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Nur (Erfahrungs-)Fliegen ist schöner – mit dem Flugpraktiker

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Die Debatte um eine möglicherweise bevorstehende Reform des Berufsrechts der Heilpraktiker schlägt Wellen. Berufsverbände des Heilpraktikerwesens sehen die Volksgesundheit in Gefahr, sollten verschärfte Kompetenz- und Prüfungsanforderungen in verbindliches Recht erwachsen; denn, so folgert der Vorsitzende der Freien Heilpraktiker, Dieter Siewertsen, so messerscharf wie decouvrierend: die in der Diskussion befindliche Kompetenzlösung käme „einer Abschaffung im Ergebnis gleich“.

Kompetenz, das wäre ja auch noch schöner – wo käme der Heilpraktiker da hin!

Oder, wie es der Vorsitzende des Bremer Heilpraktikerverbandes, Klaus Wischmann kürzlich so griffig formulierte:

 

 

„Wir wollen ja nicht wissenschaftlich arbeiten, das ist Empirie, also Erfahrungsheilkunde. Das haben wir von unseren Vätern, Urvätern, und wenn Sie wollen von den Indianern. Also das sind uralte Heilmethoden, die wir anwenden, und wir nehmen nicht für uns in Anspruch, dass wir sagen: wir arbeiten wissenschaftlich. Das wollen wir gar nicht.“

Das wollen Sie nicht? Na wenn das so ist, dann hätten wir für Ihre nächsten Urlaubsreisen, Herr Siewertsen und Herr Wischmann, einen Vorschlag, der Ihnen entgegenkommen dürfte:

Fliegen Sie doch mal mit einem Flugpraktiker am Steuerknüppel! Gerade 25 Jahre alt, Hauptschulabschluss, hat auf dem Weg zur Berufszulassung keinen verpflichtenden Ausbildungsgang durchlaufen, geschweige denn ein Flugzeug von innen gesehen oder gar eine Flugstunde absolviert. Mit so wissenschaftlichem Kram wie Aerodynamik, Navigation, Meteorologie und der Technik eines Fluggerätes hat er sich nie auseinandergesetzt – Gott bewahre den Empiriker vor der Versuchung! – da verlässt er sich lieber auf Erzählungen anderer Flugpraktiker, was so die Erfahrungsfliegerei angeht. Alles andere verdirbt den Charakter!

Granderwasserung

Die Flugpraktikerprüfung hat der Kandidat der Erfahrungsaeronautik mit der richtigen Beantwortung von drei Vierteln der Fragen einer schriftlichen Arbeit erlangt; nicht im ersten, aber immerhin im dritten Anlauf – oder war es der vierte? Jedenfalls aber hat er auf dem Weg zur Berufszulassung eine Menge Kurse in „Akademien“ absolviert, in denen die Tricks und Kniffe des Teppichfliegens auf dem Lehrplan stehen, die uralten Fertigkeiten von Ikarus und Daedalus beim Zusammenbasteln und Betreiben von Fluggeräten aus Wachs und Vogelfedern sowie die noch urälteren Levitationskünste östlicher Derwische.

Erfahrene Erfahrungsflieger haben ihn in die Finessen der Scheinwerferdiagnostik eingewiesen – so hat der angehende Flugpraktiker seinem Flugzeug in die Landescheinwerfer zu blicken, um zu erkunden, ob mit der Landeklappenhydraulik noch alles im grünen Bereich ist. Andere haben ihm beigebracht, wie man unbotmäßige Fluggäste mittels einer Passagieraufstellung zur Raison bringt. Wieder andere unterwiesen ihn in der Kunst, wie man bedrohlichem Seitenwind bei der Landung begegnet: indem man auf der Leeseite ein Cockpitfenster öffnet und noch ein bisschen in dieselbe Richtung pustet, wie es die Homöoaerodynamik lehrt; Gleiches hilft gegen Gleiches, gell? In einem muffigen Hinterzimmer hat er gar Bekanntschaft mit Kundigen der Neuen Germanischen Fliegerei machen können – alle Abstürze beruhen ihr zufolge auf unverarbeiteten Schockerlebnissen des Fluggeräts.

Nur eine Erstverschlimmerung

Genau das richtige für einen abwechslungsreichen Flug in die Ferien: im Langstreckenjet mit einem Piloten, der mit Müh und Ach einen Hängegleiter bewegen kann, nicht? Wer mit vergleichbarer Attitüde an der Gesundheit anderer Menschen herumwurstelt, sollte sich für so ein Abenteuer doch selbst nicht zu schade sein. Finden wir.

 

 

Und Sie finden, der Vergleich hinke? Zugegeben, da haben Sie Recht. Der gedachte Flugpraktiker müsste sein Schicksal mit den ihm anvertrauten Menschenleben teilen.


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