Wer lange nichts mehr von der jüngsten Masernwelle gehört haben sollte: sie ist noch keineswegs beendet, sie hat sich nur mit verminderten Neuerkrankungsraten in Berlin eingerichtet und setzt im Übrigen ihre bundesweite Waldorf-Tournee fort, getragen von Impfquoten um die 25 % in den einschlägigen Milieus – und diese Schande ereignet sich, wie man beobachten kann, keineswegs an den prekären Rändern der Gesellschaft.
In die einsetzende Gewöhnung an das Desaster hinein kommt nun eine weitere Nachricht, die nahtlos dazu passt: die Diphterie, der Würgeengel unserer Großelterngeneration, kehrt zurück, und zwar genau auf dem gleichen fatalen Weg des Impfaberglaubens. In Spanien ringt ein Kind um sein Leben, dem die Eltern den Schutz einer Impfung bewusst und im Vertrauen auf die Einflüsterungen obskurer Quellen vorenthielten.
Man kennt die Behauptungen solcher Einflüsterer aus anderem Zusammenhang – mal mit den Pocken, mal mit den Masern…
„Dass es in Spanien seit fast drei Jahrzehnten keine Diphtheriefälle mehr gegeben habe, liege nicht etwa an den Massenimpfungen seit den 1960er Jahren, sondern an den „Lebensbedingungen im Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts“
Nimmt man solche Behauptungen ernst, dann haben sich die Mehrzahl der aktuellen Masernfälle, ebenso wie der jetzt bekannt gewordene Diphteriefall genau da ereignet, wo sie sich gar nicht hätten ereignen dürfen: im saturierten, sich als „gebildet“ verstehenden, gehobenen Milieu, in dem der Argwohn gegenüber dem Erkenntnisstand einer wissenschaftlichen Medizin zum gesellschaftlichen Comment gehört.
„Die Impfraten in Spanien sind hoch, zwischen 90 und 95 Prozent, und die Impfmuffel wurden vornehmlich an den sozialen Rändern der Gesellschaft vermutet, nicht in gebildeten Schichten, die sich aus ideologischen Gründen der Impfung ihrer Kinder verweigerten. Zu dieser Gruppe gehören nun aber offensichtlich die Eltern aus Olot.“
Dass die Eltern nun untröstlich sein sollen, hilft dem kranken Kind auch nicht weiter. Diphterie ist eine lebensbedrohliche Infektionskrankheit, die in ihrer häufigsten Erscheinungsform die oberen Atemwege und den Rachenraum befällt und dort die typischen und gefürchteten bräunlichen Beläge bildet, mit der Gefahr eines vollständigen Verschlusses der Atemwege. Weitere gefährliche Komplikationen können in Form von Herzmuskelstörungen, Polyneuritis, Entzündungen von Nieren, Leber, Lungen oder Gehirn auftreten. Hoffen wir das Beste.
Dabei ist ein zuverlässiger Schutz durch Impfung unproblematisch und seit vielen Jahren gegeben. Verlässliche Informationen über die Diphterie-Schutzimpfung, insbesondere auch auch zu Dauer und evtl. Auffrischung des Schutzes bietet das Robert Koch Institut.
Das Diphterie-Impfserum ist übrigens kein Impfstoff aus lebenden oder abgetöteten Erregern selbst, sondern ein Toxoid, ähnlich wie bei der Tetanus-Impfung. Die Immunisierung setzt nicht am Erreger an, sondern an dem Unschädlichmachen des von ihm ausgeschütteten Toxins. Man kann den an sich weit verbreiteten Erreger also in sich tragen, ohne zu erkranken. Und tatsächlich:
„Seit Montag ist bekannt, dass auch acht Schulkameraden infiziert sind. Keiner von ihnen hat Symptome. Denn sie waren alle geimpft.“
Ob in der Szene wahrgenommen wird, dass damit gleich mehrere faule Ausreden hinfällig sind, nämlich dass Impfen generell nicht schütze; dass bessere Ernährung und Hygiene adäquaten Schutz böten und entscheidend zur Zurückdrängung von Infektionen beigetragen hätten? Man wird nach den Erfahrungen mit dem Masern-Desaster daran zweifeln müssen. Die Äußerungen aus der Impfgegnerszene klingen eher verbohrt bis zynisch als nachdenklich.
„Die Liga für die Impffreiheit, in der sich die spanischen Impfgegner organisiert haben, wünscht dem erkrankten Jungen aus Olot gute Besserung und den Eltern Zuversicht, bleibt aber in der Sache eisern.“
Nicht einmal die bei Masern vorgebrachte Ausrede, den Erreger habe noch niemand gesehen, zieht hier. Der Erreger; ein grampositives Bakterium, ist schon unter dem optischen Mikroskop einfach zu sehen, für den Toxin-Nachweis gibt es mit dem Elek-Test und dem PCR-Verfahren zwei zuverlässige Methoden; und die chemische Reaktion, durch die das Erregertoxin unschädlich gemacht wird, kann im Labor leicht nachvollzogen werden.
Eines wird man erwarten dürfen: kehrt der Würgeengel auch nach Mitteleuropa zurück, dann ist ein Verbreitungsweg vorgezeichnet.