Versicherungsschutz in homöopathischen Dosen – “Anderweitige Absicherung im Krankheitsfall” und Rechtsanspruch
Die Asterix-Einleitung ist zwar schon ziemlich abgegriffen, aber einmal soll sie doch noch herausgeholt werden, weil sie hier so schön passt: Wir befinden uns im Jahre 10 nach dem Fliegenden Spaghetti-Monster und im Jahre 6 nach der allgemeinen Versicherungspflicht, Ulla sei’s gedankt. Ganz Deutschland ist versichert … Ganz Deutschland? Nein! Ein paar von mathematisch herausgeforderten Anthroposophen besetzte Buchenholz-Tische hören nicht auf, dem Sirenengesang der funktionierenden Absicherung im Krankheitsfall Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die nebenamtlichen Kassenfunktionäre, die mit nichts als rudimentären Satzungen zu Entscheidungen über Leben, Hammerzehen und Tod in Heidelberg, Freiburg, Bremen und Magstadt (Where the F**k?) zusammenkommen.
Ich bin richtig stolz auf die Asterix-Analogie, weil es eine Menge Parallelen gibt: Das kleine, gallische Dorf, das sich jeglichem technologischem Fortschritt stur entgegenstellt, einfach aus Prinzip, das hoch entwickelte bürokratische System der Römer und nicht zuletzt die Misteln in Miraculix’ Zaubertrank. Allerdings beschränkten sich gesundheitliche Probleme in dem kleinen gallischen Dorf auf Polytrauma durch spontanen Hinkelsteineinschlag und gelegentliches Wechseln der Hautfarbe(n) (vgl. “Asterix und der Kampf der Häuptlinge”) – ohne hier die Evidenz zu kennen, traue ich mich zu sagen, dass sich Misteln in diesen Fällen als traditionelles Arzneimittel bewährt haben dürften.
Was aber, wenn man als Mitglied einer Solidargemeinschaft unerfreulicherweise dazu gezwungen ist, sein gallisches Dorf, in dem ganz eigene moralische Maßstäbe herrschen (Bin ich eigentlich die Einzige, die sich wegen der regelmäßigen Zwangsfixierung von Troubadix wundert? Das sollte sich mal eine deutsche Akutpsychiatrie erlauben.), zu verlassen und sich ins Römische R … äh … in die reale Welt zu begeben? Nehmen wir einmal eine der Widrigkeiten, die zum normalen Alltags eines gut ausgebildeten (hö, hö) Absolventen von Novalis und Paracelsus gehören dürfte: Das Arbeitsamt.
Leider können wir nicht Mäuschen spielen, wenn eben jener Leistungsträger seiner freundlichen Sachbearbeiterin auseinandersetzt, dass er sehr wohl krankenversichert ist – nur besser, weil ganzheitlich. Wir können uns aber vorstellen, was die freundliche Sachbearbeiterin darauf entgegnen möchte. Ich vermute, es kommen die Silben “Bull” und “Shit” darin vor. Denn die Solidargemeinschaften sind – entgegen anderslautender Beteuerungen – keine “anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 5 SGB V”, sie sind schlicht gar keine Absicherung im Krankheitsfall.
Zur Erklärung: In Deutschland hat man versichert zu sein. Punkt. Meistens ist man gesetzlich versichert, hin und wieder privat. Und ganz, ganz selten ist man “anderweitig abgesichert”, nämlich z.B. dann, wenn man als Soldat dient (oder aus anderen Gründen jemanden totgeschossen hat) und deswegen Leistungen der freien Heilfürsorge bekommt. Oder man ist Postbeamter und alt, dann ist man wahrscheinlich in der Postbeamtenkrankenkasse (die, um die betagten Postbeamten noch zusätzlich zu verwirren, weder eine gesetzliche Krankenkasse noch eine private Krankenversicherung, sondern eine schnöde Behörde ist). Gegebenenfalls hat es Einen auch in die Dienste des materialisierten Bösen, das heißt in das US-amerikanische Militär, verschlagen, dann kommt man in den Genuss von TRICARE und der seltenen Gelegenheit, Michael Moores “Sicko” mit ganz anderen Augen zu sehen.
Im Großen und Ganzen war’s das dann auch mit der “anderweitigen Absicherung” im Krankheitsfall. So wahnsinnig viele Ausnahmen von der Versicherungspflicht in GKV und PKV gibt es nicht und alle unterscheiden sie sich von dem Sujet dieser Serie in einem wesentlichen Punkt: In allen Formen “anderweitiger Absicherung” gibt es einen Rechtsanspruch auf Leistungen. In “Solidargemeinschaften” wird dagegen viel geredet. Über die diesjährige Mate-Ernte, Kinderärzte, die “autonome Impfentscheidungen” unterstützen, den Hammerzeh vom Henner und – wenn noch Zeit bleibt – hin und wieder auch über Geld. Wenn mal jemand die Frechheit besitzt, krank zu werden, dann kann er das ja am Buchenholz-Tisch ausbreiten und die anderen sind dann wirklich willens sich die Sache mal durch den Kopf gehen zu lassen.
Ganz feste versprochen, also? Nun ja, darauf würde ich im Krankheitsfall nicht bauen wollen, aber da die Artabana-, Samarita-, Solidarkunst- und Solidago-Mitglieder sich gegenseitig ja auch ganz feste versprechen, nicht krank zu werden, sollte das funktionieren. Und falls dann doch mal jemand krank wird (Frevel!), dann entscheiden alle zusammen darüber, ob der jetzt zum Arzt gehen darf, oder ob nicht vielleicht doch der Henner, der auch bei Paracelsus doziert, die Aprikosenkerne rausholen soll. Weil das Zwischenmenschliche da sowieso viel wichtiger ist als echtes ärztliches Know-How.
Ich bin ja immer für Abstimmung und Demokratie und solche Sachen. Funktioniert super für mich. Ich rede schnell, viel und gerne und hab’ wie die meisten meiner Altersgenossen durch die Fernsehwerbung die wichtigsten Regeln der Massenkommunikation verinnerlicht (Gib! mir! dein! Geld!). So’n Treffen auf der Agora, bei dem ich mit einer mitreißenden Rede meinen Mitbürgern die Tränen in die Augen treibe, wäre für mich ein Heimspiel. Wenn aber dieses unschöne, haarige Muttermal da auf meiner linken Po-Backe anfängt, wie die Umrisse von Groß-Britannien auszusehen, will ich es nicht vorzeigen müssen, damit darüber abgestimmt werden kann, ob ich damit mal zu einem Arzt gehen kann. Und schon gar nicht will ich darum bitten müssen. Dass die GKV per Gesetz und die PKV per Vertrag in so einem Fall verpflichtet sind, Knete rüberwachsen zu lassen, ist eine beeindruckende soziale und rechtsstaatliche Errungenschaft. Dass es Gerichte gibt, die meinen Anspruch gegenüber den Kassen und Versicherungen konkretisieren und durchsetzen können, lässt mich nachts besser schlafen. Die Mitglieder der Solidargemeinschaften scheinen die gesundheitsförderliche Wirkung von Schlaf nicht so zu schätzen wissen, weswegen ich an dieser Stelle dann doch mal für den Erhalt der Solidargemeinschaften plädieren möchte. Denn zu wenig Schlaf macht krank und ich bin lieber solidarisch mit Menschen, die ihre Gesundheit nicht so leichtfertig auf’s Spiel setzen.