Man könnte meinen, die Titelzeile ist ein Scherz. Ein absurder Witz, wie er vielleicht auf xkcd auftauchen könnte. Tatsächlich dürfen 17.000 Schüler, die ihre Biologiebücher aufschlagen, diesen Satz in der Einleitung lesen. Ein Reporter des US-Magazins Slate hat sich die Schulbücher der Charter School Responsive Ed angesehen und seine Funde in einem Artikel “Texas Public Schools Are Teaching Creationism” publiziert.
Charter Schools – was man in etwa als Vertragsschulen übersetzen kann – sind eine spezielle Schulform in den USA, die im Wesentlichen zu den öffentlichen Schulen zählen und auch großteils vom Staat finanziert werden. Responsive Ed erhält laut ihrem Business-Bericht 82 Millionen Dollar an Finanzierung von den Bundesstaaten, in denen die Firma tätig ist.
Obwohl sie damit eigentlich einen Bildungsauftrag hat, in dem die Trennung von Kirche und Staat vorgeschrieben ist, wird dieser jedoch, ohne Wert auf Subtilität zu legen, ignoriert.
Wie man es von typischen Kreationisten kennt, werden die üblichen rhetorischen Phrasen benutzt, um Unsicherheit und Zweifel zu säen.
Some scientists even question the validity of the conclusions concerning the age of the Earth.
Ein Klassiker sozusagen. “Einige Wissenschaftler meinen …”. Das heißt einfach gar nichts. Laut Internet meinen “Wissenschaftler” auch, dass die Erde hohl und die Relativitätstheorie längst widerlegt sei. Irgendwer, der irgendwelche Spinnereien behauptet, findet sich immer.
Um solche wilden Behauptungen zu begründen, werden auch die Erkenntnisse der Geologie in Zweifel gezogen und zwar das angebliche
lack of a single source for all the rock layers as an argument against evolution.
Warum es eine “einzige Quelle” für alle Gesteinsschichten geben soll, erscheint an sich schon seltsam. Die Behauptung zielt jedenfalls darauf ab, die geologische Zeitskala anzugreifen, in der mehr als 2,5 Milliarden Lage Erdgeschichte klassifiziert sind. Diese Tabelle muss natürlich falsch sein, denn die Bibel weiß ja, dass die Erde nur ein paar Jahrtausende alt ist.
Und überhaupt können Wissenschaftler ja Vorgänge, die über Millionen Jahre passiert sind, nicht testen. Gestützt wird diese Behauptung dadurch, dass es angeblich keine Fossilien von Zwischenstufen zwischen den Arten geben soll. Das stimmt natürlich nicht, hier eine “kurze”, unvollständige Liste einiger Beispiele.
Diese Falschbehauptungen sind aber nicht das Schlimmste. Viel bedenklicher ist die Falschdarstellung der Wissenschaft selbst. So wird behauptet, dass Theorien schwächer sind als Gesetze, dass Theorien, die korrekt sind, schließlich zu Gesetzen werden. Hört sich plausibel an, ist aber völlig falsch.
Es ist aber in gewisser Hinsicht auch ein Klassiker: “Es ist ja nur eine Theorie”.
Ob aus Unverständnis oder Böswilligkeit “verwechselt” man Hypothese und Theorie. Im Umgangssprachlichen stimmt das sogar ein wenig, sehr oft werden Theorie und Hypothese synonym benutzt, die Wissenschaft versteht darunter aber etwas anderes. Die Hypothese ist eine ungeprüfte Idee. Kann stimmen oder auch nicht.
Eine Theorie hat jedoch bereits viele Anfeindungen ausgestanden, viele Prüfungen überlebt und stellt etwas weit Mächtigeres dar, ein Modell der Wirklichkeit, das sich immer und immer und immer wieder als korrekt erwiesen hat.
Was die Kreationisten geringschätzig betrachten, ist bereits etwas Großartiges, eine Einsicht, wie die Wirklichkeit funktioniert. Die Evolutionstheorie ist übrigens erstaunlich in ihrer Genialität. Zum Schach gibt es den Spruch: Schach ist ein See, in dem eine Mücke baden und ein Elefant ertrinken kann.
Mit der Evolutionstheorie verhält es sich ähnlich: einfach Regeln, die zu unglaublicher Tiefe führen. Man kann nur bedauern, wenn Kleingeistige, die diese Prinzipien nicht verstanden haben, nicht verstehen wollen, sie den (hoffentlich) wissbegierigen Schülern vorenthalten.
Der Slate-Artikel geht noch viel tiefer; er beleuchtet nicht nur die Falschbehauptungen in Bezug auf Religion, sondern findet weitere Verfälschungen in den Schulbüchern, die ein negatives Bild anderer Kulturen zeichnen. Dazu wird fröhlich Geschichtsfälschung beschrieben, zum Beispiel wird behauptet, dass das spätmittelalterliche Europa den Eingeborenen anderer Kulturen (inklusive der Ming Dynastie Chinas) um “Quantensprünge” voraus gewesen sei.
Um die Überlegenheit der westlichen Kultur zu demonstrieren wird auch kurzerhand der spanischen Monarchie des 16. Jahrhunderts eine republikanische Regierung angedichtet, die allem überlegen war, was die Eingeborenen bis dato geschaffen hatten.
Zu Stammzellen wird behauptet, dass diese aus abgetriebenen Föten gewonnen werden und der Feminismus habe eine neue Klasse von Frauen herausgebracht, die statt durch den Mann versorgt zu werden, auf die Hilfe des Staates angewiesen sind.
Am Ende des lesenswerten Artikels folgert der Autor, das dies der Moment der Wahrheit für Charter Schools und Texanische Politiker sei. Werden sie Schulen, die gegen das Bundesgesetz der Trennung von Staat und Kirche verstoßen, ausschließen?
Man kann es nur hoffen, aber wenn man ins Positionspapier der Republikanischen Partei Texas 2012 zurückblickt, muss man zweifeln. Wir haben es damals zusammengefasst mit Lasst uns dumme Kinder haben …