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Kollateralschäden – Ein Gastbeitrag von Nessiehoaxer

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“Nessiehoaxer” Philipp Nolden hat in seinem Blog einen Artikel über die öffentliche Wahrnehmung von Skeptikern geschrieben, den wir lesenswert finden und deshalb hier mit freundlicher Genehmigung ungekürzt wiedergeben möchten.

 

„Falls Skeptiker anwesend sind … fühlt Euch beleidigt.“

Okay, mache ich.

Denn die Sache ist die: Auch wenn ich mir den Sermon praktisch jeden Tag anhören muss, ist er trotzdem immer noch eine Beleidigung. Und ja, wirklich jeden Tag. Zumindest jeden Tag, an dem ich skeptisch aktiv bin, begegnet mir irgend ein Schlaumeier, der meint, seine Mitmenschen darauf aufmerksam machen zu müssen, dass Skeptiker arrogant und besserwisserisch sind. Dass alle Italiener ungehobelte Machos sind und dass Frauen nicht einparken können, hat sich anscheinend inzwischen herumgesprochen. Aber die geradezu sprichwörtliche Borniertheit, Engstirnigkeit und – nennen wir das Kind doch einfach beim Namen – die Dummheit aller Skeptiker muss man offensichtlich immer noch explizit erwähnen.

Von Esoterikern, Verschwörungstheoretikern und religiösen Fanatikern bin ich das gewohnt. Dort kann ich es sogar ein Stück weit verstehen. Das sind die Gegner, die den unmittelbaren Schaden von unserem Erfolg haben. Von dort gehört es dazu; es ist der Preis des Hobbys, und man nimmt es sportlich. Aber trotzdem ist es ein Vorurteil, und zwar ein beleidigendes. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn es mit einem Augenzwinkern serviert wird. Und deshalb schmerzt es, wenn es von jemandem kommt, den ich eigentlich als Freund sehe und den ich wegen seines Könnens schätze.

Skeptiker-Bashing auf der Cthulhu-Con

Letztes Wochenende war Cthulhu-Con. Auch wenn ich vergleichsweise wenig darüber twittere und blogge, ist das ein Garant für gelungene Spielrunden und ergiebige Workshops. Und nebenbei ist es eine Veranstaltung, bei der Esoterik und Verschwörungstheorien mal eine nette Spielerei und eine angenehme Nebensache sind, kein Gegenstand ernsthafter Beschäftigung. Ab und zu ist das ganz erholsam.

Auch der Autoren-Workshop dort war gut. Und der Tip, den Hoaxilla-Podcast als Inspirationsquelle zu nutzen, ist für Horror-Autoren, die mit skeptischen Themen sonst nichts am Hut haben, sicher wertvoll. Eher befremdlich dagegen wirkte (nicht nur auf mich) der lange, sehr emotionale und mit großem Eifer vorgetragene Disclaimer, in dem der Referent sich ausdrücklich von der Skeptiker-Szene distanzierte und darauf hinwies, dass man die typisch überhebliche Art der Skeptiker eben hinnehmen müsse.

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht zu den regelmäßigen Hoaxilla- Hörern gehöre. Aber dass Alexa und Alex überheblich rüberkommen, wäre mir ehrlich gesagt neu. Da hatte wohl eher jemand das Gefühl, sich allgemein dafür entschuldigen zu müssen, dass er etwas aus der Skeptiker-Ecke empfahl. Bei einem bekannten Rollenspiel-Autor, der sonst eigentlich für intelligente Texte und reflektierte Ansichten bekannt ist, ist das überraschend. Über die Gründe kann ich nur spekulieren.

Aber dass das Bild von der Skeptiker-Community bei Rollenspielern so stark von diesem dummen und hässlichen Klischee geprägt zu sein scheint, ist irritierend. Anscheinend ist unser Ruf so schlecht, dass auch ein bekannter Autor es sich leisten kann, vor versammelter Mannschaft tumbe Vorurteile vortragen zu können, ohne dabei seinerseits um seinen Ruf fürchten zu müssen. Mehr noch, anscheinend muss er es sogar, wenn ihm am eigenen Ruf gelegen ist.

Dass das unangenehm ist, im eigenen Freundeskreis derart von Vorurteilen getroffen zu werden, ist eine Sache. Aber es ist auch ein Anlass, einmal über unser Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit nachzudenken.

Die Beliebtheit der Skeptiker

Die Diskussion um die Beliebtheit der Skeptiker ist nicht neu. Kaum ein GWUP- Stammtisch vergeht, ohne dass diskutiert wird, wie wir sympathischer rüberkommen können. Das hat auch seine Berechtigung. Wir werben für kritisches Denken und sind deshalb darauf angewiesen, dass eine möglichst breite Öffentlichkeit unsere Beiträge wohlwollend aufnimmt. Wenn alles, was wir äußern, nur mit dem Vorbehalt, dass wir ja sowieso verbohrt und unaufgeschlossen sind, aufgenommen wird, ist das ein Problem.

Nur sollte man ein paar Dinge dabei nicht übersehen:

  1. Unser letztendliches Ziel besteht nicht darin, Beliebtheits-Wettbewerbe zu gewinnen. Wenn man andere kritisiert, dann muss man auch damit leben, dass man sich hier und da unbeliebt macht. Das gilt insbesondere, wenn man Leute kritisiert, die außer der Leichtgläubigkeit ihrer Zeitgenossen wenig Faktisches in der Hand haben.
  2. So unbeliebt, wie man manchmal glauben mag, sind wir eigentlich gar nicht. Äußerungen wie die meines Rollenspiel-Kumpels sind eher typisch für Personen, die sich selbst von unserer Esoterik-Kritik getroffen fühlen oder deren persönliches Umfeld stark von solchen Leuten geprägt ist oder die sich durch unsere Kritik in ihrer persönlichen Gralssuche in der Homöopathie, in der Astrologie oder wo auch immer gestört fühlen. Es kommt natürlich auch vor, dass jemand ohne einen solchen Hintergrund zu einem solchen Urteil kommt. Aber typisch ist es eigentlich eher nicht.
  3. Dass dieses Bild dann doch tatsächlich ein Stück weit vom Mainstream aufgegriffen wird, liegt vor allem an dessen Esoterik-Affinität. Homöopathische Politiker und Pseudowissenschaft an der Hochschule gelten schon fast als Normalfall. Esoterik ist Teil eines modernen, „für alles offenen“ Lifestyles. Und da sind wir fast zwangsläufig die Spielverderber. Ganz egal, wie wir den Widerspruch nun genau formulieren.

Es wäre grob einseitig, mein Erlebnis am Wochenende allein als Zeichen unseres schlechten Auftretens zu interpretieren. Genausogut kann es auch einfach ein Zeichen dafür sein, dass es noch viel für uns zu tun gibt. Oder um mal ein bisschen Gallileo-Gambit zu betreiben: Dass man auf Kritik stößt, heißt noch lange nicht, dass man unrecht hat.

Eine Frage der Zielsetzung

Dazu kommt, dass man leicht versucht ist, Schmähkritik überproportional zu werten. Sie ist laut, sie ist verletzend und sie ist oft genug genau so besserwisserisch, wie es nach ihrer Lesart eigentlich die Skeptiker sein sollten. Wertschätzung ist dagegen meist eher höflich zurückhaltend. Auch diesen Effekt sollte man bei dieser Diskussion nicht vergessen.

Einzelnen Erfahrungen wie dieser stehen zahllose andere gegenüber. Zumindest nach meiner Erfahrung wird offene Kritik auf der Basis von fundiertem Wissen von den meisten positiv aufgenommen. Unser traditioneller Anspruch, Blödsinn auch unverblümt als Blödsinn zu bezeichnen, wirkt auf die meisten Leute authentisch und macht uns glaubwürdig. Gerade auch weil wir uns nicht scheuen, uns der Kritik der Esoteriker auszusetzen. Und weil wir uns nicht krummbiegen, um den Vorurteilen, die sie über uns verbreiten, auszuweichen.

Wenn man darüber nachdenkt, wie man unsere skeptische Plattfüßlerarbeit erfolgreicher machen kann, dann sollte man auch darüber nachdenken, was eigentlich ihr Ziel ist. Uns beliebt zu machen, ist ganz sicher nicht unser Ziel sondern – im Kontext der Skeptiker-Arbeit – allenfalls Mittel zum Zweck. Unser Ziel ist vielmehr, kritisches Denken populär zu machen. Und zwei der banalsten Marketing-Grundkenntnisse bestehen darin, dass

  1. Glaubwürdigkeit wichtiger ist als wohlfällige Versprechungen und
  2. die Reaktion des Zielpublikums entscheidend ist und nicht die irgendeiner undefinierten breiten Masse.

Bei unserem Zielpublikum, also bei denjenigen, die ernsthaft an kritischem Denken interessiert sind, wirken wir gar nicht überheblich oder besserwisserisch, sondern eher differenziert, gut informiert und – im Grunde ist das unser heiliger Gral – kritisch. Das negative Bild der Skeptiker ist eher verdrahtet bei esoterischen Gralssuchern und bei einer unkritischen breiten Masse.

Übrigens verläuft dieser Bruch nicht wie man erwarten würde zwischen Esoterikern und dem, was auch immer das Gegenteil davon ist. Er verläuft quer durch beide Fraktionen. Auch von glaubensgetriebenen Menschen erlebe ich es relativ regelmäßig, dass sie vernunftbasierte Kritik aufnehmen, reflektieren und wertschätzen, ohne ihren Glauben gleich darüber zu verlieren. Und auch die empfinden diese Kritik in der Regel nicht als arrogant. Zuweilen als unbequem. Aber nicht als arrogant. Und spätestens das ist ein Zeichen dafür, dass unser Auftreten eigentlich recht erfolgreich ist.

Das Problem ist nicht, dass wir falsch rüberkommen. Das Problem ist, dass die esoterischen Gralssucher und die unkritische breite Masse einen erschreckend großen Teil der Gesellschaft ausmachen. Deshalb machen wir uns unbeliebt. Aber ändern ließe sich das nur, wenn wir dieses Problem nicht mehr kritisieren. Und ein Problem nicht mehr anzusprechen, weil es zu weit verbreitet ist, wäre schlicht absurd.

Kurz gesagt: Unsere Unbeliebtheit ist weniger ein Zeichen dafür, dass wir etwas falsch machen. Sie ist vor allem ein Zeichen dafür, dass wir sehr vieles richtig machen.

Sicher könnten wir vieles besser machen. Deshalb ist diese Diskussion gut und richtig. Und sie ist wichtig. Aber alles, was daraus folgt, sollte sich daran messen, welche Popularität für wissenschaftliche Methodik und kritisches Denken wir damit schaffen. Nicht daran, welchen Beliebtheitsgrad wir damit erreichen. Es geht ja gerade darum, Dinge zu kritisieren, die sich auf breiter Front einer gewissen Beliebtheit erfreuen.

Kollateralschäden im Freundeskreis

Es wäre schlicht und einfach naiv zu glauben, das hätte keinerlei Auswirkungen auf das eigene Umfeld. Wer sich davor scheut, Freundschaften plötzlich in einem anderen Licht zu sehen oder auch mal einen Freund zu verlieren, wird als Skeptiker nicht glücklich werden. Aber wenn ich ehrlich bin, sind mir die evangelikalen Christen, mit denen ich mich leidenschaftlich über die Evolutionstheorie fetzen kann, gerade weil sie einen fundierten und explizit vorgetragenen Standpunkt schätzen, ein wertvollerer Freundeskreis als die breite Masse, mit der ich mich harmonisch arrangiere, indem ich ihnen nie einen Anlass gebe, ihre Vorurteile auszusprechen. Denn auch unausgesprochen ist das Vorurteil immer noch eine Beleidigung. Und das Gute am Skeptikersein ist, dass man relativ klar herausfindet, wie die eigenen Mitmenschen über einen denken.

Deshalb komme ich der Aufforderung gerne nach.


Anhang: Rollenspielen nach den Motiven von Howard Phillips Lovecraft

Auf der Deutschen Cthulhu-Convention (DCC) treffen sich einmal im Jahr gut einhundert Freunde des deutschsprachigen Cthulhu-Rollenspielsystems. Drei Tage lang haben sie Spaß mit den Ideen und der typischen Atmosphäre aus H. P. Lovecrafts Geschichtenwelt. Eine wunderbare und absolut lohnende Veranstaltung. Und der Artikel soll auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass Skeptiker-Bashing oder allgemein ein leichtfertiger Umgang mit Vorurteilen dort an der Tagesordnung ist. Eigentlich war es nur eine kleine Randbemerkung, die aber ein wichtiges Thema adressierte und so zu diesem Artikel führte. Die Cthulhu-Con hat es eher zufällig getroffen. Es ist halt ein Tagebucheintrag.


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