Wie auch bereits SPIEGEL Online aufgriff, räuchert der Verein Infomed e.V nunmehr an der TU München weiter, wo 2015 ein weiterer „Weltkongress“ stattfand; der für 2016 ist bereits ordentlich in Arbeit und die Webseite des Infomed präsentiert eine Liste der eingeplanten Referenten. Ob der nächste Kongress allerdings wieder an der TU München stattfindet, ist eher unwahrscheinlich. Wolf Dieter Storl bleibt ein fester Programmpunkt, da er nach wie vor frühmorgens um 6 Uhr antreten darf, um die Universität auszuräuchern. Warum Storl dies erledigt, wenn doch andererseits als hochkarätige „Schamanen“ angekündigte Referenten zur Verfügung stehen, ist nicht ersichtlich, aber vielleicht haben die Besseres zu tun als sich in aller Frühe aus dem warmen Bett zu quälen.
Bei zwei Referenten findet man sogar Anlass zur Vermutung, dass diese sich womöglich einer erbaulicheren, um nicht zu sagen: erhebenderen Tätigkeit zuwenden, sofern sich eine Chance bietet. Dies wiederum ist allerdings ein Umstand, über den sich insbesondere Teilnehmerinnen am „Weltkongress“ sehr wohl im Klaren sein sollten.
Bei den beiden Referenten handelt es sich um Pablo Russell und Phillip Scott alias Tsunka Wakan Sapa alias Black Horse. Die Lebensläufe weisen zwar einige Unterschiede auf, aber es bestehen auch eher unschöne Gemeinsamkeiten.
Russell, der sich offenbar mittlerweile auch in einigen Annoncen für seine Seminare „Claude (Pablo) Russell“ nennt („Claude“ ist der Name seines Vaters, der ein geachteter Elder ist), gehört zwar der kanadischen Kainai Nation aus der Blackfoot Confederacy an, ist aber entgegen seinen Behauptungen kein Medizinmann. Er bereist regelmäßig für mehrere Monate im Jahr Europa und verkauft hier indigene Zeremonien sowie Seminare, Workshops, Trainings etc. Aufgrund seiner nicht gegebenen Ausbildung als Medizinmann ist es fraglich, ob Russell überhaupt genügend Kenntnisse über die Zeremonien mitbringt, so dass eine Teilnahme daran durchaus mit Gefahren verbunden sein kann. Das gleiche gilt für den von Russell in Zusammenarbeit mit weiteren, u.a. europäischen Plastikschamanen durchgeführten Sonnentanz in Kanada.
Wie unsere Freunde bei NAFPS (New Age Frauds and Plastic Shamans) ermittelt haben, gab es bei Russell mehrfach Klagen über die Verwendung von Spendengeldern. Russell sagt zwar zu, die Gelder kämen „seinen Leuten“ zugute, sie verbleiben jedoch zumeist in seiner Familie . Andererseits wurden offenbar aber auch zweckgebundene Spenden nicht nur für den angegebenen Zweck verwendet.
Darüber hinaus haben unsere Freunde bei NAFPS ermittelt, dass Russell offenbar regelmäßig sexuelle Beziehungen mit seinen Schülerinnen eingeht, die teils erheblich jünger sind. Er beutet die Frauen sexuell aus und hat mit mehreren auch Kinder, bezeichnet sich aber dennoch stets als alleinstehend und soll diese Frauen insgesamt schlecht behandeln. Nicht gleich geneigte Damen soll Russell mit dem Aufriss zu überzeugen suchen, dies sei deren „einzige Gelegenheit, mit einem richtigen Medizinmann zu schlafen“ .
Von ähnlichem Kaliber ist Phillip Scott alias Tsunka Wakan Sapa alias Black Horse, der ebenfalls nicht nur den „Weltkongress“ beehrt, sondern auch darüber hinaus „Heilsitzungen“ in Deutschland anbot. Scott ist bereits seit ca. 30 Jahren als Plastikschamane in den USA aktiv. Ursprünglich gab er vor, Cherokee zu sein; hiervon ist Scott allerdings inzwischen abgekommen und bezeichnet sich nur noch als von „mixed heritage“, ohne dies näher auszuführen. Dennoch finden sich noch zahlreiche Webseiten, in denen er als Angehöriger der „Western Band Tsalagi“ beschrieben wird. Es gibt offiziell jedoch keine Ethnie dieser Bezeichnung und alle Google-Resultate zu diesem Suchbegriff führen lediglich zu Seiten, die Scotts frühere Selbstdarstellung wiederholen.
Ein weiterer Warnhinweis ist darin zu sehen, dass Scott zwar behauptet(e), Cherokee zu sein, aber bei Medizinleuten aus mehreren Ethnien gelernt haben will – dies findet sich nur bei Plastikschamanen. Zusätzlich ist als Warnhinweis zu werten, dass Scott Lakota-Spiritualität und Lakota-Zeremonien verkauft und nicht etwa die der Cherokee, und dass er einen Namen in der Sprache der Lakota angibt, aber keinen in der Sprache der Cherokee.
Mindestens in einem Vortrag beim Infomed-“Weltkongress“ hat Scott offenbar auch behauptet, er unterhalte in mehreren Kliniken in den USA Ambulanzen. Gerne dürfen auch seine SchülerInnen Werbung für seine Auftritte als „Heiler“ machen, der „Heilsitzungen für diejenigen [gibt], die ein schwieriges Thema, eine Krankheit oder andere Herausforderungen mit sich herumtragen“; der Einzeltermin umfasste eineinhalb Stunden, pro Stunde war ein „Ausgleich“ von €110 fällig.
Scott bezeichnet sich ebenfalls als „Chief“ (Häuptling) der Lakota. Üblicherweise sollte er daher angeben können, durch wen eine Ernennungszeremonie durchgeführt wurde und wer seine offiziellen Zeugen sind. Wie NAFPS ermittelte, gibt er für die Ernennungszeremonie eine Person an, die gar nicht über entsprechende Rechte verfügt; die von ihm benannten Zeugen sind entweder bereits verstorben oder selbst bekannte Plastikschamanen. Das ist nun doch irgendwie etwas suboptimal, aber der zahlenden Kundschaft unbekannt.
Bei Seminarankündigungen in Europa wird dies nochmals ordentlich hochtoupiert:
Phillip, selbst teilweise indianischer Abstammung (Oklahoma Tsalagi – Cherokee-Stamm), wuchs bei einer traditionell lebenden Lakota-Familie (Sioux) auf. […] Er ist Stammeshäuptling und von seinem Stamm beauftragt, indigene Weisheiten und traditionelle Heilpraktiken mit der Mitwelt zu teilen.
Warum sollte ein Cherokee bei einer traditionellen Lakota-Familie aufwachsen? Müßige Frage: es stimmt ja auch nicht. Ebenso ist er kein „Stammeshäuptling“ und auch nicht von „seinem Stamm“ (welchem jetzt?) zu irgendwas beauftragt. Im Gegenteil sind solche Behauptungen ein sehr sicherer Hinweis auf einen Plastikschamanen.
Bei NAFPS fand man auch auffällig, dass Scott einige Begriffe aufnimmt, die auf Carlos Castaneda zurückgehen, einen der bekanntesten Plastikschamanen und Geschäftemacher. Außerdem wurde die Abschrift eines Vertrags eingestellt, den SchülerInnen von Scott unterzeichnen müssen; im Vertrag wird besonderer Wert darauf gelegt, dass pünktliche Zahlungen höchst erwünscht, Rückzahlungen nicht vorgesehen sind und vor allem Scott eine Stellung als oberste Instanz zuzugestehen ist. Scott vermischt indigene mit keltischer Spiritualität – auch auf seiner Webseite, auf der auch CAM-Praktiken erwähnt werden.
Bei NAFPS eingegangene Erfahrungsberichte ehemaliger SchülerInnen erwähnen, dass Scott seine Anhänger häufig beschimpft und psychische Gewalt ausübt, gelegentlich soll es aber auch zu physischer Gewalt, teils sogar mit Verletzungsfolgen kommen , und Scott soll insgesamt sehr manipulativ mit den SchülerInnen umgehen.
Insbesondere mit Neumitgliedern soll Scott so verfahren, um diese psychisch zu brechen; die SchülerInnen ertragen es häufig, da sie Gebühren im Voraus entrichtet und sich vertraglich verpflichtet haben. Ebenfalls wurde berichtet, dass Scott regelmäßig versucht, Unfrieden zwischen Ehepaaren sowie zwischen Eltern und Kindern zu stiften. Diesen Berichten zufolge soll Scott anfänglich Schüler von Chogyam Trungpa gewesen sein, der höchst kontrovers gesehen wird, da er sexuelle Beziehungen zu vielen Schülerinnen unterhielt und offenbar intensiv dem Alkohol zusprach. Ferner gibt es bei NAFPS Beiträge von Teilnehmern, die von verschiedenen gesundheitlichen Problemen (u.a. Dehydrieren) nach von Scott geleiteten Schwitzhütten berichten. Wie NAFPS aus Berichten erfuhr, soll Scott ebenfalls sexuelle Kontakte zu Schülerinnen unterhalten, obschon seine Lebensgefährtin ebenfalls in seine Geschäftsaktivitäten eingebunden ist; anscheinend legt Scott aber besonderen Wert darauf, sich vornehmlich um gutsituierte Damen zu kümmern und möchte diesen augenscheinlich beim Tragen der schweren Brieftasche behilflich sein.
Scott und Russell wurden wiederholt von Infomed als Referenten eingeladen, so etwa in den Jahren 2014 und 2016 (Scott) bzw. 2013, 2014, 2015 (Russell); Russell war bereits 2006 und 2007 Referent bei Infomed (damals noch Institut EthnoMed). Auch bei sogenannten „Studentenfortbildungen“ und Seminaren des EthnoMed bzw. Infomed traten beide bereits auf.
Da kann man den Infomed e.V doch nur zu seiner sorgfältigen Auswahl der eingeladenen Referenten beglückwünschen – wir haben es eben rundum mit Profis und Hochkarätern zu tun.