Gustl Mollath ist in den Stand der Unschuld zurückversetzt, unter anderem ein Triumph der Volksexpertise. Der Beginn des Wiederaufnahme-Prozesses ist für den 7. Juli geplant. Die Sache ist ganz klar so, wie sie der verdienstvolle Kritiker der Macht Wilhelm Schlötterer in seinem Buch „Wahn und Willkür“ antizipiert hat:
Nachdem wir die mehrfachen Sicherheitsschleusen wieder passiert hatten, stand für uns alle fest: Hier wurde ein völlig normaler Mensch durch einen brutalen Willkürakt in der Psychiatrie gefangen gehalten – allein wegen seines gefährlichen Wissens um die Schwarzgeldverschiebungen. Wir waren erschüttert und sahen uns aufgerufen, alles ins Werk zu setzen, um die Freilassung dieses Mannes zu erreichen.
Bei der Überprüfung der Einzelheiten blieb aber die eine oder andere Frage offen, auch wenn der berühmte Anwalt Dr. h. c. Strate „keinerlei Hinweise“ auf eine psychische Erkrankung des Herrn M. finden konnte, aber dafür allerlei Hinweise auf die Selbstbeweihräucherung der Psychiatrie allgemein, die es sogar fertig gebracht habe, Sponsorengelder für die Ausrichtung von Kongressen auszuweisen (wie jede andere medizinische Fachgesellschaft auch), statt in Sack und Asche zu gehen.
Was nun die Schwarzgeldverschiebungen angeht, da stellte der (ungern zitierte) Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag fest:
Behauptungen werden nicht deswegen stichhaltiger, weil sie fortlaufend in selben und wechselnden Worten wiederholt werden, ohne darüberhinausgehende [sic], neue Angaben zu machen. Letztere hat der Zeuge Mollath – trotz wiederholter Nachfragen – gerade nicht gemacht, obwohl er angibt, „ganz genau unterscheiden [zu können] zwischen Beweisen, zwischen Indizien und Vermutungen“. Auch über die Vielzahl seiner Verteidiger, inklusive seiner aktuellen Verteidiger Rechtsanwälte Dr. Strate und Lorenz-Löblein, wurden trotz einer Fülle von Schriftsätzen weder in den Jahren 2003 bis 2006 noch in der jetzigen Phase des Verfahrens neue Indizien oder Beweise für die Schwarzgeldverschiebungen angeführt. Es hätte dem Zeugen Mollath zu jedem Zeitpunkt freigestanden, inhaltlich Neues vorzutragen. Dies hat er nicht getan.
Weiterführende Erkenntnisse waren und sind deshalb nicht zu erwarten. Darüber hinausgehendes Wissen hatte und hat der Zeuge Mollath offensichtlich nicht, wie auch seine Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsausschuss belegt. Trotz mehrfacher Nachfrage nach der Benennung neuer Fakten oder konkreter Indizien oder Beweise konnte der Zeuge Mollath keine Angaben dazu machen, obwohl er selbst angibt, immer zu versuchen, „Ross und Reiter zu nennen“.
Wenn, wie angekündigt, die Nebenklägerin Frau M. von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen wird, dann sieht es vermutlich mit den Beweisen für die eigentlich angeklagten Taten (gefährliche Körperverletzung u. a.) schlecht aus. Sollte es zu einem Freispruch mangels Beweisen kommen, wird wohl auch keine erneute psychiatrische Begutachtung im Gerichtssaal erforderlich sein.
Weder wird es möglich sein, die “wahnsinnigste Schwarzgeldverschiebung” endlich aufzudecken, noch wird es zu neuen Erkenntnissen über die “Rechtsbeugung” kommen. Allenfalls wird sich das eine oder andere Detail zu früheren Verfahrensfehlern klären lassen (es werden weit weniger sein, als sich nach dem Wiederaufnahmeantrag des Dr. Strate vermuten ließe).
Aber das macht nichts: der Fall ist bereits in die Folklore eingegangen. Die Zeitungskommentare werden anschließend feststellen, dass es wieder einmal nicht gelungen sei, die mafiösen Strukturen in (Zutreffendes je nach persönlicher Vorliebe einsetzen:) Justiz/Bankenwesen/Psychiatrie/Politik zu zerschlagen.
Wetten?