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LMU: Eine Uni wird geräuchert

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Eröffnet Hogwarts an der Oder eine Filiale an der Isar? Man möchte es fast meinen, vernimmt man den GWUP-Blog. Kopfkratzend liest man dort Bernd Harders Artikel “Heiler und Medizinmänner: Wird die LMU München zur Schwitzhütte?”. Es geht um den “Weltkongress der Ganzheitsmedizin”, veranstaltet von “Infomed – Institut für Ganzheitsmedizin” und man fragt sich, was das an einer Uni, und dann auch noch an der renommierten Ludwig-Maximilians-Universität (LMU ) zu suchen hat. “Nichts”, meint sinngemäß auch der Dekan der Medizinischen Fakultät, welchen die GWUP um Stellungnahme bat:

Wir haben die LMU angeschrieben und vom Dekan der Medizinischen Fakultät, Herrn Prof. Dr.med. Dr.h.c. Maximilian Reiser, persönlich eine Antwort erhalten.
Demnach ist ein “Weltkongress der Ganzheitsmedizin” der Hochschulspitze nicht bekannt und den Hinweis auf die Fakultät erachte man als “rufschädigend”.

 

Segeln unter falscher Flagge

IM_LMUWenn diese Veranstaltung nun nichts mit der LMU zu tun hat, warum wirbt man dann mit dem Logo der LMU und einem Text, der genau den gegenteiligen Eindruck erweckt?

 

LUDWIG MAXIMILIAN UNIVERSITÄT MÜNCHEN
Der Weltkongress der Ganzheitsmedizin findet in der Medizinischen Fakultät der Universität statt. Die Wiege der Schulmedizin, wo alle unsere Mediziner ihre Ausbildung erfahren haben, ist der richtige Ort das Wissen aller Heilsysteme unserer Welt zu verbinden und gemeinsam mit den Vertretern ursprünglicher Kulturen neue ganzheitliche Wege für Gesundheit und Heilung für die Welt zu erforschen und zu entwickeln.

Nun könnte man einwenden, was denn Schlimmes daran sei, Heilverfahren alter Ethnien zu erforschen und der modernen Medizin gegenüber zu stellen, ev. Anregungen zu besseren Verfahren zu geben? Nichts wäre daran schlimm. Wenn es sich tatsächlich um Forschung handelte. So, wie es schön wäre, wenn es sich bei volkstümlicher Musik um Volksmusik handelte. Oder Heizdeckenverkäufer tatsächlich an Energiesparen interessiert wären.

Schauen wir uns die Qualifikationen des 50-köpfigen Teams an: Unter all den Politikwissenschaftlerinnen, Kunst- und Tanzpädagoginnen, Heilpraktikerinen, Reiki-Lehrern, Ethnologiestudentinnen, Schülerinnen, Klangschamanen, Homöopathen, Energiearbeitern, Visionshüterinnen etc. findet sich exakt eine Person (Fachärztin für Allgemeinmedizin und Geriatrie), der man zumindest theoretisch fachliche Kompetenz bezüglich moderner Medizin unterstellen könnte. So weit, so schlecht. Aber eigentlich keiner größeren Aufregung wert. Den allermeisten Teammitgliedern kann man wohl frei nach Hanlons Razor unterstellen, dass sie in bester Absicht handeln und gar nicht merken, welchem Lobbyverein sie da angehören.

 

Gefahr durch Anhnungslosigkeit und Ignoranz

Ein wichtiger Grund, warum wir uns des Themas auch nochmal angenommen haben ist, dass neben harmlosem Tamburinklopfen, Voodoopuppen häkeln und mondbeschienener Suche nach Füllmaterial für den leeren Kopf auch richtig gefährliche Sachen dabei sind. Exemplarisch seien zwei Personen genannt:

IM_StorlWolf Dieter Storl

Der eigentlich nicht unsympathische, kauzige Waldschrat verbreitet z.B. gemeingefährlichen Unfug zum Thema Borreliose, wir berichteten bereits 2008 darüber.

 

 

 

 

 

 

 

 

IM_WilleeWillee Regensburger

will u.a. Krebs heilen durch Auflösung diverser psychischer “Ansammlungen”:

Die Spuren der Unwirklichkeit finden akumulativ in der Zeit und in der Menge der Einwirkung Ausdruck in psychischen und materiellen Ansammlungen von Spannung, Verhärtung, Einlagerung, Wucherung. Krankheitsbilder dazu sind: Lipome, Melanome, Krebs, Sarkosidose, Autoimmunerkrankungen, Besetztsein, Störungen der Ichkonstanz usw. Unter Anleitung des Heilers entfernt der Klient selbst im Körper oder der Heiler übernimmt die Operation der Unwirklichkeit selbst und entfernt die Ansammlung geistiger oder materieller Produkte der Unwirklichkeit.

Im Prinzip nichts anderes als die Germanische Neue Medizin des Ryke Geerd Hamer. Leid und Leichen pflastern seinen Weg des Wahns.

 

Kultur-Kolonialismus

IM_CirkusEs genügt ja nicht, ethnische Minderheiten auszugrenzen und sie materiell auszubeuten. Nein, auch deren Bräuche und Spiritualität lassen sich gewinnbringend vermarkten.

Wie sehr es den Veranstaltern an tatsächlichem ethnologischem Wissen mangelt, zeigen auch folgende Griffe ins Klo, was die geladenen Referenten angeht – wir haben schnell einmal unseren Plastikschamanendetektor in Gang gesetzt; es liest sich stellenweise wie ein Who is Who unseres Wikis:

Pablo Russell
Jorge Guadarrama sen. und jun.
“Angaangaq” Jens Lyberth
Alle vier Personen sind keine genuinen Medizinpersonen und Heiler; bei den Guadarramas ist zudem die ethnische Zugehörigkeit unklar.
Fabio Alberto Ramirez – propagiert seit Jahren im esoterischen Umfeld “Heilungen” mit Ayahuasca.
Sabina Tschudi – Mitglied des Deer Tribe, bietet auch im ZEGG Seminare an.
Pedro Guerra Gonzales – propagiert ebenso Ayahuasca, ist Mitglied im Karin Tag “Council of World Elders”

und so weiter. Über die Methoden möge sich der interessierte Leser auf den Seiten der Veranstalter selbst ein Bild machen, der Autor dieser Zeilen muss erstmal sein Einhorn umparken, es steht im Halteverbot. Der Vollständigkeit halber sei aber noch erwähnt, dass die Werbeveranstaltung erstmal das Universitätsgebäude rituell reinigt – möge die Vernunft schwinden und die Energieausgleiche fließen:

RÄUCHERN MIT WOLF DIETER STORL, KULTURANTHROPOLOGE & ETHNOBOTANIKER AUS DEM ALLGÄU
Am Samstag, den 1.11.2014, brechen wir gemeinsam vor dem Morgengrauen um 6:00 Uhr in der Früh auf um das Universitätsgebäude rituelle zu reinigen und zu räuchern. Zu diesem Ritual sind Sie als Teilnehmer herzlich willkommen, und wenn Sie aktiv mitwirken wollen, bringen Sie Ihr eigenes Räucherwerk und Instrumente mit. Für Rückfragen stehen wir zur Verfügung unter info@institut-infomed.de

Den Teilnehmern wünschen wir viel Glück, und möchten ihnen noch einen Sinnspruch mitgeben: Altes Wissen ist vor allem eines: alt.

Nachtrag: Die Organisation von Infomed e.V. nimmt in einem Kommentar  im GWUP-Blog Stellung:

Sehr geehrte Damen und Herren,
 gerade haben wir Ihren Eintrag hier entdeckt. Der Weltkongress der Ganzheitsmedizin an der LMU ist eine Kongress-Reihe, die seit fast 30 Nahen an dieser Fakultät stattfindet und hat nichts mit Esoterik zu tun. Seit Jahrzehnten in der Uni bekannt, seinerzeit entstanden aus den Aktivitäten von Prof. Schiefenhöfel und Eibl-Eibesfeldt des Max-Planck-Instituts für Humanethnologie, also Verhaltensforschung. Diese Forschung ist als unterkulturell [sic!], international und interdisziplinär fortgeführt worden. Es sprechen Ärzte, Psychologen und Wissenschaftler auf diesem Kongress und dazu sind Heiler und Schamanen eingeladen. Rituale werden demonstriert und exempelweise praktiziert. Der Großteil der Teilnehmer stammt aus Heilberufen, die hier sind um sich auszutauschen und ihr Spektrum erweitern wollen. Alles andere ist hier von Ihnen herein-interpretiert. Organisiert wird der Kongress von INFOMED e.V., einem anerkannten wissenschaftlichen Verein. Beste Grüße, die Organisation von INFOMED e.V.

Das mag ja seinerzeit eine interessante Idee gewesen sein. Es geht aber um das Hier und Jetzt. Und da spricht die Liste der Vortragenden eine deutliche Sprache. Die Veranstalter bekommen es nicht auf die Reihe, Plastikschamanen und Snakeoildealer von authentischen Personen (die eine oder andere könnte es zufällig sein) zu unterscheiden. Ob aus Absicht oder Unfähigkeit wissen wir nicht, es ändert jedenfalls nichts an der Situation.

Diese quallige Rechtfertigungsrede zeigt im Übrigen, dass man von Hogwarts an der Oder alias IntraG an der Viadrina noch etwas gelernt hat – nämlich wie man Veranstaltungen über abwegigen Hokuspokus in öffentliche Universitäten einschmuggelt: man tarne sie ganz einfach als Kulturvergleichung, und plötzlich öffnen sich die Pforten der  Fakultäten fürs Trommeln, Streuen und Weihen. Die Universitäten sollten sehr wachsam sein, wenn sie sich nicht ständig solche fünften Kolonnen des Obskurantismus ins Haus holen wollen.

Interessant finden wir auch, dass das Institut im Jahr 2013 seinen Namen änderte – zuvor war es das “Institut EthnoMed”, das Institut für Ethnomedizin, ebenfalls als gemeinnütziger “e.V.”, aber mit Umsatzsteuernummer.


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