Regelmäßig erfreut die taz ihre anthroposophischen Leser mit der Beilage „taz THEMA Anthroposophie“. Nun wirbt Christian Füller in der taz-Rubrik „Zukunft – Bildung“ für ein höchst umstrittenes Schulprojekt, die erste „staatliche Waldorfschule“ Deutschlands, als „Zukunftsmodell für das Bildungswesen“. Wirbt Christian Füller damit für die, Zitat Prof. Hopmann, „Sekte“ Anthroposophie?
Gastbeitrag von Andreas Lichte mit freundlicher Genehmigung der Ruhrbarone.
Christian Füller beginnt seinen Artikel so: „Die Nachrichtenlage ist unübersichtlich, was die staatliche Waldorfschule in Hamburg anlangt. Ein Rudolf-Steiner-Hasser aus Bremen sammelt Unterschriften, um die Schule zu verhindern.“ Quellenangaben – z.B. einen einfachen link – hält Christian Füller offensichtlich nicht für nötig, um die „Nachrichtenlage“ zu verbessern, stattdessen versucht er es mit einer Unterstellung: „Rudolf-Steiner-Hasser aus Bremen …“.
Nein, André Sebastiani, Gastautor der Ruhrbarone, und Initiator der Petition „Gegen die geplante staatliche Waldorfschule in Hamburg“ ist kein „Steiner-Hasser“. Sebastiani interessiert sich als Lehrer einer öffentlichen Schule in Bremen für „Bildung“. Irgendwann stieß er auf das Thema „Waldorfschule“ und hat sich seitdem intensiv damit auseinandergesetzt, wie bei den Ruhrbaronen hier nachzulesen ist: Waldorfschule: Versteinerte Erziehung.
Für Sebastiani steht heute fest, dass es eine Waldorfschule ohne Anthroposophie nicht geben kann. Das ist eine Schlussfolgerung, die ich als ausgebildeter Waldorflehrer ausdrücklich bestätige: alles, was in der Waldorfschule passiert, basiert letztlich auf den Vorgaben Rudolf Steiners (1861–1925), Begründer der esoterischen Weltanschauung Anthroposophie. Über den anthroposophischen Hintergrund der Waldorfpädagogik informierte ich auch Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe in einem offenen Brief, Zitat:
„(…) Die Waldorfpädagogik übernimmt die in der Anthroposophie übliche Einteilung des Menschen in ‘Wesensglieder’. Diese ‘Wesensglieder’ entwickeln sich laut Rudolf Steiner in zeitlichen Abschnitten von 7 Jahren, den ‘Jahrsiebten’. Dazu sagt Prof. Dr. Stefan T. Hopmann, Bildungswissenschaftler an der Universität Wien, im Interview ‘Man kann nicht nur ein ‘bisschen’ Waldorf sein’, Zitat:
‘(…) Lichte: noch einmal zur Jahrsiebtelehre – von 0–7 Jahre wird der physische Leib entwickelt, von 8–14 Jahre der Ätherleib, von 15–21 Jahre der Astralleib, vom 21. Lebensjahr an endlich das »Ich« – erst dann ist der Mensch ein Mensch. Was sagen Sie zu Steiners Mensch aus dem Esoterik-Baukasten?
Prof. Hopmann: Wir leben in einer freien Gesellschaft. Also hat jede/r das Recht, jeden Unfug zu glauben. Nur sollten sich Eltern, die ihr Kind einer Waldorfschule anvertrauen, darüber im klaren sein, dass sie dann einer Pädagogik vertrauen, die ein heilloses Gebräu esoterischer Glaubenssätze über Drüsen, Zahnentwicklung, astrologischen Einflüsse und ähnliches ist, das von der modernen Kinderpsychologie und der aktuellen Lehr-Lern-Forschung durchweg als durch nichts begründbarer Unsinn abgelehnt wird. Entschiedene Waldorfianer wird das nicht anfechten: Wie alle Sekten sind sie gegen widersprechende Wissenschaft immun’ (…)“
Wer sich wie Christian Füller für eine „staatliche Waldorfschule“ einsetzt, wirbt also – zumindest indirekt – für die „Sekte“ Anthroposophie. André Sebastiani warnt in der „Süddeutschen Zeitung“: „(…) eine staatliche Waldorfschule könne wissenschaftlich zweifelhafte Inhalte an Schulen salonfähig machen.“
Wer das nicht möchte, unterzeichnet einfach die Petition „Gegen die geplante staatliche Waldorfschule in Hamburg“, Text der Petition im Anhang.
Anhang – Text der Petition „Gegen die geplante staatliche Waldorfschule in Hamburg“:
“An: Ties Rabe, Bildungssenator Hamburg
Gegen die geplante staatliche Waldorfschule in Hamburg
Petition von GWUP – Die Skeptiker
In Hamburg könnte es bald eine staatliche Waldorfschule geben – im Rahmen eines Schulversuchs, der im Schuljahr 2014/2015 starten soll. Waldorfpädagogik wird leider immer wieder fälschlicherweise für eine harmlose, antiautoritär-fortschrittliche Erziehungsform gehalten. Wir von der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) hingegen sehen in der Waldorfpädagogik eine gefährliche Ideologie, die anti-aufklärerisches, anti-wissenschaftliches und im schlimmsten Fall sogar rassistisches Gedankengut vermittelt. Der Schaden, den eine solche Erziehung bei Kindern und Jugendliche anrichten kann, ist kaum abzuschätzen. Wir warnen daher ausdrücklich davor, der Waldorfpädagogik in Form eines Schulversuchs noch größeren Zulauf zu bescheren und ihr vielleicht sogar ein offizielles politisches Gütesiegel zu verleihen.
Die Waldorfpädagogik wurde durch Rudolf Steiner begründet und ist eng mit der Anthroposophie verbunden. Alle grundlegenden Konzepte der Waldorfpädagogik beruhen auf Steiners esoterischen Thesen, die durch moderne wissenschaftliche Erkenntnisse widerlegt sind.
Waldorfschüler werden durch den Klassenlehrer in vier Grundcharaktere (Temperamente) eingeteilt. Der Waldorflehrer soll das Karma seiner Schüler erkennen und ihren Lebensweg entlang dieses angeblichen Karmas führen. Aus dem Lehrer wird eine Führerfigur gemacht, kritisches Hinterfragen und eigenständiges Entwickeln von Ideen spielen dabei keine Rolle.
Nach Steiners Lehre wird in den ersten sieben Lebensjahren bloß der physische Leib entwickelt, das Kind ahmt angeblich nur nach, was es in seiner Umwelt vorfindet. Demgemäß steht das bloße Auswendiglernen und Wiedergeben im Zentrum des Unterrichts. Vom 8. bis zum 14. Lebensjahr soll sich ein „Ätherleib“ entwickeln, das Kind ist angeblich noch immer nicht in der Lage, begrifflich zu denken. Die Fähigkeit, Zusammenhänge kognitiv zu verstehen, wird den Kindern abgesprochen. Der Unterricht, auch der naturwissenschaftliche, soll noch reinen Erlebnischarakter haben.
Der Lehrplan der Waldorfpädagogik folgt in seinem Ablauf Steiners Kulturstufentheorie. Dahinter verbirgt sich ein Gedankengebäude mit rassistischen, sozialdarwinistischen Merkmalen. Der einzelne Mensch vollzieht demnach in seiner Entwicklung die Entwicklung der Menschheit nach. Die Entwicklung der Menschheit beginnt laut Steiner in Atlantis, befindet sich gegenwärtig in der 5. „Germanisch-Angelsächsischen Kulturepoche“ und endet mit der 7. ,der „Amerikanischen Kulturepoche“, die angeblich 5733 n. Chr. beginnt.
Wir wünschen uns eine Schulbildung, in der man die Vielfalt der wissenschaftlichen Erkenntnis vermittelt wird, anstatt sich mit der Wiedergabe alter Mythen und Märchen zufriedenzugeben. Wir wünschen uns eine Schulbildung, die Kindern Freude und Staunen über eine Welt lehrt, die man untersuchen, erforschen und verstehen kann. Wir wünschen uns eine Schulbildung, in der Kinder ermutigt werden, sich selbst, ihre Lehrer und das bisher Erforschte zu hinterfragen, zu testen und zu korrigieren. Mit der Waldorfpädagogik sind diese Wünsche nicht vereinbar. Wir fordern daher eindringlich, vom geplanten Schulversuch Abstand zu nehmen und statt esoterischer Lehren ein aufgeklärtes, modernes, wissenschaftliches Weltbild ins Zentrum der Schulbildung zu stellen.“
Weiterführende Artikel:
Waldorfschule: Versteinerte Erziehung – Übersichtsdarstellung der Waldorfpädagogik und Anthroposophie von André Sebastiani
Man kann nicht nur ein ‘bisschen’ Waldorf sein – Interview mit Prof. Dr. Stefan T. Hopmann, Bildungswissenschaftler an der Universität Wien
3 Jahre Rudolf Steiner ist „zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend anzusehen“ – die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BPjM) entschied, dass Bücher Rudolf Steiners rassistischen Inhalt haben
Geschichte in der Waldorfschule: ‘Atlantis’ und die ‘Rassen’ –Anthroposophie im Geschichtsunterricht der Waldorfschule
Waldorfschule in staatlicher Trägerschaft – offener Brief an Senator Ties Rabe, Hamburg