Ute Parsch hat in der jüngsten Homöopathie-Diskussion bei der Badischen Zeitung darauf hingewiesen: Eine Arbeitsgruppe der bekannten Versorgungsforscherin Frau Prof. Witt – ehem. Berlin, jetzt Zürich – hat ermittelt, dass Homöopathie den Krankenkassen keine Kosten spart. Im Gegenteil: sie verursacht kräftig Zusatzausgaben. Die Arbeit ist bei PLOS ONE erschienen, d. h. sie ist allgemein zugänglich.
Daten von 44.550 Patienten wurden ausgewertet. Die Gesamtkosten lagen in der Homöopathiegruppe nach 18 Monaten höher (im Mittel bei 7.207 EUR) als in der Vergleichsgruppe (5.857 EUR). […] Das galt für alle Diagnosen. [1]
Der interessante zeitliche Verlauf hier:
Wie das? Hieß es nicht tönend: „Kostenersparnis durch Vermeidung teurer schulmedizinischer Behandlungen“ (s. hier)? Aber die Wissenschaft ist nicht um Antworten verlegen. Das liegt nämlich an der Ganzheitlichkeit. Jedenfalls wurde gehörig Gehirnschmalz in diese Hypothese investiert:
Im Allgemeinen folgt die homöopathische Behandlung einem holistischeren Ansatz, der den ganzen Menschen und dessen Ressourcen berücksichtigt. Dieser Ansatz könnte dazu führen, dass ebenfalls weitere somatische oder psychische Störungen diagnostiziert und behandelt werden, und dass Patienten häufiger krankgeschrieben werden, um ein Ausruhen zu ermöglichen. Dieser holistischere Ansatz könnte zu weiterer konventioneller Behandlung mit zusätzlichen Kosten geführt haben.
Zunächst: es kann somit nicht unterstellt werden, dass die Homöopathie die Probleme löst, die sie „aufdeckt“. Und wie soll man sich das eigentlich konkret vorstellen? Der eifrige Homöopath, immer auf der Jagd nach der lukrativen Folgekonsultation: „Sie Ärmste(r), das ist ja schrecklich. Sie müssen sich ausruhen! Gehen’s zum Arzt, lassen Sie sich krankschreiben. Und kommen Sie in zwei Wochen wieder vorbei.“
Doch es bieten sich weitere Erklärungen an. Homöopathie macht krank, vor allem psychisch krank:
In den Monaten 1-3 hatten die homöopathischen Patienten 126,2% [2] mehr Diagnosen als die Kontrollen. Der größten Unterschied zwischen den Gruppen fand sich bei den psychischen Störungen (38.9%).
Oder gar: wer sich auf die Homöopathie stürzt, ist psychisch krank?
Im Ernst: etwas weniger ätzend formuliert, ist dies eine plausible Hypothese. Die Homöopathie-Patienten hatten vorher einen „integrierten Zusatzvertrag“ (integrated care contract) mit ihrer Krankenkasse abgeschlossen. Sie stellten also keine repräsentative Stichprobe aus der Grundgesamtheit der Versicherten dar, sondern eine Untergruppe, die vergleichsweise besorgter die eigene Befindlichkeit beobachtet und schneller als andere den Arzt aufsucht. Der Zusatzvertrag hat die Schwelle zum Arztbesuch gesenkt, weil er leichteren Zugang zu „Pflanzlichem“ versprach.
Andererseits, oder zusätzlich, könnten sich die teilnehmenden Ärzte womit auch immer (IGeL? Hufeland-Liste?) ein ordentliches, unverhofftes Zubrot gegönnt haben. Ein Blick in den gemeinten IV- oder Selektivvertrag würde die Phantasie anregen; aber wir werden wohl nichts Genaues dazu erfahren. Wer auch immer da jetzt die Kosten treibt, sei es nun der multipel sieche Homöopathie-Anwender oder der ökonomisch denkende Arzt: in jedem Fall konnten die Autoren keinen Zusammenhang zwischen einer höheren Inanspruchnahme und einem besseren Gesundheitszustand herstellen. Aber man kann nicht sagen, dass sie sich nicht redlich bemüht hätten.
Wahrscheinlich war die Studie falsch konzipiert. Um eine Kostenersparnis nachzuweisen, hätte man die Homöopathie nicht zusätzlich zur „konventionellen“ Medizin anwenden sollen. Prof. Edzard Ernst weist häufiger darauf hin, dass der Vergleich A+B versus B im allgemeinen unsinnig ist. Für das angestrebte Ziel wäre es einzig sinnvoll gewesen, die Homöopathie statt der wissenschaftlichen, „normalen“ Medizin anzuwenden.
Die Arbeit hat auf PLoS One auch einen Leserkommentar:
One primary argument in favor of homeopathy bites the dust.