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Tolzins Stuttgarter Impfsymposium mit etwas GNM

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Hans Tolzin bei der Anti Zensur Konferenz des Sektenführers Ivo Sasek

Ende September 2013 findet ja mal wieder ein Impfgegnertreffen statt, organisiert vom in der Szene bekannten Hans Tolzin.

Eine ganz wunderbare (beziehungsweise eher wunderliche) Veranstaltung, die sich von der heute üblichen Erwartungshaltung, von Experten auf Basis von Fakten informiert zu werden, in außerordentlicher Weise abhebt.

Es ist doch mal etwas anderes, wenn Leute, die nicht viel Ahnung vom Thema haben, frei von der Leber weg ihre subjektive Meinung zum Besten geben können.

Und wenn die Fakten nicht so passen: Schwamm drüber. Geht ja nur um das Leben anderer Leute.

Falls sich also jemand im Bereich Impfungen zu gut informiert fühlt, dem kann auf dieser Veranstaltung geholfen werden.

Sieht man sich die Vortragsliste an, so ist klar, was da kommen wird:
Gerüchte, phantastische Krankheiten und wilde Theorien – all das zum günstigen Preis von 110 Euro bei Voranmeldung. Damit gehen Sie nicht nur selbst desinformiert von dannen und haben die Chance, weiteres Geld für nutzlose Behandlungen auszugeben, Sie haben auch gelernt, wie Sie Krankheiten ignorieren, verschleppen und vielleicht sogar noch Ihre Kinder unnötigen Risiken aussetzen. Das muss einem doch ein paar Euro Wert sein.

Im ersten Vortrag spricht Hans Tolzin selbst zum Thema persönliche Impfentscheidung und wird sicher wie gewohnt für maximale Verwirrung und Verunsicherung sorgen, unbegründete Ängste wecken und Ihnen gerne seinen kostenpflichtigen Newsletter empfehlen (Wir hoffen, Herr Tolzin muss jetzt nicht seine Rede umschreiben, um uns Lügen zu strafen).

Das grundsätzliche Thema der zwei Tage ist klar: Impfungen sind schlecht und zu verteufeln. Eingeladen sind daher auch nur die üblichen Gesichter der Pseudo-Szene, die es verstehen, den wissenschaftlichen Konsens komplett zu ignorieren.

Zwischendurch werden natürlich auch pseudomedzinische Praktiken wie z.B. Ausleitungen präsentiert; die Kunden sollen ja schließlich auch die Chance haben, sich gegen gutes Geld von Leiden, die sie nie hatten, kurieren zu lassen.

Die Vorträge scheinen wie immer eine Doppelstrategie zu fahren. Einerseits werden Impfungen mit unbelegten und zum Teil längst widerlegten Behauptungen als gefährlich und wirkungslos dargestellt, auf der anderen Seite werden die Krankheiten, vor denen sie schützen, als “relativ harmlos” deklariert. Obwohl man natürlich sein Bestes tut um anzuzweifeln, dass Impfungen wirkungsvoll vor Krankheiten schützen, gibt es aus insgesamt 200 Jahren Impfgeschichte so viele Beweise dafür, dass man mit dieser Strategie nur schwer durchkommt.

Daher wird dann auch in zwei Vorträgen der “biologische Sinn von Kinderkrankheiten aus Sicht der Homöopathie” und der “biologische Sinn von Kinderkrankheiten aus Sicht der „Neuen Medizin“ nach Dr. Hamer” in die Schlacht geworfen. Die Idee ist klar:

Impfungen sind böse, denn Kinderkrankheiten sind etwas ganz, ganz Tolles. Wenn man impft, nimmt man den Kindern und Erwachsenen die Chance, ernsthaft krank zu werden. Und das ist ja so wichtig.

Dabei wird einerseits geleugnet, andererseits auch stillschweigend in Kauf genommen, dass diese Krankheiten viele Opfer fordern (würden, gäbe es keine Impfungen). Krankheiten, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, werden als edel und gut deklariert.

Ein ziemlich ekelhafter Standpunkt, wie wir auch schon in unserer Rezension zum Buch von Martin Hirte angewidert angemerkt haben.

Im ersten Vortrag wird das Thema wohl irgendwie “homöopathisch” erörtert und da die Homöopathie ein Glaubenssystem und keine Wissenschaft ist, könnte man den Sinn von Krankheiten genauso anhand der Bibel oder irgendwelcher vedischer Schriften diskutieren. Sinn macht es allerdings keinen.

Viel übler ist, dass noch immer der Wahnsinn der Germanischen Neuen Medizin nach Ryke Geerd Hamer propagiert wird. Oh, das “Germanische” im Titel hat man wohlweislich weggelassen, so braun-antisemitische Hintergründe könnten ja Leute abschrecken. Heutige Anhänger der “Neuen Medizin” scheinen sich ja von den Ansichten Hamers zu Juden und der zionistischen Weltverschwörung, um alle Nichtjuden umzubringen, distanzieren zu wollen. Im rechten Eck steht man nicht gerne, gibt aber trotzdem Hamer “in der Sache” recht. Man hat ja nichts gegen Juden, nur die jüdische Schulmedizin, die lehnt man ab.

Hamer war ja mehr im Bereich Krebs zu Hause, der aus seiner Sicht nur ein Konflikt ist; er hängt dabei dem Mythos Krebspersönlichkeit an. Mit anderen Worten: Wenn man Krebs bekommt, ist man selbst schuld, weil man nicht die richtige Einstellung hatte.

Wenn man seinen seelischen Konflikt löst, verschwindet auch der Krebs. Sehr praktisch dabei: Wenn der Krebs nicht verschwindet und man stirbt, hat man einfach nicht die richtige Einstellung gehabt. Die Schuld liegt also immer beim Opfer, die schwachsinnige Methode ist nie schuld.

Hamer könnte mit seinen Opfern selbst einen Friedhof füllen und da er “kleine Probleme” mit der Justiz hat (es sind natürlich die Juden, die ihn verfolgen), befindet er sich zur Zeit quasi im Exil, wo er seinem Wahnsinn immer noch frönt.

Hier fällt wieder auf, wie verzahnt doch die pseudomedizinische Welt ist. Impfgegner, Homöopathen, Antroposophen, Osteopathen und Ableger der Germanischen Neuen Medizin traut vereint.

Die große Gemeinsamkeit ist die Ablehnung der wissenschaftlichen Methodik und Medizin, dass ihre Thesen aus wissenschaftlicher Sicht Unsinn sind. Faszinierend dabei ist: die kruden Theorien widersprechen sich oft in hohen Maße, aber das stört dort irgendwie keinen. Munter wird in der Pseudomedizin vom nächsten das genaue Gegenteil behauptet und trotzdem lachen alle fröhlich.


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