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Wie sieht es mit dem Goldenen Reis aus?

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Vor einigen Wochen wurde eine Studie zum Goldenen Reis mit dem schönen Titel „Molecular and Functional Characterization of GR2-R1 Event Based Backcross Derived Lines of Golden Rice in the Genetic Background of a Mega Rice Variety Swarna“ veröffentlicht, die innerhalb von kurzer Zeit zu diversen „Goldener Reis ist ein Fehlschlag“ Meldungen auf gentechnikfeindlichen Webseiten führte. Im deutschen Raum geschah das zum Beispiel durch Christoph Then von Testbiotech, der einmal mehr bewies, dass ein Tierarzt, der seine Dissertation über Homöopathie schrieb, auch zur Gentechnik Nichts zu sagen hat.

Wir wollen das zum Anlass nehmen, das Thema erneut zu beleuchten. Einem Leser, dem das Thema unbekannt ist, sei zum Einstieg der Artikel Goldener Reis – Fluch oder Segen? Ein Faktencheck empfohlen. In Kürze: Beim Goldenen Reis handelt es sich um eine gentechnisch geschaffene Sorte, die helfen soll, den in Südostasien verbreiteten Vitamin-A Mangel zu beseitigen.

Ein auf einem Auge erblindetes indisches Mädchen

Wenn der Reis erfolgreich ist, könnte damit einfach und kostengünstig ein erheblicher Teil des Vitamin-A Bedarfs der Kinder Asiens gedeckt werden. Und das ohne das Risiko einer Vitamin-A Vergiftung, die bei Supplementierung mit Tabletten besteht, da der Reis nur Beta-Karotin enthält, eine Vitamin-A Vorstufe, wie man sie eben von Karotten und anderem Gemüse kennt. Seit 20 Jahren verteilen Hilfsorganisationen jährlich Hunderte Millionen Vitamin-A Tabletten, was Kosten von 500 Millionen Dollar pro Jahr verursacht. Dennoch wurden zum Beispiel 2014 in Bangladesh nur 62,1% der Kleinkinder mit Supplemtierung erreicht.

Eine bessere Lösung wäre daher wünschenswert. Ethisch betrachtet muss man daher jeder guten Idee die Daumen drücken und kann nur hoffen, dass Goldener Reis ein Erfolg wird.

Der Pferdefuß ist natürlich, dass die Sorte mittels Gentechnik geschaffen wurde und daher aus Sicht diverser Gruppen einfach nicht erfolgreich sein darf. Dass ein Misserfolg zum Schaden von Millionen Menschen wäre, ist Spendensammel-maschinen wie Greenpeace oder Testbiotech egal. Ethik und Menschenleben spielen keine Rolle. Hauptsache man kann sein Feindbild pflegen. Kein Wunder, dass in einem offenen Brief inzwischen 123 Nobelpreisträger von Greenpeace ein Ende der GMO-Ablehnung fordern.

Nun, die oben erwähnte Studie dokumentiert tatsächlich, dass sich die Kreuzung von Goldenem Reis Event GR2-R1 (Erklärung des Begriffs Event folgt noch) mit der beliebten Reissorte Swarna als Fehlschlag erwies. Die Kreuzung litt unter äußerst schlechtem Ertrag und zeigte sich für die Nutzung unbrauchbar. Das Problem liegt dabei beim Event R1 und es ist anzunehmen, dass alle auf diesem Event basierenden Pflanzen vom Ertrag her unbrauchbar sind.

Diverse Webseiten haben diese Studie bzw. irgendwelche Nacherzählungen davon aufgegriffen und so mancher hat sich offenbar diebisch gefreut, dass die ganze Sorte ein Fehlschlag ist. Das klingt sehr dramatisch. Nur, es ist keine Neuigkeit! Das GR2-R1 nicht brauchbar ist, weiß man bereits seit Jahren.

Bei GR2-R1 handelt es sich um Golden Rice 2, Event R1. GR1 war die erste Version, der Prototyp der Idee, Reis gegen Vitamin-A Mangel einzusetzen, die schnell durch die verbesserte Version GR2 abgelöst wurde. Bei einem Event handelt es sich grob gesprochen um eine durch einen gentechnischen Herstellungsprozess (Transformation) geschaffene Pflanzenvariante. Dieser Prozess ist nicht perfekt, es treten regelmäßig Fehler auf und man führte daher über tausend Transformationen durch, aus denen man am Ende die besten Kandidaten wählte. Ähnlich wie bei einem Wettbewerb, bei dem man die besten Teilnehmer auswählt und nur diese nach Olympia schickt.

Tatsächlich wurden durch das Golden Rice Humanitarian Board sechs sogenannte Events, namentlich E1, G1, L1, R1, T1 und W1 zur weiteren Erforschung und Züchtung ausgewählt.

2009 wurde dann nach einigem hin und her R1 zum Favoriten ernannt. Man hätte gerne mehrere Varianten ins Rennen geschickt, aber mangels Geld musste sich das humanitäre Projekt Goldener Reis auf einen Kandidaten festlegen. Man setzte daher große Hoffnungen in GR2-R1 und versuchte auf den Philippinen die Zulassung der Sorte zu erreichen. Bei den Feldstudien (die auch mit Feldzerstörung durch Gentechnik-Gegner zu kämpfen hatten) zeigte sich 2013 allerdings, dass die Variante vom Ertrag her zu schlecht ist. Man erkannte das Problem und gab das Event R1 in einer offiziellen Verlautbarung Mai 2014 auf.

Ein sehr bitteres Ergebnis, vor allem, weil man das Problem bereits mittels der Analysedaten von 2006 hätte erkennen können (… with only four computer mouse clicks by someone knowledgeable in the field …).

Die Erkenntnisse aus der oben erwähnten Studie, die als großes Drama dargestellt werden, sind tatsächlich ein Drama. Allerdings fand dieses Drama im Endeffekt vor mehr als 3 Jahren statt, als man aufgrund der Feldversuche erkannte, dass GR2-R1 ungeeignet ist und man auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Wer die Geschichte von Goldenem Reis, den verschiedenen Events und den Entscheidungen die bis ins Jahr 2014 geführt haben, nachlesen möchte, dem sei The present status of Golden Rice, Adrian Dubock (2014) ans Herz gelegt. Der Text beschreibt ungleich genauer als unser kurzer Abriss die Geschichte der verschiedenen Events.

Aber wie sieht es nun aktuell aus?

GR2E, Boro 2015-16 (Quelle, PDF)

Das nächste vielversprechende Event E1 (GR2E BRRI dhan2) wurde ausgewählt und in Bangladesh ins Rennen geschickt. Letztes Jahr fanden Feldversuche statt und die Ergebnisse sind sehr vielversprechend. Der Goldene Reis wurde mit der Basis-Sorte als Kontrolle in Hinsicht Ertrag, Wuchs, Rispenanzahl, Körner pro Pflanze, … verglichen.

Einerseits wurde festgestellt, dass der Reis eine ausreichende Menge von mehr als 10 μg/g Beta-Karotin enthält, was ja das Ziel der Sache war, andererseits hatten die getesteten Sorten auch sehr guten Ertrag. Als einziger signifikanter Unterschied im Vergleich zur Kontrollsorte zeigte sich, dass Goldener Reis weniger Amylose (wasserlösliche Stärke) enthielt.

Rispen-Vergleich

Ob das positiv oder negativ ist, können wir nicht beantworten. Der Gehalt an Amylose bestimmt vor allem die Kocheigenschaften, wie klebrig der Reis ist. Eventuell müsste man dazu die Expertise eines Kochs einholen. Wenn sich in den weiteren Studien, die dieses Jahr noch durchgeführt werden, der Erfolg fortsetzt, kann man auf eine Zulassung 2018 hoffen.

Und wenn nicht? Dann sieht es wohl tatsächlich schlecht für den Goldenen Reis aus. Im Gewächshaus wird gerade GR2-T getestet, aber es wären wieder Jahre verloren. Kein Grund zur Freude, sondern ein trauriges Ereignis. Es geht dabei nämlich nicht um den Erfolg oder Misserfolg einer Technologie, es geht um das Leben von Millionen Kindern.


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