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Alternativministerin Steffens’ Auffassungen von Gesundheit

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Barbara_Steffensvon unserem Gastautor Sebastian Bartoschek:

Barbara Steffens (51) ist Gesundheitsministerin in NRW – genauer genommen „Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter“. Als solche ist die grüne Ministerin für die Volksgesundheit im bevölkerungsreichsten Bundesland zuständig. Es sollte an ihr sein, den Wildwuchs pseudo- und paramedizinischer Umtriebe kritisch im Blick zu haben und zu unterbinden, dass Quacksalberei sich „Medizin“ nennt. Sollte.

Denn im Oktober 2012 erklärte die Ministerin dem Nachrichtenmagazin STERN:

“Ich mache mich als Ministerin dafür stark, dass in unserem Gesundheitssystem und damit in der Schulmedizin auch Alternativmedizin wie die Homöopathie integriert wird. Ich denke, das ist wichtig, damit nicht nur einzelne Symptome behandelt werden, sondern der Mensch als Ganzes. Zum Glück gibt es schon viele Ärztinnen und Ärzte, die genauso arbeiten, bei denen auch Arnica C30 längst fester Bestandteil der Praxis ist.”

Das klingt blödsinnig und schrecklich uninformiert. Oder esoterisch und wissenschaftsfremd. Beides eigentlich undenkbar für eine Ministerin, die eine Administration von Fachleuten unter und um sich hat. Deswegen: flugs nachgefragt bei der Pressesprecherin von Frau Steffens.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass Frau Steffens diese Meinung in ihrer Tätigkeit als Ministerin umzusetzen versucht und dies nicht nur lediglich ihre Privatmeinung ist?

Ja, das ist richtig, es handelt sich hier nicht nur um die Privatmeinung. Es ist offensichtlich, dass weder die Schulmedizin noch die alternativen Heilmethoden allen Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten allein gerecht werden können. Alle Professionen des Gesundheitswesens sollten sich damit auseinander setzen, um den Wünschen der Patientinnen und Patienten angemessen begegnen zu können.

(Nun ja, die „alternativen Heilmethoden“ können sicherlich nichts allein. Die „Schulmedizin“ schon, wenn sich Mediziner nur Zeit für den Patienten nehmen, was aber durch die staatlichen Reglementierungen zumindest bei Kassenpatienten nach Bekunden vieler Ärzte immer schwieriger wird. Aber eine Freundin von Wissenschaft und Evidenz muss eine Fachministerin wie Steffens doch wohl sein, oder?)
Wie steht die Ministerin zur evidenzbasierten Medizin? Welche Rolle schreibt sie allgemein empirischen Wirkbefunden zu?

Natürlich ist der Nachweis der Wirksamkeit einer Behandlung von großer Bedeutung, sowohl in der Betrachtung des einzelnen Falls – also bei einer konkreten Erkrankung – wie auch abstrakt wissenschaftlich.

(Das lässt hoffen… Scheint wohl doch eine informierte Dame zu sein.)

Klar ist aber auch, dass evidenzbasierte Nachweise nicht für alle Methoden sowohl der Komplementärmedizin wie auch der Schulmedizin funktionieren. Es braucht solide wissenschaftliche Konzepte, unter grundsätzlicher Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Methoden, um begründete Aussagen zur Wirksamkeit von Therapien zu treffen. Das gilt für alle Therapiekonzepte.

(Moment! Lese ich das richtig? Wird hier eine Methode mit dem Ergebnis verwechselt? Das steht doch eigentlich: „Wenn das Ergebnis sagt, ein Verfahren ist unwirksam, dann ist das Ergebnis falsch und nicht das Verfahren“? Und natürlich braucht es „solide wissenschaftliche Konzepte“ – bei allen Therapieformen. Ach, fragen wir doch mal nach, wo die Ministerin die konkret als erfüllt ansieht.)

Wie steht die Ministerin zu folgenden alternativmedizinischen Verfahren:

a) Traditionelle Chinesische Medizin (TCM),

b) Osteopathie,

c) Reiki,

d) anthroposophische Medizin?

Komplementärmedizinische Ärztinnen und Ärzte müssen mit ihren Patienten und Patientinnnen individuell entscheiden, welches das beste Verfahren für die entsprechende Erkrankung sein kann.

(Äh, wie jetzt? Da redet sich doch jemand raus, oder hab nur ich das Gefühl? Und keines der Verfahren ruft Widerspruch der höchsten NRW-Gesundheitshüterin hervor? Das lag sicher daran, dass ich das nicht konkret genug zugespitzt habe. Steffens hat ja Kinder. Und als verantwortungsvolle Mutter wird sie sicher ein klares Wort zum Thema Impfungen finden.)
Was empfiehlt die Ministerin in Fällen, in denen alternativmedizinische Vorstellungen diametral zu denen der Schulmedizin sind, bspw. im Bereich des Impfschutzes?

Wichtig ist, dass den Betroffenen neutrale und ausgewogene Informationen durch ihre Ärztinnen und Ärzte zugänglich gemacht werden, die für ihre eigene, selbstbestimmte Entscheidung von Bedeutung sind. Nur so können sie sich ihre eigene Meinung bilden und frei entscheiden. Für entsprechende qualifizierte und unabhängige Informationen und den entsprechenden Zugang dazu, soll sich die Politik einsetzen.

(Hammer! Keine generelle Zustimmung zu Impfungen? Statt dessen ein Rumlavieren, dass sich bestenfalls neutral in Sachen Impfschutz interpretieren lässt. Das ist bitter. Und völlig unangebracht in einer Gesellschaft, in der Impfgegner Menschen unverantwortlich verunsichern und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine große Pro-Impfkampagne fahren muss.)

Was bleibt ist die Hoffnung, dass Barbara Steffens sich um die Themen Emanzipation, Pflege und Alter besser kümmert als um die Gesundheit …

Nachtrag von Team Psiram: Im März erscheint das neue Buch von Sebastian Bartoschek .


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