Prof. Walach, die Speerspitze der Aufklärung, unternimmt einen neuerlichen Versuch, den Rest der im Dämmer des Halbwissens satt, aber tumb dahinvegetierenden Menschheit darüber zu unterrichten, was die Élite des Geistes an Einsichten zu vermitteln hat (exklusive Berichte über die bisherigen Bemühungen z.B. hier, hier). Er klärt die staunende Mitwelt über die irreführende Magie der Statistik, über den Unterschied zwischen Signifikanz und Relevanz auf. Es geht um dieses unreflektierte Vorurteil:
Normalerweise ist der Durchschnittsbürger und Durchschnittswissenschaftler zufrieden, wenn er hört, ein Forschungsergebnis sei „statistisch signifikant“ gewesen … Deswegen glaubt z.B. der Durchschnittsarzt, -journalist und -bürger die Bioresonanz sei als unwirksam belegt und Homöopathie ist Placebo
Eingedenk der Tatsache, dass derartige Ansichten in der Allgemeinheit weit verbreitet sind, erwies es sich für Prof. Walach in der Langfassung seiner “Power-Analyse” (hier) zunächst als erforderlich, seitenlang über Null-Hypothese, Alpha-Fehler und Beta-Fehler grundstürzende Erkenntnisse zu verkünden, die man seit 50 Jahren in jedem Anfänger-Lehrbuch für medizinische Statistik nachlesen kann. Insbesondere geht es um den sog. Beta-Fehler, kurz gesagt: um die Möglichkeit, dass eine Studie keinen Zusammenhang nachweist, obwohl einer besteht.
Wahrscheinlich wollte die Spitzenkraft den Durchschnittswissenschaftler nicht überfordern. Das tut sie aber mit dieser Feststellung:
Wenn wir kein Elektronenmikroskop oder kein immunologisches Assay haben können wir die winzigen Viren nicht sehen und behaupten, es gäbe keinen Grund für eine Erkrankung. Wir machen dann einen Beta-Fehler, wenn in Wirklichkeit Viren Krankheitsauslöser sind, die wir aber aufgrund fehlender Instrumente nicht entdecken können.
Denn für den Rest der Menschheit war bisher klar: wir könnten in einem solchen Fall nur sagen, wir hätten die Ursache nicht gefunden, aber nicht, es gäbe keine Ursache.
Und es wäre auch ein Fehler zu sagen, Viren gibt es nicht, nur weil sie mit Lichtmikroskopen nicht zu sehen sind.
In der Tat, das wäre ein Fehler – sogar wir können das einsehen.
All das sind Beispiele für Beta-Fehler. Sie alle demonstrieren: je kleiner der Effekt, umso größer der Aufwand, den wir treiben müssen.
Aber hier klemmt es. Virale Erkrankungen haben durchaus klinisch sehr bedeutsame Effekte. Die Nicht-Identifizierbarkeit von Viren mit dem Lichtmikroskop hat absolut nichts mit einem Beta-Fehler zu tun. Andererseits aber:
Wenn wir also sagen würden, Bioresonanz-Therapie ist eine Placebo-Therapie, obwohl diese Behauptung in Wirklichkeit falsch ist, dann würden wir einen Fehler der zweiten Art oder einen Beta-Fehler machen.
Der naheliegende Schluss aus dieser neuen Einsicht – nicht vorsagen, wir kommen von selbst drauf – wäre also: Viren sind im Lichtmikroskop nicht sichtbar – aha, ein Beta-Fehler; Bioresonanz und Homöopathie sind nicht wirksam, – aha, noch ein möglicher Beta-Fehler; Viren gibt es aber, also sind Bioresonanz und Homöopathie vermutlich wirksam. Man kann kaum widersprechen:
Jeder Effekt, egal wie groß er ist, kann, wenn er tatsächlich und systematisch vorhanden ist, mit einer Stichprobe, die groß genug ist, sichtbar gemacht werden.
Danke, Speerspitze! Nun fühlen wir uns gleich über den dumpfen Durchschnitt der Wissenschaftler hinausgehoben.
Es bleiben nur zwei kleine Schönheitsfehler. Selbst die allergrößte Stichprobe lichtmikroskopischer Untersuchungen könnte die winzigen pathogenen Viren nicht nachweisen. Und auch wenn wir alle Überlegungen zu Plausibilität, Wirkmechanismus usw. von Bioresonanz und Homöopathie beiseite ließen: wenn man riesige Stichproben bräuchte, den Effekt einer Therapiemethode sichtbar zu machen, dann muss die Effektgröße zwangsläufig klinisch unbedeutend sein – es lohnt also nicht, diese Studien aufzulegen. Die ausführliche Darstellung der Effektgrößen bei ASS und bei den Lipidsenkern ist irreführend, weil sie die Primärprävention, d.h. die Behandlung von Gesunden, gedanklich mit Therapie-Methoden, d.h. der Behandlung von Kranken, gleichsetzt. Hier gelten sehr unterschiedliche Anforderungen.
Im Ernst: Die “Power-Analyse” des Professors Harald Walach ist der Taschenspielertrick eines Zauberei-Anfängers. Da muss er noch ein bisschen üben.