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Leon: Misshandelt und als Impfschaden ausgegeben

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Es ist wieder so eine Geschichte, die einfach in hilflose Wut versetzt und man gar nicht weiß, welchen der Beteiligten man am meisten verachten soll.

Letzte Woche wurde in München der Vater des kleinen Leon verurteilt, weil er seinen Sohn fast tot geschüttelt hatte. Nachdem ihm erklärt wurde, dass er bei einem Geständnis mit nur 2 Jahren auf Bewährung rechnen dürfe, nahm er dieses Angebot dankend an. Es sprudelte nur so aus ihm heraus, was an jenem Tag geschehen war.

Sein 19 Monate alter Sohn hatte geschrien und ließ sich nicht beruhigen. Darauf hatte Andreas S. das Kind geschlagen und schließlich geschüttelt, bis es leblos zusammensackte. Erst dann wurde ihm bewusst, was er getan hatte.

Er führte Mund-zu-Mund Beatmung durch und rief den Arzt; das Kind konnte gerettet werden und offenbar geht es ihm inzwischen wieder gut (mit ein Grund für das milde Urteil). Im Krankenhaus verschwieg der junge Mann, dass er das Kind misshandelt hatte (er schämte sich seiner Tat) und behauptete: Es ist ein Impfschaden.

Für die üblichen Verdächtigen der Impfgegnerwelt ein gefundenes Fressen. Die Impfgegner Michael Leitner und Daniel Trappitsch stürzten sich sofort auf die Geschichte.

In einem 15 Minuten dauernden Video, das offenbar zum “Dokumentarfilm” “Krankgeimpft und Totgeschwiegen” ausgebaut werden soll, wird Andreas S. als das Opfer dargestellt. In Wirklichkeit hätte das Kind einen Impfschaden erlitten und der Kindsvater werde nun von den Behörden terrorisiert, die Mutter des Kindes hätte sich von ihm auf richterliche Anordnung trennen müssen.

Nach einer achtfachen Impfung seien die Symptome des Kindes “als schwere Misshandlung des Vaters interpretiert worden”. Aber in Wirklichkeit könnten alle diese Symptome natürlich durch Impfungen verursacht worden sein.

Als Expertin tritt im Film Angelika Müller (vormals Kögel-Schauz) auf, die als Softwareentwicklerin natürlich prädestiniert ist, eine medizinische Beurteilung durchzuführen.

In dem 15 Minuten dauernden Filmchen wird allerlei Nonsens erzählt, vor allem wird der immer wieder gern behauptete Unsinn mit der Blut-Hirn-Schranke wieder mal herangezogen:

Da Babies noch keine Blut-Hirn-Schranke haben, könnten die Chemikalien aus den Impfstoffen ungehindert ins Gehirn eindringen und verursachten dort Schwellungen und Entzündungen die extrem schmerzhaft sind.

Impfungen und die Blut-Hirn-Schranke haben nichts miteinander zu tun und die Behauptung kann ins Reich der Märchen verbannt werden.

Frau Müller erklärt lang und breit ihre abstrusen Thesen und behauptet, dass diese durch Fachliteratur gedeckt seien. Um einen kurzen Einblick für den Umgang mit “Literatur” zu geben, hier ein Beispiel:

Das schrille Schreien wird in der Literatur auch als Hirnschrei bezeichnet.

In der Literatur? So, so. Eine Suche bei Google Books fördert abgesehen von einigen Büchern, die sich mit Homöopathie, einem Buch über das Singen und einem über Poesie (also im Wesentlichen alle aus dem Genre der erfindungsreichen Künste) nur zwei medizinische Bücher zutage. Beide etwa 150 Jahre alt. Quasi ganz aktuelle Fachliteratur.

Frau Müller versteht unter “Literatur” offenbar das Internet, und  jeder beliebige Forums- oder Blogeintrag, der in ihrem Sinne ist, wird als Fachliteratur verstanden.

So wird allerlei Wirrnis aneinandergereiht, um irgendwie einen Zusammenhang zwischen den Verletzungen des kleinen Leon und Impfungen zu konstruieren. Dass nun der Vater ein Geständnis abgelegt hat, ist natürlich eine Katastrophe, denn plötzlich bricht die ganze Geschichte mit dem Impfschaden wie ein Kartenhaus zusammen.

Aber in der Welt eines Hans Tolzin und der bereits oben genannten Impfgegner (Frau Müller steht nach Angaben der Filmemacher für den Film nicht mehr zur Verfügung, Gründe wurden keine genannt) ist nichts unmöglich.

Die Lösung ist ganz einfach: Der Kindsvater wurde unter Druck gesetzt und hat eben ein falsches Geständnis abgelegt, um nicht ins Gefängnis zu gehen. So wird wieder einmal munter eine Verschwörungstheorie konstruiert, um die eigenen haarsträubenden Thesen aufrechterhalten zu können.


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