Wir haben’s ja schon immer gewusst: Mauerwerkentfeuchtung mit „Magnetokinese“ ist Kappes. Und das darf man mit dem Segen der Justiz auch bisher schon offen so sagen. Das hinderte Vermarkter wie den operierenden Thetan Wilhelm Mohorn mit seiner Firma “Aquapol” nicht, für diese seltsamen Gerätschaften mit phantastischen Behauptungen zu werben. Das allerdings könnte jetzt unangenehme Folgen nach sich ziehen.
Ein Wettbewerbsverband hatte den Hersteller einer solchen Gerätschaft auf Unterlassung der Werbung für deren behauptete Wohltaten verklagt und bekam nun Recht. Die Gründe des am 26. September verkündeten Urteils des OLG Frankfurt offenbaren dabei noch Weiteres: zum einen das typische Hase-und-Igel-Spiel, mit dem die Branche die Öffentlichkeit zu narren versucht – und zum anderen die fehlende Bereitschaft der Justiz, sich damit an der Nase herumführen zu lassen.
Wer von einem Anbieter die Unterlassung irreführender Werbung verlangt, muss im Regelfall beweisen, dass eine Irreführung durch eine sachlich falsche Behauptung vorliegt. Und so nahm der Prozess erst einmal seinen vorhersehbaren Verlauf. Der Kläger stellte seine Behauptung unter Beweis und das Gericht ordnete eine Beweisaufnahme an – indem es einen Sachverständigen hinzuzog. Der Sachverständige schlug ein plausibles und reproduzierbares Prüfungsverfahren vor: er wollte im Labor Mauerwerksproben durchfeuchten, diese Proben dann dem Gerät aussetzen und anschließend eine Wiegekontrolle durchführen. Im Grunde alles ganz einfach – aber nicht in der Welt der Wundermaschinen! Ja, hieß es, so gehe das doch nicht! Denn:
Für die Wirkung des X-Gerätes sei nämlich der Erdkontakt des zu entfeuchtenden Mauerwerkes unabdingbar. Die aufsteigende Mauerfeuchte nehme aus dem Boden ständig Salze mit und baue auch durch die Reibung zwischen Baufeuchte und Baustoff und anderen physikalischen und chemischen Umständen ein elektrisches Potenzial auf. Die feuchtere und leitfähige Erde bilde dabei den Pluspol und das obere, noch feuchte Mauerwerk werde zum Minuspol. Je nach Entfernung zum Erdkontakt bilde sich eine unterschiedliche elektrische Spannung (in der von ihr verwendeten Terminologie auch „Mauerpotenzial“ genannt). Laut einer Arbeitshypothese aus dem Jahr 1992 wirke das Gerät gegen das vertikale Potenzial zur Erde hin, denn es beeinflusse unmittelbar nach der Installation das elektrische Potenzial der Mauer und bewirke eine Umkehr der Bewegung der Wasserteilchen in Richtung Erdboden.
Außerdem müsse man bedenken, dass
erdberührende Mauern, wie Kelleraußenmauern und Hangmauern bei der Untersuchung nicht zu verwenden seien, da von der Beklagten wegen zusätzlich eindringender seitlicher Feuchte dafür keine Trockenlegung versprochen bzw. garantiert werde. Es sei darüber hinaus notwendig, bei der Auswahl der realen Versuchsobjekte vorher eine Untersuchung auf etwaige Risikofaktoren und Störfaktoren durchzuführen, um Einflussfaktoren auf die Wirkung des streitgegenständlichen Gerätes so weit wie möglich auszuschließen. So dürfe eine zu untersuchende Mauer beispielsweise nicht mit einem Sperrputz oder Zementputz versehen sein, da dann die Wirkung des Gerätes weitgehend aufgehoben sei.
…und noch ein paar Einwände ähnlicher Güte mehr – der Tollste lautete:
Da das Gerät einen Wirkbereich zwischen 20 und 40 m habe, sei die Beklagte damit einverstanden, bei einem realen Versuchsaufbau eine Distanz zu einem Vergleichsraum von etwa 40 m ausreichen zu lassen…. es seien unter Beteiligung der Parteien mindestens 10 – 20 reale Objekte auszuwählen, um etwa 1.000 Messdaten zu erhalten, weil nur dann repräsentative und verallgemeinerungsfähige Ergebnisse zu erzielen seien.
Der Sachverständige versuchte übrigens noch, der Beklagten eine Begründung dafür abzuringen, weshalb es denn gerade 40 Meter sein müssten. Die Antwort – sinngemäß – ging wohl dahin, man wisse das nicht so genau, aber 30 sollten es schon sein.
Der Beklagten ging es hier offenkundig darum, eine Beweiserhebung durch absurde Zusatzbedingungen zu sabotieren. Die Verärgerung des Gerichts über diesen Winkelzug muss man nicht erst zwischen den Zeilen lesen.
Wenn das X-Gerät geeignet ist, eine Wirkung auf Mauerfeuchte zu entfalten, dann kann sich das nur mit einer technischen Untersuchung klären lassen, die auf nachvollziehbaren und wiederholbaren Rahmenbedingungen basiert und die nicht von zufälligen Außenbedingungen abhängig ist.
Dass hierfür prinzipiell nur ein Laborversuch geeignet ist, steht außer Frage, weil er nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters die notwendigen reproduzierbaren Rahmenbedingungen schafft.
Genau. Das Gericht führte die Beweiserhebung daraufhin nicht mehr durch. Also Sieg für die Magnetokinese? Nein, denn dann geschah etwas, was im Urteil als „veränderte prozessuale Situation“ bezeichnet wird. Anscheinend hatte das Gericht die Frage gestellt, ob es denn wenigstens ein nachvollziehbares und theoretisch prüfbares Wirkungsmodell gebe. Und damit ging es plötzlich um „Erdstrahlen“ und „Gravomagnetokinese“. Richterinnen und Richter an unseren Oberlandesgerichten sind in der Regel aufgeklärte und handfeste Menschen, mit denen man genau so lange gut Kirschen essen kann, bis sie sich veralbert fühlen. Und dieses Stadium war jetzt erreicht. Was folgte, war zunächst eine Nachhilfestunde in Naturkunde:
Es sind in der Wissenschaft bislang keine Systeme bekannt, die auf unbegrenzte Zeit ohne Energiezufuhr aktiv sind. Aktion und Reaktion sind das Wechselwirkungsprinzip von zwei Kräften, die gegeneinander wirken. Dieses Wechselwirkungsprinzip entspricht dem dritten Axiom von Isaac Newton, welches besagt, dass jede Aktion als Kraft eine gleichgroße Reaktion als Gegenkraft erzeugt. Es müsste daher eine Energiequelle vorhanden sein, wenn ein entsprechender Prozess in Gang gesetzt werden sollte….Sie (die Beklagte) räumt allerdings selbst ein, dass die von ihr in Anspruch genommenen Energieformen wissenschaftlich nicht anerkannt sind.
…und anschließend der klare Satz, der die Sache zum Kippen brachte:
Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen mit einer mindestens zweifelhaften, jedenfalls aber wissenschaftlich nicht abgesicherten Wirksamkeitsbehauptung nur deshalb werben darf, weil es diese Wirksamkeit in einem Rechtsstreit von weiteren, wiederum wissenschaftlich nicht abgesicherten Bedingungen abhängig macht, die letztendlich dazu führen, dass eine Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten unmöglich wird.
Damit kehrte sich die Beweislast um: nicht die Klägerin hatte jetzt die Wirkungslosigkeit zu beweisen, sondern die Beklagte die Wirksamkeit. Die Beklagte landete im Ergebnis in der selbst ausgehobenen Grube.
Interessant ist das Urteil aber noch aus einem weiteren Grunde: in der Vergangenheit hat “Aquapol”-Inhaber Mohorn immer wieder versucht, Kritik an seinen Produkten durch Klagen niederzudrücken, im Vertrauen darauf, dass nachteilige Tatsachenbehauptungen dann zu unterlassen sind, wenn sie nicht erweislich wahr sind. Verallgemeinert man die Grundsätze des jetzt vorliegenden Urteils zur Beweislastverteilung, dann werden Mohorn & Konsorten allerdings auch damit nicht mehr durchdringen.
OLG Frankfurt 6. Zivilsenat , Urteil vom 26. September 2013 , Az: 6 U 195/10
Das Urteil ist für angemeldete Nutzer abrufbar im juris-Rechtsportal, außerdem als Printversion in WRP (Wettbewerb in Recht und Praxis) 2014, 103-106