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Ein guter König und die Hühner der Frau Wiener

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imagesCACC078YSi Dieu me prête vie, je ferai qu’il n’y aura point de laboureur en mon royaume qui n’ait les moyens d’avoir le dimanche une poule dans son pot!

(Wenn mir Gott zu leben erlaubt, werde ich dafür sorgen, dass es in meinem Land keinen Bauern gibt, der sonntags nicht sein Huhn im Topf hat!)

 

Kennen Sie das noch? Eine Sentenz, die jeder Franzose auswendig hersagen kann. Sie stammt von Henri IV von Navarra, Überlebender der Bartholomäusnacht, trotzdem (oder eben deswegen – sonst hätte er dazu keine Gelegenheit mehr gehabt) einer der berühmtesten Konvertiten der Weltgeschichte; Paris ist eine Messe wert stammt in diesem Zusammenhang übrigens auch von ihm. Als „guter König Heinrich“ formulierte er das eingangs wiedergegebene Zitat. Henri IV lebte übrigens von 1553 bis 1610.

Geht es nach „Deutschlands bekanntester Fernsehköchin“ in einem am 11.11.2013 in der Frankfurter Rundschau abgedruckten Interview, wird mit dem volkstümlichen Vorsatz des guten König Heinrich aufgeräumt.

Natürlich ging es ums Natürliche, und in Sonderheit um die Natürlichkeit beim Essen. Man kann gerne und lange darüber streiten, was an den Ansichten von Frau Wiener sinnvoll ist und wo es anfängt, fragwürdig zu werden. Mögen sich die Pollmers und Knops dieses Landes damit befassen. Etwas anderes verdient allerdings ebenfalls seine Erwähnung, sonst geht es im Streit der Ernährungslehren unter: die rabiate Nonchalance der Frau Fernsehköchin, wenn’s um die Frage geht, für wen „gesundes“ Essen à la Wiener eigentlich gedacht ist. Es ist der FR durchaus lobend anzurechnen, dass sie bei diesem Punkt nachhakte – aber vermutlich ohne den springenden Punkt zu bemerken. Und so kam es zu der folgenden decouvrierenden Passage:

 

imagesCA9IE5O2(Frage) Tatsächlich haben Sie in einem Interview gesagt, ein korrekt aufgezogenes Huhn müsste rund 15 Euro kosten. Das kann sich der Geringverdiener überhaupt nicht leisten.

(Antwort) Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder müssen die Leute besser bezahlt werden oder wir essen weniger Huhn. Alles andere ist nicht nachhaltig, zerstört Ressourcen, erzeugt Tierleid…“

 

Soll das wirklich die einzige sich bietende Wahl sein? Aus der ersten Variante spricht der blanke volkswirtschaftliche Unverstand.imagesCA4AQ0DA Kann man ernsthaft der Meinung sein, ein Huhn koste auch dann noch 15 Euro, wenn  Geringverdiener und selbst Hartz-IV-Empfänger ein so hohes Einkommen haben, dass sie für sich und ihre Familien 15 Euro pro Huhn bezahlen können? Nein, Frau Fernsehköchin, 15 Euro dürften dann dem Preis für ein Päckchen Tofu oder eine Tüte Fertigmüsli viel eher entsprechen. Preiswerte Hühner gibt’s dann ab etwa 50 Euro. Man nennt das übrigens Inflation. Also ist weniger Huhn essen die Lösung? Möglicherweise, aber dann sollte man so ehrlich sein, den Menschen klarzumachen, dass mit der Formel vom „guten Essen“ die guten Vorsätze eines vor über 400 Jahren gestorbenen guten Königs auf dem Komposthaufen landen. Weniger Huhn – oder gleich gar kein Huhn – bekommen dann  diejenigen, die sich die 15 Euro pro Huhn nicht leisten können . Und denen bleibt anstatt des Huhns im Topf der fromme Wunsch nach einem neuen guten König.

Willkommen im 16. Jahrhundert und in der Welt der Rückschrittsgläubigen!

 


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