Eichstätt ist, zugegebenermaßen, nicht zufällig, sondern gezielt ausgewählt worden. Grund dafür war weniger der Umstand, dass hier ein Bischof Walter Mixa eine stockkonservative Ausrichtung des dortigen Priesterseminars betrieb, sondern der Umstand, der eine ungute Verquickung von kommunalen Diensten und esoterischen Umtrieben nahelegt: eine Stadträtin der „Grünen“ hatte sich als Betreiberin eines „spirituellen Kinos“, Anbieterin von „Lichtwasser“-Seminaren und Geistheilerin hervorgetan, Letzeres zeitweise sogar mit dem – illegalen – Anbieten von Fernheilungen.
Möchte man sich den Tort eines Vortrages von Rüdiger Dahlke, Jürgen Fliege oder Masaru Emoto antun, kann man das in ihrer Seminarreihe immer noch gerne tun.
Wer in Eichstätt unter der Rubrik „Gesundheit“ sucht, wird – wie so oft – auf eine Unzahl von Bewegungskursen stoßen, die die grundsätzliche Frage aufwerfen, ob eine VHS sich überhaupt als eine Art öffentlich-rechtlich betriebenes Fitnessstudio zu begreifen hat. Abgesehen davon ist auffallend das völlige Fehlen des Themas „Homöopathie“. Schüßlersalze und Bachblüten: ebenfalls Fehlanzeige. Die VHS Eichstätt hat dafür schärfere Dinge im Angebot:
Ohrkerzen, zum Beispiel. „In Theorie und Praxis“, man mag es sich gar nicht vorstellen. Dozentin: Ulla Schick, Heilpraktikerin aus Stuttgart.
„Gesichtsdiagnose – Krankheiten an der Nasenspitze erkennen“. Dozentin: Michaela Betz-Dworschak, Heilpraktikerin, im übrigen auch Anbieterin mancher Merkwürdigkeiten und Dozentin für weitere Veranstaltungen zum Thema „Klopfakupressur“ und zur „Kinesiologie“.
„Ein völlig (nein: VÖLLIG) neues Verständnis von Schmerz“. Und ein „VÖLLIG (!) neues Bewegungssystem“ sowie ein Schmerzreduktionsseminar noch dazu. Dozent: Richard Kuhn, Heilpraktiker; mit einem Curriculum, das zwar eine Menge ansonsten lobenswerter Qualifikationen, unter anderem als Historiker, verzeichnet, im Gesundheitssektor dafür aber auf dem Parcours der angewandten Quackerei wenig auslässt: Homöopathie, Psychologische Physiognomie, Radiästhesie, Osteopathie, Klassische Akupunktur, Energiefelder und bioenergetische Funktionsdiagnostik, NLP etc pp. Zugegeben: das Verständnis von Schmerz, das hier vermittelt wird, könnte durchaus „neu“ sein.
Naturheilmittel nach Hildegard von Bingen gibt es bei Beate Böhnlein, Hauswirtschafterin, Gesundheitsberaterin, Phytopraktikerin und rührige Geschäftsfrau mit eigenem Internetshop, zu bestaunen – so als habe es seit fast 1000 Jahren keine besseren Erkenntnisse gegeben. Ein Schelm, wer meint, dort auf Produkte aus dem eigenen Shop zu stoßen…
Alles abgehakt? Oh nein, denn unter dem Button „Gesellschaft“ verstecken sich noch eine Reihe weiterer obskurer (Un-)Heilslehren, und hier geht es erst richtig los:
„Aura Soma“ klingt an sich schon schräg genug – tatsächlich ist es eine knallharte Vermarktungsmasche eines bestimmten Anbieters, dessen Produkte, ja, irgendetwas mit Farben zu tun haben. Wer etwas anderes gemeint haben sollte, kann sich zum Beispiel hier eines besseren überzeugen. Versteckt, aber lesbar, findet man dort den sprachlich etwas schiefen Satz:
„Aura-Soma® ist ein eingetragene Warenzeichen der Aura-Soma Products Ltd., England“.
Wer „Aura Soma“ anbietet, wird das also wohl nur mit dem Segen des Warenzeicheninhabers tun dürfen. Im Klartext: hier promotet eine VHS über Dozenten, die bei der Firma in England unter Vertrag stehen, Esoterikprodukte. Und wie schräg das hier ausfällt, kann man sich einmal auf der Homepage der Dozentin Anna Templer anschauen.
„Faszination Kristalle und Edelsteine“ schlägt in eine ähnliche Kerbe: hier erfährt man so sinnfreie Dinge wie
► Einblick in Ihr körpereigenes Energiesystem (Chakrasystem)
► Wo “arbeiten” die Edelsteine bei mir und wie kann ich mir das vorstellen?
► Wie nutze ich die edlen Steine im Alltag?
► Aufladen und energetisieren der Helfer aus dem Erdreich
…von „sunshinemicha“ Michaela Maria Amler, Kristalltherapeutin, Energiearbeiterin, Befreiungsarbeiterin, mit Engeln auf Du-und-du, und, und, und.
Und schließlich: eine Astrologin doziert in Numerologie.
Fazit: die VHS Eichstätt hat die in sie gesetzten mulmigen Erwartungen mehr als erfüllt. Extrem abseitige Lehren in Theorie und Praxis, die – am Beispiel der Ohrkerzen – die Sinnbefreiung aufs trefflichste mit handfesten Gesundheitsgefährdungen kombinieren, ein Sammelsurium an energetischem Nonsens und obendrauf die Schaffung einer Werbeplattform für einen internationalen Esoterikprodukte-Vertreiber. Das ist in der Tat eine schwer verdauliche Melange.
Wie kann es sein, dass eine kommunale VHS allen Ernstes Ohrkerzen propagieren lässt? – es drängt sich die peinliche Frage auf, in welchen Körperöffnungen ihrer Studierenden die VHS Eichstätt brennende Kerzen sonst noch tolerieren würde.
Wie kann es sein, dass eine VHS sich als Promotion-Schiene eines international agierenden Esoterik-Produkte-Hökers missbrauchen lässt?
Unterstellen wir noch den freundlichsten Fall: es hat sich einfach niemand bei den zuständigen Stellen dafür interessiert, was da „gelehrt“ wird. Bejammernswert bleibt es allemal.