Wir haben ja gerade darüber gebloggt, dass 110 Nobelpreisträger in einem offenen Brief Greenpeace wegen deren Ablehnung von Gentechnik im Allgemeinen und Goldenem Reis im Speziellen massiv angegriffen haben.
Bei den Reaktionen (unter anderem auf Facebook) ist uns ganz stark aufgefallen, dass den Nobelpreisträgern sehr gerne vorgeworfen wird, vom Thema einfach keine Ahnung zu haben.
An diversen Stellen im Netz wird argumentiert, dass ja eine der Unterzeichnerinnen des offenen Briefes eine Literatin sei. Dieses Argument scheint besonders in Österreich sehr beliebt zu sein, Frau Jelinek hat ja “nur” einen Nobelpreis in Literatur – also, was weiß die schon?
Auch Greenpeace argumentiert auf diese Weise, gewürzt mit “Monsanto war’s, Monsanto war’s”.
So, zum Facebook-Text müssen wir gleich ein paar Worte loswerden. Alfred G. Gilman ist tatsächlich bereits im Dezember 2015 verstorben. Der Biochemiker und Pharmakologe galt als standhafter und lautstarker Verteidiger der Wissenschaft und hat sich in den USA dazu einige Schlachten mit Kreationisten geliefert. Den Nobelpreis erhielt er für die Entdeckung des G-Proteins, das eine maßgebliche Rolle bei der Signalübertragung in Zellen spielt. Aber seine Meinung ist wohl nicht mehr relevant, er ist ja tot.
Keiner der Laureaten ist vom Fach: klar, James Watson (Doppelhelix-Modell der DNA), David Baltimore (laut Wikipedia “einer der Wegbereiter der Gentechnik”), die können vom Thema Gentechnik ja praktisch keine Ahnung haben. Man könnte übrigens noch weitere Personen nennen, deren Arbeit im Bereich Mikrobiologie ihnen den Nobelpreis eingebracht hat. Aber, die Meinung dieser Personen ist nicht relevant, äh, also, weil, weil, ach ja: keiner von denen hat einen Nobelpreis in Agrarbiologie.
Für den Rest, also Physiker und so gilt: Also, die dürfen sich zu einem Thema schon mal gar nicht äußern!
Dann hätten wir das mal klar gestellt. Auf Nobelpreisträger zu hören ist doof. Bleibt noch das klitzekleine Problem mit der Konsequenz.
Uh, ok. Ausnahmsweise. Einmal ist kein mal. Mit der Mainauer Deklaration 2015 zum Klimawandel hatte Greenpeace offenbar seine Freude. Aber da waren bestimmt lauter Nobelpreisträger für Meteorologie dabei.
Vielleicht kann man an der Stelle Greenpeace eine gewisse Inkonsequenz (böse Zungen würden das ja Scheinheiligkeit nennen, wir sind da nicht so) vorwerfen, da sie bei früheren Gelegenheiten kein Problem mit “vom Fach” hatten, wenn ein Nobelpreisträger etwas “Erwünschtes” erklärte.
Zugegeben, es ist durchaus verständlich, dass man mit der aktuellen Deklaration, die sogar noch von noch mehr Nobelpreisträgern unterzeichnet wurde, keine Freude hat.
Schließlich ist man ja plötzlich höchst selbst die Zielscheibe und wird aufgrund der aufgestellten Behauptungen aufs heftigste kritisiert, und das nicht von irgend jemand, sondern von Menschen, die für ihr Lebenswerk einen der höchsten existierenden Preise erhalten haben.
Dass Greenpeace hier bemüht ist, das Ganze zur gut geölten Propagandamaschinerie zu erklären, erscheint schon verständlich. Aber wenn man selber mit Bildern wie den Folgenden wirbt, sollte man doch ein etwas dickeres Fell haben. Oder will uns wirklich jemand erklären, dass man auf diese Weise eine seriöse Diskussion führen will oder auch nur kann?
Greenpeace spielt hier mit den Ängsten der Menschen, der Furcht vor dem Unsichtbaren, der Furcht vor dem Unbekannten. Es könnte ja irgendwann irgendwo irgendwie irgendwas passieren. Sind wir wirklich sicher, dass nicht irgendwann irgendwas passiert? Ich frage ja nur, haben sie eigentlich keine Angst, von einem Maiskolben gebissen zu werden? Er könnte Tollwut haben! Es gibt keine Studien die zeigen, dass das nicht passieren kann! Denken sie mal darüber nach.
Wenn man diese Ängste bedient – natürlich etwas subtiler als in der Überzeichnung von uns – hat man es natürlich leichter, als wenn man sagt: “Alle bisherigen Tests zeigen, es ist sicher.” Greenpeace springt an der Stelle auf und schreit: “Ha! Da habt ihr es: Sie geben zu, zukünftige Tests könnten klar die Gefahr zeigen!”
Was soll man jetzt machen? Es ist ja wirklich mühsam. Für Greenpeace ist das Thema eine Glaubensfrage, keine wissenschaftliche. Sie versuchen, Zweifel zu wecken und sagen: “Glaubt denen nicht! Glaubt lieber uns!”
Der Aufruf der Nobelpreisträger ist allerdings keine Aufforderung ihnen, als Person/Personengruppe, zu glauben, sondern ein Versuch, einen Schiefstand zu korrigieren. Es geht darum, sich von der Frage des Glaubens zu befreien. Dass dieser Aufruf notwendig wurde, ist eigentlich eine Bankrotterklärung unserer Medien. Sie haben es nicht geschafft den wissenschaftlichen Status der Gentechnik zu transportieren, die unspektakulären Fakten sind keiner Meldung wert, der Kampf gegen Monstermaiskolben gibt wohl einfach als Schlagzeile viel mehr her.
Während die wissenschaftliche Welt mit überwältigender Mehrheit die Gentechnik als nützliches Werkzeug sieht, nicht perfekt, ein Werkzeug, dessen Potential ein trauriges Dasein führen muss, fürchten die meisten Menschen in Europa die Gentechnik. Weil ihnen irgendwer mal erzählt hat, dass sie ganz schlimm sei. Und so furchtbar böse.
Vielleicht ist es an der Zeit, alte Vorurteile, 20 Jahre alte Behauptungen, abzuschütteln und selbst noch einmal nachzudenken. Betrachten sie diesen Aufruf nicht als “Weil 110 Nobelpreisträger es sagen, ist es wahr!” sondern als Aufruf an die Öffentlichkeit, sich mit dem Thema noch einmal auseinander zu setzen und sich zu überlegen, warum man selbst wirklich gegen die Gentechnik ist.
Weil man sich genau informiert hat? Oder weil Greenpeace Horrorbilder von Monstermaiskolben gezeigt hat?
Einen sehr schönen Text, in dem ein Direktor am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm sich den offensichtlichen Frust von der Seele schreibt, findet man übrigens hier:
Lesenswert: Der Traum vom gentechnikfreien Land
Wir nutzen jeden Tag unzählige Geschenke der Wissenschaft, das Smartphone, das Auto, die Ampel, den Strom aus der Steckdose, das saubere Wasser aus der Leitung und so vieles mehr.
Und eben diese Wissenschaftler, die wissenschaftlichen Institutionen, die Universitäten und Professoren für Mikrobiologie, Menschen mit mittlerweile mehr als 20 Jahren Erfahrung mit der Grünen Gentechnik, die das Thema in Hunderten Studien untersucht haben, werden nicht nur ignoriert, nein, mit Misstrauen – Die sind alle von Monsanto bestochen! – gestraft.
Vielleicht denken Sie einfach mal darüber nach, wer ihr Vertrauen eher verdient hat. Greenpeace oder die wissenschaftliche Welt.