In der Kronenzeitung durfte Frau Raab sich als “Schamanin” darstellen – was sie bestimmt erfreut hat, denn ihre diesbezüglichen Meriten scheinen doch ebenso wie ihr Angebot eher spärlich. Selbstverständlich unterhält sie eine eigene Webseite, um ihrem Geschäft auf die Beine zu helfen. Darüber hinaus hat sie die ergreifende Geschichte ihrer „Initiation“ auch selbst ab ca. 2004 allenthalben im Internet gestreut und zwar unter mehreren Namen (Kellermair, Benatzky, Raab) sowie mehreren Nicks (Sonja, majun, bergfrau, Sedna, Raabenweib, Rabenweib).
Angefangen hat es offenbar mit einem Seminar beim Plastikschamanen Georg Gschwandler, zu dem sie in Vertretung einer erkrankten Freundin fuhr. Zumindest ist dieser Teil in allen Varianten der Geschichte gleich. Die Kanada-Connection dagegen variiert: mal hatte sie bereits seit 10 Jahren Kontakt zu einer Kanadierin, die Cree-Ojibway und mit einem Inuit verheiratet ist, mal bekam sie den Kontakt offenbar später bzw. bestand der Kontakt zu dem besagten Inuit. In einigen Versionen erhielt sie die „Initiation“ zur “Schamanin” bei einem 14tägigen Ferienaufenthalt in Kanada, in anderen bemühten sich ihre kanadischen Freunde dafür nach Österreich.
Was den verschiedenen Erzählungen zu entnehmen ist: offenbar hatte Raab Kontakte nach Kanada und hat dort auch einen Besuch absolviert, bei dem die Familie sich jede Mühe gab, ihr viel von ihrem Leben und auch der Geschichte der First Nations in Kanada zu vermitteln sowie von Kanada zu zeigen. Leider war die Familie mit der Bekanntschaft nicht gut beraten, da Raab nicht nur ihre Namen (sogar vollständig) im Internet verbreitet und sie als Plastikschamanen bzw. sellouts hinstellt, sondern sich über diese Bekanntschaft den Stallgeruch der authentischen “Schamanin” verpassen möchte. Was macht es da schon, dass sie die Hudson-Bay von Kanada nach Alaska verlegt? Und meint, dass ihr Bekannter nicht an, sondern „in“ der Hudson-Bay geboren wurde.
Tatsachen sind überhaupt furchtbar lästig, wenn sie der guten Geschichte mit ein paar Pfund Lokalkolorit entgegenstehen. So hat Raab an mehreren Stellen im Internet eine Inuit-Geschichte eingestellt, die ihr von ihrer kanadischen Freundin erzählt worden sei, da deren Mann nur die Inuit-Sprache, aber kein Englisch spreche. Dass dies mit den verschiedenen Darstellungen ihres Kanada-Aufenthalts kollidiert – egal, Schwamm drüber, merkt keiner. Dass sie denselben Herrn zum Absolventen einer Residential School macht, an der er garantiert Englisch gelernt hat und an der die Inuit-Sprache verboten war: das wissen die Europäer ja glücklicherweise nicht so genau. Also ein weiterer Fall von: merkt keiner!
Ebenso variabel ist die Darstellung, mit wem Raab nun befreundet war: in einigen Foren beschreibt sie, dass sie mit N., einer Cree-Ojibway, Kontakte unterhielt. Auf ihrer eigenen Seite stellt Raab die Geschichte übrigens so dar, dass sie den „Inuit-Schamanen“ 1998 kennenlernte und auch mal „befreundete Ojibwe-Cree-Indianer“ in Ontario besuchte. Später will sie „bei einem nordamerikanischen Indianer“ das Weben von Traumfängern erlernt haben.
Ganz sicher ist sich Raab übrigens bereits 2004, dass sie die Kulturen der First Nations nicht etwa ausbeutet: „ich nehme den indianern damit nichts weg. ich stehle ihre spiritualität nicht. ich lerne davon. und das kommt auch den indianern zugute, denn dadurch können wir weißen ein bisschen gut machen, von dem, was unsere vorfahren ihnen angetan haben.“
Ja klar, erst haben wir ihnen das Land abgenommen und zur Wiedergutmachung greifen wir jetzt die Spiritualität ab, kommt alles den Indianern zugute. Was „den Indianern“ zugute kommt, wenn Weiße ihre Spiritualität ausbeuten, verdrehen und als Zerrbild anderen Weißen verkaufen, schreibt Raab dann vorsichtshalber nicht – womöglich denkt sie auch nicht so weit.
Noch im Januar 2012 postete Raab über ihre Initiation durch ihre Freunde in einem Forum, musste dann aber auf Nachfragen einräumen, dass der Kontakt offenbar von ihren Freunden abgebrochen wurde, die ihre Briefe nicht mehr beantworteten. Raab begründet sich dies damit, dass ihre Freunde aufgrund der Sterilisation keine Kinder haben können und „… was soll aus diesen menschen werden?“
Dass es damit zu tun haben könnte, dass ihre Freunde die diversen Foreneinträge gelesen haben (offenbar spricht ihre Freundin N. sogar Deutsch) und maßlos von ihr enttäuscht sind: eine weitere Weiße, der man zu Unrecht vertraut hat und die einen auch nur ausbeuten wollte und obendrein noch private Umstände im Internet breittritt – kein Gedanke, aber wo!
Apropos Tatsachen: potentielle Kundschaft kann bei Raab ganz sicher sein, dass sie keine „Schamanin“ und ihre „Initiation“ reines Wunschdenken ist. Eine tatsächliche Ausbildung hätte Jahre in Anspruch genommen und wäre nicht das Nebenprodukt eines Ferienaufenthalts von 14 Tagen gewesen. Allerdings basiert dies auf einem in der Esoterikszene nicht unüblichen rassistischen Konzept, nach dem weiße Esos ganz selbstverständlich per Wochenendseminar auf der halben Backe ersitzen, was indigene Personen über Jahre und Jahrzehnte erlernen müssen. Als „Schamanin“ ist Raab kein größeres Kirchenlicht, dafür ein Musterbeispiel für weißes Anspruchsdenken und White Supremacy.