Alle Jahre wieder macht die lustige Geschichte, dass Ungeimpfte gesunder als Geimpfte seien, die Runde. Diesmal ist es der Kopp-Verlag, der die olle Kamelle bringt. In einem Artikel von Ethan A. Huff, dessen Artikel zu HIV-Tests wir hier im Blog schon zur Schlachtbank geführt haben, wird das Thema mal wieder aufgekocht.
Der gute Mr. Huff hat zwar definitiv einen Artikel bei uns verdient, aber unsere Autoren sind notorisch überlastet. Das Feld des Wahnsinns ist riesig, man könnte Tag und Nacht dazu schreiben. Daher sei hier der Aufruf eingestreut, dass Mitarbeit, ob klein oder groß, immer erwünscht ist. Wir beißen nicht.
Zurück zum Thema: In dem Artikel des Kopp-Verlages wird auf eine Organisation mit dem schönen Name “Health Freedom Alliance” verwiesen, die das gesagt hat. Und wenn eine Organisation mit einem so schönen Namen das sagt, dann muss es wohl stimmen!
Zum Beweis wird im Wesentlichen auf eine Internet-Befragung verwiesen, die von der bekannten Impfgegnerseite vaccineinjury.info/impfschaden.info durchgeführt wurde und noch immer wird. Bei dieser Befragung füllt man einfach ein Online-Formular aus und fertig. Und wenn man Lust hat, macht man das noch fünf Mal. Kein Problem. Ein generelles Problem bei Internetbefragungen, das man immer im Hinterkopf behalten sollte.
Dies und die Tatsache, dass die Seite eine gewisse Klientel anspricht, schlägt sich dann auch in den Daten nieder. Mit Stand heute wurden Fragebögen von 11.789 Ungeimpften (bzw. Eltern, die ihre Kinder nicht impfen ließen) und 1.599 von Geimpften abgegeben. Der im Artikel zitierte Stand ist zwar von 2011, aber da der Fragebogen noch immer läuft, geben wir lieber die aktuelle Zahl wieder. Macht nicht viel Unterschied.
Allein die Anzahl der Teilnehmer, heißt: sieben mal so viele Ungeimpfte im Vergleich zu Geimpften, spricht Bände. Statistisch gesehen sind Eltern, die ihre Kinder nicht impfen, eine eklatante Minderheit (und das nicht nur in Deutschland), aber in dieser Statistik ist die Verteilung deutlich anders (fast umgekehrt).
Die Klientel des Fragebogens ist somit eindeutig kein ausgewogener Schnitt durch die Bevölkerung, sondern kommt zum größten Teil aus der impffeindlichen/wissenschaftsfeindlichen Szene.
Das spiegelt sich auch in einem anderen Teil der Befragung wider, bei dem 35% der Befragten angeben, dass ihre bevorzugte Behandlungsmethode die Homöopathie ist. Nur knapp 8% bevorzugen “konventionelle” Medizin. Die Internetseite hat es also geschafft, ihre Jünger zu aktivieren – jene, die fest daran glauben, dass ihre Kinder davon profitieren, wenn sie selten einen Arzt sehen.
Diese Befragung ist also weder repräsentativ noch in irgendeiner Weise ausgewogen. Diverse Krankheiten werden z.B. nur durch einen Arzt diagnostiziert und fallen gar nicht unbedingt auf. Kinder, die von ihren Eltern zum Arzt gebracht werden, werden so gesehen vermutlich tatsächlich öfter als krank diagnostiziert. Kinder, die nicht zum Arzt gebracht werden, leiden dafür unter unerkannten Krankheiten.
Sehr oft werden Probleme auch umdefiniert, wie man an esoterischen Ideen wie Indigo- und Kristallkindern sieht. Statt das Problem zu erkennen, wird das Kind einfach als “besonders” definiert.
Kurz gesagt, die Befragung leidet unter allen Problemen, die eine Internetbefragung mit sich bringt. Mehrfaches Ausfüllen ist möglich, die Befragten sind keine repräsentative Gruppe und darüber hinaus glauben sie nicht an die Medizin. Daraus kann man ein recht eigenwilliges Krankheitsverständnis ableiten.
Besonders peinlich für den Artikel und die “Erhebung” ist allerdings ein kleines Detail. Im Kopp-Artikel wird behauptet, dass Autismus besonders häufig unter Geimpften vorkommt. Wieder beruft man sich auf die Daten aus der Umfrage, aber wie der englische Blogger Orac von den Scienceblogs bereits 2011 analysierte, geben sogar die Mist-Zahlen aus der Umfrage das nicht her.
Ein möglicher Zusammenhang Impfen/Autismus wurde so massiv untersucht wie kaum etwas zuvor und man hat nichts gefunden. Wer mehr wissen möchte: wir haben schon mehrfach darüber geschrieben, z.B. hier und hier und hier und hier.
Zum Autismus noch ein Wort: Eine neuere Studie hat Hinweise gefunden, dass Autismus nicht unbedingt lebenslang sein muss. Die Studienautoren sind sehr vorsichtig in ihrer Conclusio; eine Studie macht auch noch keinen Sommer, aber sie ist zumindest recht interessant. Im Gegensatz zu kruden Thesen aus einer Internetumfrage.