Am Freitag (an dem schon wieder kein Weltuntergang stattfand) hielt der Papst eine Ansprache, in der er die tiefe Krise der Familie beklagte. Er zitierte dabei lobend ein Traktat des Großrabbiners von Frankreich, Gilles Bernheim, der in Frankreich gerade gegen ein böses, böses Gesetz ankämpft.
Die Unterstützung der katholischen Kirche in diesem Kampf hat er, wie durch die Lobrede angedeutet; der Papst und der Großrabbiner stehen damit offenbar Seite an Seite im Kampf gegen den gemeinsamen Feind: Die Gleichberechtigung homosexueller Partnerschaften.
Bernheim hatte seinen (laut Papst “sorgfältig dokumentierten und tief bewegenden”) Text geschrieben, da in Frankreich gerade ein Gesetz geplant wird, das homosexuellen Paaren die Ehe und die Adoption von Kindern erlauben soll.
Im Gegensatz zum Papst finden wir das Traktat eher – wie soll man es freundlich und höflich sagen – dämlich. So wird zum Beispiel argumentiert, dass Gleichberechtigung kein Grund für eine solche Regelung sei. Man habe nämlich sowieso kein allgemeines Recht zu heiraten. So kann etwa ein Mann keine Frau heiraten, die bereits verheiratet ist, eine Frau keine zwei Männer heiraten oder ein Vater seine Tochter nicht heiraten.
Mit dem gleichen Argument könnte man aber auch arbeiten, wenn man fordert, dass ein Jude keine “Arierin” heiraten darf. Es gibt ja kein allgemeines Recht auf Ehe. Ein Vater darf seine Tochter nicht heiraten, ein Schwarzer keine Weiße. Ganz klar.
Der Fehler in der Argumentation des Rabbiners ist einfach: Gleichberechtigung bedeutet nicht, dass einer Person oder Gruppe ein besonderes Recht zusteht – es bedeutet, dass jeder durch das Gesetz gleich behandelt werden soll.
Zwei Menschen wollen vor dem Gesetz eine Partnerschaft eingehen und gleich behandelt werden, wie andere Menschen. Dabei soll das Geschlecht der beiden Menschen irrelevant sein, Justitia quasi blind.
Man könnte jetzt über dieses Thema noch weiter ausführen, aus irgendeinem Grund ist die Homosexualität ähnlich wie die Evolutionstheorie ein Feindbild religiös-konservativer Kreise.
Im Text müht sich der Rabbi auf 25 Seiten redlich ab, die Widernatur der gleichgeschlechtlichen Ehe zu argumentieren, aber das Kernproblem, das auch der Papst in seinem Text aufgreift, ist die “Gendertheorie“.
In diesen Worten ist die Grundlegung dessen gegeben, was man heute unter dem Stichwort „gender“ als neue Philosophie der Geschlechtlichkeit darstellt. Das Geschlecht ist nach dieser Philosophie nicht mehr eine Vorgabe der Natur, die der Mensch annehmen und persönlich mit Sinn erfüllen muss, sondern es ist eine soziale Rolle, über die man selbst entscheidet, während bisher die Gesellschaft darüber entschieden habe.
Gender meint vor allem das “soziale Geschlecht”: es geht um die Rolle in der Gesellschaft und nicht um das physische Geschlecht. In unserer erschreckenden neuen Welt wollen sich Frauen offenbar nicht mehr durch ihre klar geschlechtlich definierten Rollen einordnen lassen und sind nicht mehr bereit, als brave Hausfrauen am Herd zu stehen – (Eva Herman vielleicht ausgenommen)
Ganz klar erkennen Bernheim und der Papst dann das Problem der Gender-Theorie:
Die tiefe Unwahrheit dieser Theorie und der in ihr liegenden anthropologischen Revolution ist offenkundig. Der Mensch bestreitet, dass er eine von seiner Leibhaftigkeit vorgegebene Natur hat, die für das Wesen Mensch kennzeichnend ist. Er leugnet seine Natur und entscheidet, dass sie ihm nicht vorgegeben ist, sondern dass er selber sie macht. …
Es fällt einem bei diesen Worten wie Schuppen von den Augen. Das Problem für die Kirche ist sonnenklar: Der Mensch entscheidet, dass ihm seine Natur nicht vorgegeben ist, sondern dass er selbst sie macht. Es geht gar nicht so sehr um Homosexualität, es geht um das tiefer sitzende Problem, die Freiheit des Menschen eigene Entscheidungen zu treffen und aus der Umklammerung der Tradition, den Zwängen der Gesellschaft, auszubrechen.
Der Mensch hat in die Frucht der Erkenntnis gebissen. Und es gefällt ihm.