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Kühlschränke für Eskimos und Strom aus Neutrinos

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“Wenden Sie sich von kaufmännischen Tätigkeiten ab, machen Sie lieber etwas anderes”. Diese Worte gab der Richter der Wirtschaftsstrafkammer dem damals 39-jährigen Angeklagten mit auf den Weg, als er ihn in vier Fällen wegen “besonders schweren Betruges” zu vier Jahren und vier Monaten Haft verurteilte. Das war im September 2003, nachdem der Immobilien- und Kredithändler bereits einige Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte.

Ausriss Göttinger Tageblatt vom 5.9.2003 mit Passfoto von Holger Schubart

“Es gibt Leute, die in der Lage sind, mitten im Winter einem Eskimo auf einer stromlosen Eisscholle auf Südkurs einen Kühlschrank zu verkaufen und ihm dabei auch noch das Gefühl zu vermitteln, er habe ein Schnäppchen gemacht.” So zitierte das Göttinger Tageblatt damals einen Zeugen des Betrugsprozesses. Unser Wiki ist prall gefüllt mit Personen und Geschäftsmodellen, die nach diesem Prinzip arbeiten: Überzeugendes Auftreten, die Ausnutzung von Gier und Hoffung mehr oder weniger argloser Opfer und großartige Versprechungen, die bei genauerem Hinsehen eben doch zu schön sind, um wahr zu sein.

Diese Geschichte lässt sich bis in das Jahr 1996 zurück verfolgen. Im Sommer jenes Jahres, das Finale der Fußball-WM fegte gerade die Straßen leer, ging folgender Anruf bei der Göttinger Polizei ein: “Sie sollten sich mal den Sportpalast heute Abend oder morgen anschauen. Es könnte sein, dass er abbrennt”. Der Anrufer war ein Geschäftsmann, der zur gleichen Zeit ein Sportstudio in der ehemaligen Zieten-Kaserne am Rande Göttingens plante. In den Jahren zuvor waren zwei seiner eigenen Gebäude Brandstiftungen zum Opfer gefallen, die nie aufgeklärt wurden.

Etwa zu dieser Zeit wurde in Göttingen die Immobilienfirma SCF AG gegründet. Nicht nur den Verantwortlichen der Stadt blieb diese längst liquidierte Firma bis heute in Erinnerung, verloren sie doch durch Geschäfte mit der SCF einige Millionen Mark. Zwar ging die Immobilienfirma in Konkurs, während deren Gläubiger auf Ansprüchen von etwa 70 Millionen sitzen blieben. Der Firmengründer jedoch, der damals bereits an einem Geflecht von mehreren Unternehmen beteiligt war, strebte nach Höherem und verschwand zunächst im Ausland.

Sommer 2002. An der sonnigen Küste Südfrankreichs stürmen französische und deutsche Ermittler eine Luxusvilla und verhaften deren Bewohner, einen lange gesuchten Immobilien- und Kreditbetrüger. Der Verhaftete versucht noch, die Polizisten von seinem Diplomatenstatus zu überzeugen, kann sich aber nicht erinnern, welches Land er repräsentiert. Nach einigen Monaten in Auslieferungshaft wird er nach Deutschland überstellt, wo ihn Gerichtsverfahren wegen Betruges, Fälschungen und Konkursverschleppung erwarten.

Screenshot Sponsoren Bundespresseball mit Neutrino IncDie Geschichte des gewandten Millionenbetrügers wird fortgesetzt und es gibt noch einige spannende Details zu berichten. Eines aber können wir bereits verraten: Sie nimmt ein gutes Ende und am kommenden Sonntag werden wir in strahlende Gesichter schauen, während Holger Torsten Schubart im Blitzlichtgewitter die Hände der Reichen und Mächtigen beim Bundespresseball auf dem Berliner Tempelhofgelände schüttelt. Schließlich ist seine neue Firma Neutrino Inc., die Strom aus Neutrinos gewinnen will, einer der Hauptsponsoren dieser Veranstaltung.

Vielleicht hat er den Rat des weisen Richters ja beherzigt.

The Neutrino Project is dedicated to the entire global population; its basic altruistic aim is to supply the world with free energy. (H. T. Schubart, 2014)


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