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Monsanto – Ein Feindbild

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Wir haben uns hier im Blog schon oft für die Gentechnik ausgesprochen, da wir glauben, dass es sich bei der pauschalen Ablehnung um pure Esoterik handelt und wir diese Technologie als äußerst wertvoll empfinden. Dass wir mit dieser Meinung nicht allein stehen, sieht man auch an dem offenen Brief zum Thema, den inzwischen 119 Nobelpreisträger unterzeichnet haben.

Chemie-Werbung (1980)

Monsanto Chemie-Werbung (1980)

Im Zuge dessen haben wir auch schon mehrfach die Darstellung von Monsanto als „Antichrist“ kritisiert und möchten einmal unseren Standpunkt zum Konzern darlegen.
Monsanto hat es in gewisser Hinsicht geschafft, zu einem der großen Feindbilder der westlichen Welt zu werden. Wenig überraschend sehen wir die Lage etwas differenzierter. Aus unserer Sicht ist Monsanto im Großen und Ganzen ein Konzern wie jeder andere, der einfach „zum Handkuss“ kam und zum besonderen Feind stilisiert wurde, um der bösen Gentechnik ein Gesicht zu geben.

Und natürlich ist Chemie an sich sowieso schon böse. Keine ganz neue Entwicklung, wie man an der Werbung von Monsanto aus dem Jahr 1980 vielleicht erkennen kann.

Monsanto und die Erbschuld
Die Kritik an Monsanto beginnt meist historisch, mit Bezug auf ihre Geschichte in der chemischen Industrie, mit Agent Orange, PCB, DDT usw. Monsanto war ja einer der teils zahlreichen Hersteller, die diese Produkte produziert haben und man zieht diese Tatsache als Beleg dafür heran, dass Monsanto ganz besonders übel ist.

Allerdings: Unternehmen haben ja kein Bewusstsein, das haben nur die Mitarbeiter. Sind die heutigen Mitarbeiter für die Taten von damals moralisch verantwortlich? Gibt es so etwas wie Erbsünde überhaupt? Und selbst wenn, ist es überhaupt noch die selbe Firma? Beginnen wir daher mit der Geschichte der Firma.

Die gesamte historische Zeitlinie kann man sich in der Wikipedia durchlesen, wir wollen uns ein paar Knackpunkte herausgreifen.

Zu Beginn hieß das Unternehmen Monsanto Chemical Works und hatte einen Schwerpunkt auf Chemie. Erst in den 1960ern begann man sich auch in den Agrarbereich auszudehnen, Düngemittel und Pestizide zu verkaufen, aufgrund der fortschreitenden Diversifizierung wurde der Firmenname 1964 in Monsanto Company geändert.

Die 1960er waren eine „interessante“ Zeit für den Chemielieferanten Monsanto, der Vietnamkrieg und Agent Orange, das Aufkommen des PCB Skandals, aber auch die Entwicklung von Levodopa zur Behandlung von Parkinson(Nobelpreis für William Standish Knowles), die Entwicklung des Monsanto-Prozesses zur Herstellung von Essigsäure, die Erfindung von Kunstgras(AstroTurf), die Produktion einiger der ersten kommerziellen LEDs überhaupt und natürlich der Einstieg in den Agrarbereich.

Die Diversifizierung schritt weiter fort, unter dem neuen Forschungschef Howard Schneiderman investierte man das Geld aus dem alten Chemiegeschäft in den neuen Bereich Biotechnologie.

Ab den 1980ern war Monsanto unter den ersten, die sich mit Gentechnik beschäftigten; allerdings konnte die Firma mangels Verkaufsnetzwerk die Forschungsergebnisse nicht direkt nutzen. Pioneer erwarb zuerst 1992 für 450.000 Dollar die Rechte an gentechnisch verbesserten Sojabohnen, im Jahr darauf für 38 Millionen Dollar die Rechte an BT-Mais und verdiente damit sehr viel Geld.

Im Zeitraum von 1996 bis 1998 ging Monsanto auf Einkaufstour und kaufte für insgesamt 8 Milliarden Dollar eine ganze Reihe von Agrar/Saatgut-Firmen:

Calgene, Inc.; Asgrow Agronomics; Asgrow and Stine Seed; Agracetus; Holden’s Foundation Seeds, Inc.; Monsoy; Cargill’s international seed divisions; Plant Breeding International; und DeKalb Genetics

DeKalb Genetics war damals die zweitgrößte Agrarfirma der USA, aber auch die anderen Firmen waren keine Zwerge: Holden’s Foundation Seeds war immerhin der größte unabhängige Saatgutproduzent der USA. Mit dem Einkauf war Monsanto „plötzlich“ selbst der zweitgrößte Agrarproduzent der USA, mit einem soliden Standbein in mehr als 50 Ländern (Cargill). Besonders hervorheben muss man noch die Biotechnologie-Firma Agracetus. Das 1981 gegründete Agracetus besaß ein breites Patent-Portfolio im Bereich Gentechnik. Monsanto hatte zuvor bei Agracetus lizenziert, mit dem Ankauf gehörten ihnen nun weitere Patente und Technologie für Baumwolle, Soja und andere Pflanzen.

Monsanto hatte sich vom Chemiekonzern zum großen Mischkonzern gewandelt. Durch ihre vielen Zukäufe hatten sie sehr viel Kontrolle über den Saatgutmarkt und vor allem die Distributoren erworben und erzwangen damit auch eine große Marktdurchsetzung der eigenen Produkte. Die Richtlinie, dass von den Monsanto gekauften/kontrollierten Vertriebsgesellschaften zu 90% Saatgut von Monsanto verkauft werden muss, geriet später ins Visier der Regulatoren und musste auf 70% zurückgeschraubt werden.

Man sieht, dass der Agrarkonzern Monsanto zu einem großen Teil in den 1990ern durch Zukäufe entstand. Von Agracetus viel Technologie für gentechnisch verbesserte Pflanzen, mit Dekalb, Holden, Cargill usw. ein Verkaufsnetzwerk und die Produktionsmöglichkeiten.

In der Folge spaltete Monsanto das Chemiegeschäft überhaupt ab und gründete eine neu Firma: Solutia. Solutia übernahm dabei die Verantwortung und Rechtsnachfolge für den PCB-Skandal: von 1929 an bis zur Stilllegung der Produktionsanlagen im Jahre 1977 hatte Monsanto im Gebiet des Städchens Anniston massiv Umweltverschmutzung betrieben und auch Beweise für die Gefährlichkeit von PCB vertuscht. 2003 wurden Monsanto und Solutia zu Schadenersatz in Höhe von 700 Millionen Dollar verurteilt.

Monsanto wurde aufgekauft

Monsanto Chemie Werbung von 1980

Monsanto Werbung (1980)

Mit dieser Überschrift ist nicht der jetzige Kauf durch Bayer gemeint. Nein, Monsanto wurde bereits zuvor im Rahmen einer Fusion von der Pharmafirma Pharmacia and Upjohn übernommen. Monsanto wurde zu Pharmacia.

Der neue Konzern Pharmacia trennte das Agrargeschäft, Teile des „alten“ Monsanto, aber eben auch die vor kurzem gekauften Firmen wie Agracetus und DeKalb Genetics ab und taufte sie: Monsanto Ag Company. Pharmacia selbst wurde später von Pfizer übernommen.

In gewisser Hinsicht beginnt also die Geschichte des heutigen Monsanto mit der Gründung der „Monsanto Ag Company“, des neuen Monsanto.

Nur, wie soll man das jetzt historisch gesehen bewerten? Wenn man an eine Erbschuld für Vergehen in der Vergangenheit, wie die Vertuschungen bei PCB oder die Verunreinigung von Agent Orange mit Dioxin sieht, wem soll man die anlasten? Solutia? Pharmacia? Monsanto „neu“?

Haben sich die guten Leute von Monsanto der „bösen Chemiker“ bei Solutia entledigt? Oder haben die bösen Leute von Monsanto einfach einen Sündenbock geschaffen und den Schwarzen Peter Solutia gereicht? Und wenn man verschwörungstheoretisch denkt: War Pharmacia vielleicht so brilliant, mit dem Kauf/Verkaufringelpitz die ganzen Altlasten loszuwerden? Wenn man die Schuld an den Namen Monsanto heftet, warum sind dann die gesamten gekauften Firmen wie DeKalb Genetics, plötzlich „Mitschuld“ am PCB Skandal?

Der Leser kann sich ja hier mal überlegen, wie er die Sache sieht.

Monsanto und die Klagen
Ein großer Vorwurf an Monsanto sind die ständigen Klagewellen, mit denen es arme, unschuldige Bauern überzieht. Dabei werden angeblich Landwirte verklagt, wenn Monsanto-Saatgut z.B. durch den Wind aufs Nachbarfeld geweht wird. Was ist da dran?

Die Lizenzbedingungen von Monsanto schreiben vor, dass man die Ernte aus ihrem Saatgut nicht wieder zur Aussaat verwenden darf. Die meisten Farmer halten sich an daran, aber wenn nicht, so geht Monsanto dagegen vor. Monsanto selbst gibt an, dass sie seit 1997 gegen insgesamt 147 Bauern in den USA Klage eingereicht haben; die meisten davon wurden außergerichtlich beigelegt. Auf ihrer eigenen Seite haben sie auch einige der Fälle aus ihrer Sicht beschrieben.

Grundsätzlich bezeichnet man die Verwendung von Saatgut aus der letzten Ernte im Deutschen als Nachbau. Es wird vielleicht viele überraschen, aber die Gesetzeslage unterscheidet sich grundsätzlich in Deutschland gar nicht so sehr von der in den USA. Das Ganze wird bei uns durch den Sortenschutz geregelt.

Nicht nur in den USA gibt es solche Klagen, auch in Deutschland ist Nachbau ein Thema für die Gerichte. Durch die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) wurden bereits einige Tausend Klagen gegen deutsche Bauern eingereicht, die Nachbau betreiben. Ein heiß umkämpftes Thema; Vertreter der Landwirte, die IG-Nachbau, wehren sich nach Kräften dagegen und bestehen auf dem Recht der Bauern, Saatgut wiederzuverwenden – die STV pocht auf das Recht der Züchter, für ihre Schöpfungen entlohnt zu werden.

Wie auch immer man dazu steht, man kann sich ja auf den verlinkten Webseiten über die jeweiligen Positionen informieren.

raubkopieDie prinzipielle Frage nach dem Schutz geistigen Eigentums tritt auch in anderen Bereichen auf. Bei Software. Warum nicht einfach die Software aus dem Internet herunterladen und verwenden? Warum sollte man den Hersteller entlohnen. Man zahlt ja auch nicht im Wirtshaus oder im Kleidungsgeschäft. Gleiches wie bei der sogenannten Raubkopie gilt natürlich auch bei Filmen, Musik, Ebooks, …

Der heldenhafte Percy Schmeiser
Was Monsanto angeht, am berühmtesten ist wohl der Fall Percy Schmeiser. Die Auseinandersetzung fand in Kanada statt, zählt also nicht zu den obigen 147 Fällen. In Filmen wie „David gegen Monsanto“ wird das Ganze so dargestellt, als sei ein Sturm aufgekommen, habe böses GMO-Saatgut verweht, die Felder des armen, armen Percy Schmeiser verunreinigt und dann kommt auch noch Monsanto daher und verklagt ihn deswegen.

Der Haken an der Sache ist:
Percy Schmeiser hatte auf insgesamt 400ha – das entspräche einem Feld von 2 km Länge und Breite – Roundup Ready Soja angebaut. So etwas passiert nicht zufällig durch Wind, Zahnfee oder Aliens. Pro Hektar benötigt man etwa 4-5 Packungen Saatgut in handelsüblichen Größen zu 150.000 Körnern pro Sack. Percy Schmeiser hatte das Saatgut dafür allerdings nicht von Monsanto gekauft, sondern selbst aus tatsächlich verwehtem Saatgut hergestellt.

Nun, die geschmacklich etwas merkwürdigen Darstellungen von Herrn Schmeiser wollen wir jetzt gar nicht zum Thema machen; faktisch reduziert sich der Fall ganz einfach auf die Frage: Wenn man das Saatgut nicht von Monsanto bezogen hat, darf man es dann verwenden?

Bevor man automatisch antwortet, eine zweite Frage: Wenn man die Software-Kopie nicht legal/käuflich bezogen hat, darf man sie dann verwenden? Ist das in Ordnung?

Ein weiterer bekannter Fall ist Monsanto gegen Bowman, den wir hier im Blog schon genauer besprochen haben. Gleiche Fragestellung und in dem Artikel gehen wir auch auf den Zwiespalt Patente versus Innovation ein.

Monsanto und die Patente
Angeblich will sich ja Monsanto, oder allgemeiner die Großkonzerne, die Nahrungsversorgung der Welt unter den Nagel reißen und jeder wird dann von ihnen abhängig sein.

Erst einmal was die Patente angeht: Patente gelten für 20 Jahre. So sind zum Beispiel die Patente auf Glyphosat und auch auf die Glyphosat-Resistenz bei Saatgut abgelaufen. Es gibt auch bereits freie Sorten, die genutzt werden können. Man mag über Patente denken was man will, aber sie sind kein Weg zur Weltherrschaft. Sie geben dem Besitzer die Möglichkeit, für gewisse Zeit exklusiv von einer Erfindung zu profitieren. Aber irgendwann ist Schluss.

Es wäre natürlich schön, wenn alle sofort jede Erfindung nutzen dürften – auf der anderen Seite: Wenn du etwas erfindest, wärst du begeistert, wenn dir jemand die Idee klaut?

Sehr oft wird auch angemerkt, dass es keine Patente auf Leben geben sollte. Es wird aber nicht „das Leben“ patentiert, sondern das Wissen, die Verfahren, die Idee, ein solches Produkt herzustellen. Warum gesteht man einem beliebigen Züchter das Recht zu, sein Produkt zu schützen, Monsanto aber nicht?

Wir halten jedenfalls das Patentthema als Argument gegen Monsanto für ungeeignet.

Glyphosat und Gentechnik

Im Übrigen ist Monsanto sowieso total schuldig, weil sie Glyphosat herstellen und Gentechnik betreiben. Auch so ein langes Thema; folgender Artikel bei der GWUP sagt eigentlich alles dazu: Glyphosat: Substanzlose Kritik und „gekaufte“ Befürworter.

Und zu Gentechnik haben wir wohl unseren Standpunkt bereits in der Einleitung klar gemacht. Man findet bei uns im Blog oder bei der hervorragenden Seite TransGen viele Artikel dazu.

Fazit
Es gäbe noch einiges mehr zu sagen oder einige weitere Themen anzuschneiden, aber wir wollen mit diesem Artikel vor allem darlegen, dass die betriebene Schwarzmalerei in vielen Punkten nicht so einfach ist. Es gibt sicher vieles an gerechtfertigter Kritik, die man äußern kann, aber ein Schauprozess wie das Monsanto-Tribunal hilft niemand weiter und dient nur der Desinformation.

Zur weiteren Lektüre sei hier noch ein Artikel des Agrarökonomen Prof. Zilberman empfohlen, der unter dem Titel Monsanto RIP einen langen Artikel über den Konzern, der nach dem Aufkauf durch Bayer aufhören wird als eigenständige Firma zu existieren.


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