren, denn Flambé wirbt auf ihrer Seite außerdem noch mit Reisen auf dem „Schamanenboot“ in Holland, die ebenfalls zufällig von Herrn Grüner veranstaltet werden. Daneben verkauft Flambé noch Schwitzhütten, Visionssuchen und Medizinräder; allerdings sind Medizinräder im Großen und Ganzen die Erfindung des Plastikschamanen Vincent LaDuke alias Sun Bear.
Überhaupt ist Flambé ganz groß im Zusammenarbeiten. Sie ist augenscheinlich nur nicht die hellste Lampe im Saale, so dass sie bei der Wahl ihrer Kooperationspartner schon ein paar Mal daneben gegriffen hat, was allerdings inzwischen auf ihrer Webseite dem schamanen- pardon: schamhaften Löschen anheimfiel. Im Jahre 2010 kooperierte sie kurzzeitig mit einem Herrn Giovanni de Carlo alias Tdom Bah Toden Xkee, der als Kiowa-Imitat die europäische Powwow-Tanzszene und ein paar Museen über den Löffel balbierte. Außerdem preist sie den angeblichen Inuit-“Schamanen“ Jens Lyberth alias Angaangaq und ferner wird, oh Wunder, auf ihrer Webseite der oben bereits erwähnte „Schirmherr“ Ortiz/Silverbird wärmstens empfohlen, mit dem sie offenbar aktuell ebenfalls kooperiert. So langsam erhalten wir jetzt doch eine Ahnung, wie das bei den Plastikschamanen mit dem Spruch „Wir sind alle verwandt“ gemeint sein könnte.
Ein weiterer einst gepriesener Schamanenkollege von Flambé war William A. Burchett alias William A. Jervis alias Firewalker alias Turtle Winds alias Medicine Turtle. Der rothaarige und mit Alabasterteint ausgerüstete Jervis mag sich in Europa als Cherokee sowie obendrein als Medizinmann ausgeben. Allerdings verkauft er keine Cherokee-Zeremonien, sondern Schwitzhütten und Visionssuchen, die Zeremonien der Lakota sind, die es bei den Cherokee nicht gab und auch heute nicht gibt. Die von ihm als Cherokee-Zeremonien angekündigten Unternehmungen sind allerdings den Cherokee ebenso unbekannt. Die abgesessenen ca. 13 Jahre Knast wegen bewaffneten Raubüberfalls deklariert er mittlerweile um als „Lehrzeit“ bei diversen „Schamanen“. Seit ca. drei Jahren hat er sich aus Deutschland ziemlich zurückgezogen und seift statt dessen Österreicher mit Erzählungen ein, er habe bis zu seinem 18. Lebensjahr in Höhlen gewohnt. (Wir wollen ihm nicht vehement widersprechen, er ist halt ein typischer US-Redneck aus dem Süden und posiert ja auch gerne mit der Konföderiertenflagge, da ist einiges möglich. Aber er sollte sich verkneifen, das als Lebensweise der Cherokee darzustellen!)
Interessanter Weise wird auch Jervis in seiner jetzigen Inkarnation als „Medicine Turtle“ am Trommelevent teilnehmen. Es nimmt aber doch etwas Wunder, dass die Veranstalter einen so (ähem!) renommierten Mann im Programm schamhaft verschweigen – nur auf der Facebook-Seite wird er erwähnt! Leider hat es nichts gebracht, Psiram hat es gesehen und nun wird doch der Bogen zwischen dem Ex-Knacki William A. Burchett zu William A. Jervis und seinen Aliassen publik. Dem Publikum möchten wir noch als Warnung zukommen lassen, dass Mr. Burchett oder Jervis (er hatte im Knast bereits eine offizielle Namensänderung beantragt, die seinerzeit abgelehnt wurde und es ist unklar, ob er den Namen „Jervis“ überhaupt legal trägt) zwar von eher überschaubarer Intelligenz ist, dies aber mit einer weit überdurchschnittlichen kriminellen Energie kombiniert. Wir möchten auch nicht behaupten, Burchett alias Jervis lüge wie gedruckt, aber wenn er euch „Guten Tag“ entbietet, richtet euch rein vorsichtshalber schon mal auf einen gebrauchten, miesen Scheißtag ein.
Andromeda Whitebear Reschke lohnt auch ein genaueres Hinsehen. Sie ist offenbar rundum gerüstet; ob sie den mittleren Namen „Whitebear“ (teilweise auch mit Bindestrich als „Whitebear-Reschke“) legal oder als „schamanischen“ Namen trägt, ist nicht zu ermitteln. Auf jede Fall ist sie nicht nur über „Api-Therapie“ voll informiert, sondern kann auch über „Druidische Aromatherapie“ (Mistelnschnuppern?) vortragen. Darüber hinaus hat sie noch Hildegard-Medizin im Angebot, ist ayurvedische Meisterin und wurde von Sun Bear (siehe oben) ausgebildet. In einem Video erwähnt sie, dass die Ausbildung in ayurvedischer Medizin bei „Dr. Bruker“ erfolgte, der für seine rechtslastigen Ansichten bekannt war. Das Göttinger Tageblatt weiß zu berichten, dass der von „Andromeda Whitebear“ angebotene Honig aus Gebieten stamme, „über denen es garantiert „keine Chemtrails“ gibt“.
Ferner wird eine Illary Melanie Baron einen Vortrag über „HUNA – das Geheimnis Schamanisches Wissen aus Hawaii“ halten. Zum in den USA und Europa verkauften Huna gibt es im Psiram-Wiki bereits einen Artikel. Frau Baron war bis ca. 2012 noch einer angeblichen Maya-Hohepriesterin namens „Mutter Nah Kin“ eng verbunden und wurde z.B. als Ansprechpartnerin für deren Seminare genannt. Nun, 2012 ist ganz harmlos ausgeklungen, da muss es ein paar Verwerfungen gegeben haben – jedenfalls hat sich Baron offenbar umorientiert. Sie trat zudem gerade erst vom 14.-17. Mai 2015 beim „Kongress Indianischer Schamanismus, Esoterik & Medialität“ auf, bei dem sie u.a. so illustre braunesoterische Mitreferenten wie Jeet Liuzzi und Trutz Hardo hatte.
Außerdem wird noch ein „Wacha Nabi“ angekündigt: „Spricht über seine Arbeit als indianischer Medizinmann“. Bürgerlich heißt der Herr Manfred Jobst und ist in München als Medizinmann und Heilpraktiker tätig. Jobst behauptet zwar, sein Großvater sei Chickasaw gewesen (diese Ethnie gehört zum Kulturareal Südostküste), gelernt hat er das Plastikmetier aber u.a. bei einem Blackfoot namens Devalon Small Legs (aus Kanada), der ihn auch zum „Pfeifenträger“ gemacht haben soll. Nun ist dies aber ein Titel, der in indigenen Ethnien/ Kulturen in dieser Form nicht vorkommt, aber das macht ja nix – das merkt hier keiner, und vor allem bringt es Geld. Unsere Freunde bei NAFPS kennen Herrn Jobst auch, und nach Lesen des Threads bei NAFPS ist auch deutlich, warum Herr Jobst den gutgemeinten Rat nicht annahm, seine Verwandten in den USA ausfindig zu machen und sich dort zu aklimatisieren, anstatt als Plastikschamane die Kundschaft zu veralbern.
Daneben ist Herr Jobst noch Mitglied eines Indianer- und Westernvereins, der „Southern Stars“ – er wird dort übrigens in der Rubrik „Indianer“ geführt. Dieser Verein stellte 2013 einige Mitglieder für eine sogenannte Dokumentation über das Leben von Cynthia Ann Parker bereit, die ab Kindesalter bei den Comanche aufwuchs. Die „Doku“ (Titel: Die Weiße Komantschin) wurde für SAT1 erstellt, da darf man vielleicht kein wissenschaftliches Werk erwarten, aber die Produktionsfirma war offenbar arg bemüht, kein stereotypes Fettnäpfchen und keinen Fehler auszulassen. Von denen der geringste ist, dass einige Hobbyisten der Southern Stars mit bayerischem Akzent ein paar Worte in der Sprache der Lakota haspeln dürfen – Herr Jobst wirkt in der „Doku“ übrigens mit, hat aber keine Sprechrolle. (Kritiken der „Doku“ gibt es hier und hier [hier zunächst die englische, darunter die deutsche Fassung].) Das Angebot der Vermittlung indigener Darsteller für die „Doku“ schlug die Produktionsfirma aus und zahlte die Gage lieber den deutschen Hobbyisten.
Also wird Gögging ein Ringelreihen der Esoterikszene und leider werden dafür noch nicht einmal Hochkaräter oder Titanen des Genres aufgeboten. Gut, dafür soll es keinen Eintritt kosten. Oder?
Die Mittelbayerische erwähnt einen Betrag von € 30 für den „Vortrag“ von Ortiz/Silverbird. Das ist doch recht heftig für ein paar unbedarfte Worte und vollmundige Anmaßungen.
Das Abkassieren scheint ohnehin etwas einseitig verteilt: die Facebook-Seite informiert seit dem 2. Juni um 10:27 Uhr darüber, dass eine „schamanische Beratung“ bereits im Vorfeld gebucht werden könne. Diese kostet € 25 für 25 Minuten und kann unter der E-Mail-Adresse von Viola Flambé klargemacht werden.
Seit dem 28. April wird dort ebenfalls für „private Sitzungen“ mit Ortiz/Silverbird geworben, in denen er „Aura Readings“ anbietet – € 50 für 25 Minuten, und nur 16 Termine, also dalli-dalli: schnell buchen. Hierfür wird eine Mailadresse mit der Domain „trommelevent dot de“ genannt.
Dem Hellseher Ortiz hat also auch noch keiner aufs Pferd geholfen, dass Aura Readings nichts Indigenes sind. Aber vermutlich läuft auch das unter „Das merkt doch keiner“ und außerdem gilt eben: „pecunia non olet“. Allerdings: uns von Psiram müffeln solche Geschäftspraktiken ganz erheblich.