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Kreationisten, Die Grünen und der Kampf gegen Wissenschaft in den Schulen

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Wie jedes Jahr versuchen Kreationisten in den USA wieder, ihr “Intelligent Design” im Unterricht unterzubringen. Diesmal sind Indiana, Montana, Missouri, Oklahoma und Colorado dran. Das wird praktisch jedes Jahr in Angriff genommen, in Tennessee und Louisiana sind sie 2012 und 2008 leider schon damit durchgekommen. (Über Tennessee hatten wir schon vor einem Jahr berichtet, als noch schwache Hoffnung bestand; inzwischen ist das Gesetz in Kraft.)

Ganz wichtig ist den Kreationisten dabei zu betonen, dass sie nichts gegen Wissenschaft haben, ja sie sogar befürworten. Das kann man z.B. in Missouri schön sehen, wo sich der Abgeordnete, der das Gesetz eingebracht hat, selbst als “I’m a science enthusiast… I’m a huge science buff,…” bezeichnet (Buff bedeutet “Fan”; der Begriff ist jedoch auf einer zur Wissenschaft recht unpassenden Sprachebene angesiedelt).

Diesen Widerspruch aufzulösen schafft er ganz leicht, indem er seine eigene Definition von Wissenschaft präsentiert:

Man erfährt, dass eine Hypothese eine wissenschaftliche Theorie ist, die aber nur der Meinung einer Minderheit entspricht, weil sie fehlerhafte Logik, unzureichende Daten, eine signifikante Menge an sich widersprechenden Daten enthält oder einfach philosophisch unpopulär ist.

Eine Theorie dagegen ist eine “abgeleitete Erklärung, deren Komponenten Daten, Logik und glaubensbasierte Philosophie” sind.

Intelligent Design ist für ihn eine Hypothese, die (man beachte seine eigene Definition oben) aufgrund philosophischer Erwägungen abgelehnt wird (natürlich nicht, weil sie fehlerhaft ist).

Die Grundidee ist einfach: Da Wissenschaft und Kreationismus inkompatibel sind, erfindet man einfach eine neue (komplett hirnrissige) Definition von Wissenschaft. Problem gelöst.

Einige Kommentatoren bezeichnen diese Gesetzesvorlagen als dämlich, sogar nach Kreationisten-Maßstäben, aber sie sind eingebracht und es bleibt nur zu hoffen, dass sie wieder in einer Mülltonne verschwinden.

In anderen Staaten wird mit der Idee von “akademischer Freiheit” und mit der Förderung von “Wissbegierde” gearbeitet. Man fühlt sich hier unwillkürlich an 1984 erinnert, wo es heißt: Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit ist Stärke. Wenn man genauer hinsieht, sind akademische Freiheit und Wissbegierde unerwünscht.

Man greift also mit allerlei Tricks nach der Kontrolle der Bildung, um die eigenen unwissenschaftlichen Thesen unterzubringen. Es wird jedes Jahr versucht und oft genug ist man damit in den USA erfolgreich.

Nun könnte man versucht sein, an dieser Stelle mit Spott und Hohn wie Nelson über den Ozean zu zeigen, doch ist es bei uns wirklich besser? Wir haben vielleicht weniger Probleme mit Kreationisten, aber ist bei uns die Wissenschaft ein so hohes Gut?

Auch bei uns sind die Kreationisten aktiv, auch bei uns wurde vom Verband evangelischer Bekenntnisschulen versucht, die Evolutionstheorie als Glaubensbekenntnis abzustempeln und durch etwas mehr “Gottgeprägtes” zu ersetzen.

Auch bei uns halten Professoren wie Walach an Universitäten Märchenstunden, mit dem Ziel, wissenschaftliche Definitionen umzudefinieren. Man führt Schwurbeleien wie die Schwache Quantentheorie ein und zielt darauf ab, eine Basis für allerlei Idiotien zu schaffen.

Oder man erinnere sich an Ministerin Steffens Auffassung von Gesundheit, die ebenso fordert, dass passende wissenschaftliche Konzepte eingeführt werden, damit Alternativmedizin funktioniert. Da die Wissenschaft keine Wirksamkeit der Homöopathie feststellt, muss eben die Wissenschaft solange geändert werden, bis das Ergebnis passt. Bravo, Frau Minister!

Zwar mit anderem Kontext, aber in das gleiche Horn der Wissenschaftsfeindlichkeit wurde auch gerade in Niedersachsen gestoßen. Die verflixten Kinder in den Schulen sind viel zu wissbegierig! Es geht dabei um das Projekt HannoverGEN, bei dem Schülerinnen und Schüler unter professioneller Anleitung selbständig biotechnologische Experimente durchführen können und lernen, wie Molekularbiologie funktioniert.

Dabei machen die Kinder aber etwas schrecklich Abartiges: Sie arbeiten mit Genen! Das widerspricht der grünen Seele, man hat ja Pflanzen und Leben als Farbe gewählt, da haben Gene nichts zu suchen! Statt die Evolution als Lüge aus der Hölle zu betrachten, hat man sich die Gentechnik als rotes Tuch ausgesucht.

Nebenbei bemerkt: Wenn die Wissenschaft nicht herausfindet, dass Gentechnik böse ist, dann ist irgendwas mit der Wissenschaft faul. Per definitionem! Und wenn man den Kampf bei den Wissenschaftlern schon nicht gewinnen kann, wird der Kampf eben auf dem Gebiet der bewussten Sprachirreführung geführt und bisher auch gewonnen. (Lesen!)

Es ist natürlich ganz schlimm, wenn Kinder in Schulen etwas über Mikrobiologie und Gentechnik (oder Evolution) lernen und sich vielleicht sogar selbst ein Bild machen können. Wie funktioniert es, was sind die Risiken, was sind die Möglichkeiten?

Gottseidank Glücklicherweise gelang es Rot-Grün, dieses verhängnisvolle Projekt, das seit 2008 schon 6.000 Kinder mit teuflischem Wissen in Berührung gebracht hat, jetzt endlich zu stoppen. Wo kommen wir denn dahin, wenn Kinder in Schulen etwas lernen?

Es ist fein, über die dummen Kreationisten in den USA zu lachen und sich zu beglückwünschen, dass bei uns solche Dummheiten nicht vorkommen. Bei uns ist alles besser und Wissenschaft hat Vorrang. Bei uns ist alles besser. Per definitionem!


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