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Abschied von Professor Walach

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Eines Tages setzte sich Nasrudin Hodscha verkehrt herum auf seinen Esel, nämlich mit dem Gesicht nach hinten. Die Menschen, die ihm begegneten, fragten ihn verwundert: „Hodscha, warum reitest du falsch herum auf deinem Esel?“ Der Hodscha antwortete ihnen: „Das ist ganz leicht zu erklären. Ich möchte nicht in dieselbe Richtung schauen wie der Esel!“

Eines Tages setzte sich Nasrudin Hodscha verkehrt herum auf seinen Esel, nämlich mit dem Gesicht nach hinten. Die Menschen, die ihm begegneten, fragten ihn verwundert: „Hodscha, warum reitest du falsch herum auf deinem Esel?“ Der Hodscha antwortete ihnen: „Das ist ganz leicht zu erklären. Ich möchte nicht in dieselbe Richtung schauen wie der Esel!“

Professor Harald Walach, Speerspitze der Aufklärung, bisher Institutsleiter an der Universität Viadrina, hat seinen Hut genommen oder in die Hand gedrückt bekommen. Wie konnte es nur dazu kommen? Genaueres weiß man nicht, nur eben dass er am 19.04.2016 an der Viadrina eine als Abschiedsvorlesung bezeichnete öffentliche Vorlesung gehalten hat. Nun ist das schon ein wenig her, aber es ist uns kürzlich ein akustischer Mitschnitt dieser Veranstaltung zugegangen.

Zur Vorlesung selbst möchten wir uns nicht weiter äußern, weil unsere Kenntnisse mittelalterlicher Mystik dazu nicht ausreichen. Wir haben aber Verständnis für das Bedauern, dass ihre Rezeption im späten 19. Jhd. [1] nicht zu einer Revision der späteren Wissenschaft geführt hat. Anders die Vorrede des Fakultätsvorsitzenden, quasi die Verabschiedung. Sie ist ein wissenschaftstheoretisches und -politisches Juwel von zeitloser, unvergänglicher Brillanz. Deshalb schätzen wir uns glücklich, unseren Lesern einen Eindruck von ihr vermitteln zu können. Leider ist das Audiofile des Mitschnitts von technisch schlechter Qualität, so dass wir die Rede nicht komplett transkribieren können. Einige Fragmente können wir aber überliefern.

Personen wie Harald Walach, Querdenker, eigene Köpfe, mit einer eigenen Forschungsagenda, mit einem eigenen Weg, den sie wissenschaftlich und auch in der Arbeit nehmen, fordern die Fakultät heraus, stellen auf die Probe, treiben sie an die Grenzen ihrer Bereitschaft, sich mit anderer Art des Denkens auseinander zu setzen, und das hat Walach getan. Nicht nur, weil er in vielen Dingen oftmals anders gedacht hat als der Mainstream in der Fakultät; auch, weil sein, ich würde sagen ganzheitliches Denken methodologisch auf eine Art diszipliniert und wissenschaftlich anspruchsvoll ist, dass es sehr schwer gefallen ist, die eigenen Schwierigkeiten, damit das eigene Denken mit dem Denken Walachs in Verbindung zu bringen, auf irgendwelche wissenschaftliche Defizite abzuheben. Das ist sehr schwer gefallen. Das war nicht möglich, das hat niemand getan, das war niemandem in der Fakultät möglich. Er ist ein großer Wissenschaftler gewesen und wird es mit Sicherheit weiterhin sein.

Unsere überkommenen inhaltlichen, methodischen, disziplinären Sichtweisen sind von ihm immer wieder herausgefordert worden; die ganze Zeit. Wir haben sehr viel von ihm gelernt, nicht nur methodologisch und inhaltlich, sondern wahrscheinlich auch, was die Grenzen unserer eigenen inhaltlichen und intellektuellen Flexibilität und Öffnungsbereitschaft angeht

Was schade, aber auch nicht mehr zu ändern ist: dass der Versuch des Zusammenführens von Komplementärmedizin und Kulturwissenschaften so nicht funktioniert hat. Das war ein großes Projekt und ist nach wie vor ein großes Projekt. Das hat so, denke ich, nicht funktioniert. Das hat damit zu tun, dass die methodologischen Schwierigkeiten der Überwindung von sehr unterschiedlichen Disziplinen verdammt groß sind und das Selbstverständnis einer Fakultät leicht sprengen können, wenn man nicht die eigene intellektuelle Flexibilität dazu aufweist.

dass wir an der Fakultät gelernt haben, … wie sehr wir in unsere eigenen eingetretenen Pfade zu denken gewohnt sind und wie wenig bereit wir sind, sie grundsätzlich infrage zu stellen. Das … war als Selbstkritik gemeint. … Fakt ist, wir haben es nicht geschafft. Und, was, denke ich, sicher ist, dass das nicht an Ihnen gelegen hat, Herr Walach, das hat, glaube ich, sehr viel mehr an der Fakultät gelegen.

Ich habe außerordentlich großen Respekt vor der Beharrlichkeit und der Leidenschaft … Ich denke, das ist auch ein Beispiel für wissenschaftliche Redlichkeit, seinen eigenen Weg zu gehen, zu den eigenen Überzeugungen stehen, davon nicht abzuweichen, auch wenn der Wind mal verdammt heftig bläst. Sie haben immer das Gespräch mit der Fakultät gesucht, Sie haben nie den kritischen Diskurs vermieden. … Ich kann eigentlich nur sagen, und damit komme ich zu meinem Schluss, dass Ihr Abgang ein wirklicher Verlust für die Fakultät ist. Wir verlieren einen großen und eigenständigen Denker. …

Jetzt einmal ganz ehrlich: Von der Freundlichkeit einer Königskobra. Würden Sie von diesem Redner einen Gebrauchtwagen kaufen?

Shine On You Crazy Diamond.


  1. : Gemeint ist Franz Brentano. Er ist dadurch auffällig, dass er um 1905 eine sog. „Reismuskrise“ durchlitt. Da war er offenbar der einzige, denn sonst kommt dieser Begriff kaum vor. „Der Reismus (von lat. res ‚Ding‘) bezeichnet bei Tadeusz Kotarbinski [1886-1981], einem Philosophen der neopositivistischen Lemberger Schule, die Theorie, dass nur die Dinge existieren, die der Mensch erkenne. […]“ (Wikipedia). Diese Theorie sollte von den meisten Menschen im Alter von sechs oder sieben Jahren verlassen sein: wenn sie bemerken, dass die Dinge nicht zu sein aufhören, wenn man die Augen schließt.

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