Das Trommelevent 2015 hatten wir ja bereits gewürdigt. Nun soll Anfang Juni 2016 ein weiteres Trommelevent diversen Plastikschamanen, Zeremonieverkäufern und Scharlatanen eine Gelegenheit zur Selbstdarstellung und Kundenakquise bieten.
Wiederum organisiert Norbert Grüner das Event und sammelt zum Trommeln „für Mutter Erde“ (für wen denn auch sonst…) ganze Schamanenseilschaften ein. Grüner scheint zwar nicht unbedingt Erfahrung mit dem Organisieren solcher Events zu haben; es schaut so aus, als ob er vor 2015 auf diesem Gebiet auch nicht tätig war. Das deutet nicht gerade auf umfangreiche Joberfahrung hin, aber nun gut: auch Zwerge haben klein angefangen.
Ebenso wie im letzten Jahr wird flankierend ein Kunsthandwerkermarkt stattfinden, auf dem esoterischer Schnickschnack verkauft wird. Etliche der teilnehmenden Schamanen waren auch 2015 schon dabei, so z.B. Viola Flambé, die sich White Buffalo Woman nennt und nicht nur indigene Zeremonien wie Schwitzhütten und Visionssuchen im Angebot hat, sondern auch germanische Runen und keltischen Klimbim.
Ebenfalls wieder dabei ist der Münchner Manfred Jobst oder „Wacha Nabi“, der behauptet, sein Großvater sei Chickasaw gewesen. Jobst weist aber auf seine Ausbildung bei einem Zeremonieverkäufer aus der kanadischen Ethnie der Blackfoot hin, die er mit einem Heilpraktikerschein kombiniert. Anscheinend ist sein Geschäft aber nicht ganz so lukrativ wie erwünscht, da ein Artikel im „Müncher Merkur“ vom 4.9.2014 erwähnt, dass er als Autoteileverkäufer arbeite, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Und wenn man schon arg um Kundschaft für seinen Schamanenladen buhlt, achtet man wohl recht wenig darauf, mit wem man gemeinsam öffentlich auftritt. Im Fall von Jobst ist das z.B. die Teilnahme an einem esoterischen Event, den 10. Erlebnis- und Lichttagen vom 1.-3. Mai 2015, bei denen auch Armin Risi und Jeet Liuzzi als Referenten auftraten. Liuzzi berichtete über das Event auch in seinem YouTube-Kanal. Sowohl Risi als auch Liuzzi propagieren diverse Verschwörungstheorien und haben Verbindungen nach rechtsaußen.
Das Trommelevent findet folgende Beschreibung für Jobst: „Ein großes Anliegen ist es ihm die Riten und Ceremonies aus dem Halbdunkel zu holen und sie den Menschen nahe zu bringen.Was ist eine Schwitzhütte? Wie läuft eine Visionssuche ab? Was ist ein Sonnentanz?“ Interessant formuliert ist das schon: in welchem „Halbdunkel“ sollen sich die Zeremonien eigentlich aufhalten? Oder ist damit das Bestreben indigener Ethnien gemeint, ihre Zeremonien zu praktizieren, ohne dass weiße Kulturräuber sich diese aneignen? Und „sie den Menschen nahe zu bringen“? Da liegt die Frage nahe, wen die Trommelorganisatoren denn so als Menschen sehen – und wen nicht.
Ein weiterer Plastikschamane ist Remi Balleisen, der u.a. Trollöl verkauft, Blockaden löst und Chakren bearbeitet. Darüber hinaus „entfernt“ er noch Flüche und Besetzungen, löscht Namen und betreibt Geistheilung, geistige Aufrichtung sowie Tierkommunikation. Außerdem bietet er Trommelbaukurse sowie sogenannte Drachentrommeln an, die man bei ihm selbst bauen oder bauen lassen kann. Ein Kurs für den Bau einer üblichen Trommel von ca. 52 cm Durchmesser beläuft sich dabei auf € 290 inklusive Material und Schlegel, während bei einer Drachen- bzw. Heiltrommel von 80 cm Durchmesser gleich € 1.900 aufgerufen werden. Na klar, die ist ja auch für Wiederverkäufer, die selbst ins Schamanenbusiness einsteigen werden und daher kräftiger zur Kasse gebeten werden können. Für den 23. April 2016 bewarb Balleisen ein „exclusives Schamanen Seminar“ [sic] in Dänemark, an dem er neben Jens Lyberth alias Angaangaq, einem in Kanada lebenden grönländischen Plastikschamanen auftrat.
Flambé, Jobst und Balleisen haben außer ihrer Tätigkeit als „Schamane“ noch etwas gemeinsam: sie sind (teils langjährige) Referenten und Seminarleiter bei Labegu, dem Begegnungslädchen in München. Auch das Labegu ist als Aussteller beim Trommelevent präsent. Das ist offenbar aber nicht „Eine Hand wäscht die andere“, sondern eben „Wir sind alle verwandt – Mitakuye oyasin“.
Schauen wir doch mal auf den Rest der Labegu-Seilschaft: eine der Referentinnen beim Trommelevent wird Anna-Barbara Ruzicka sein, die über „Astrologie der neuen Zeit und Venuscode“ schwurbelt – wie auch im Labegu. Rolf Baldur präsentiert im Labegu seine „andere Geschichte der Welt“, und zwar umfassend „Von Atlantis bis heute“. Beim Trommelevent ist er als Druide gemeldet und wird über „Leylines – Drachenwege – Heilige Plätze und Erdenhüter – Warum die Mutter Erde Rituale braucht!“ sprechen.
Bernhard Dombrowski trägt hier wie dort über „Huna“ vor, das er zur „Psychologie“ erhebt. Schließlich noch die Labegu-Referentin Marion Miller, die sich als „Maya-Priesterin“ bezeichnen lässt und seit mehr als 20 Jahren „Maya-Wissende“ sein will; „sie sammelt, wiederbelebt und teilt traditionelles und modernes Wissen der Maya“. Miller skizziert in einem Video übrigens ihren Weg vom „Indianer-
Hobbyismus“ (sie hat nach eigener Aussage schon über 200 Tipis genäht) zum Plastikschamanismus. Sie will von einem „Maya-Rat“ anerkannt sein, der sie außerdem beauftragt habe, „die Lehren“ in Europa weiterzugeben. Szenekonform sieht sie offenbar die diversen Maya-Völker als Einheit an, was weder historisch noch heutzutage anzutreffen ist.
Und die Verwandtschaft wächst beständig: ein weiterer Aussteller beim Trommelevent ist Peter Strauss – laut Vorstellung auf seiner Webseite offenbar ein Mann mit vielen Talenten:
Meine Jugendzeit war geprägt von Verweigerung und Nichtanpassung : irgendwann habe ich das Abitur für Landwirtschaft gemacht – als einziges gesellschaftlich anerkanntes Papier.
Gearbeitet habe ich in der Landwirtschaft, Schafe und Ziegen gezüchtet, als Hirte, als Glasmacher und freischaffender Künstler, als Hausmeister in einer Schule. Ich habe einen Naturkostladen geführt und Jugendliche erlebnis- und wildnispädagogisch betreut.
Nunmehr ist Strauss seit 2013 Schüler von Jens Lyberth alias Angaangaq – mit dem Balleisen ja gerade in Dänemark ein Wochenendseminar hielt. Daneben betätigt sich Strauss noch als Kräuterhändler, oder sollte es doch besser „Dealer“ heißen? Die „Behandlung“ mit Froschgift beschreibt er auf seiner Webseite ja hübsch und er hat auch noch „Traumkräuter“ der Huichol und Chontal aus Mesoamerika im Angebot, noch etwas von den südafrikanischen Xhosa und zum Abrunden noch drei weitere ungenannte Sorten aus Afrika und je einmal aus Indien und Ägypten.
Ebenfalls beim Trommelevent 2016 vertreten ist Ute Fechter, die eine „Schamanenschule“ betreibt. Ein Artikel in der Süddeutschen nennt sie „diplomierte schamanische Beraterin“. Fechter selbst ist weniger bescheiden und geht auf ihrer Webseite ordentlich in die Vollen: „Dozentin, Ausbilderin, Leiterin für schamanische Seminare und schamanisches Familienstellen in ganz Europa, Tierkommunikation, Autorin. Organisatorin für Veranstaltungen und Kongresse […]. In persönlichen Terminen begleite ich sie gern mit schamanischem Coaching und schamanischen Sitzungen.“ Zudem gibt es noch Trommelworkshops, Mit Pflanzen sprechen, Kraftierseminare, Seelenrückholung, schamanische Extraktion etc. Auch ins ZDF hat Fechter es schon geschafft, in der Reihe „heute in Europa“ gab es am 1.3.2016 einen Bericht über sie und ihre Tätigkeit. Die Aufnahmen entstanden während eines Seminars; der 18tägige Kurs kostet pro Teilnehmer € 4.000. Der Kommentar dazu behauptet, dass Fechter über 300 Schüler habe. Ebenfalls heißt es in dem Bericht, Fechter sei ehemalige Autoverkäuferin.
In ihrer Tätigkeit bezieht sich Fechter zum einen auf Carlos Castaneda, zum anderen gibt es Webseiten, auf denen ihr eine Ausbildung bei der Foundation for Shamanic Studies zugeschrieben wird. Damit praktiziert Fechter offenbar den sogenannten Core-Schamanismus, der behauptet, eine Zusammenfassung weltweit ausgeübter schamanischer Grundtechniken anzubieten, die von jeder Person leicht erlernt werden könnten. Insbesondere wird im Core-Schamanismus bestritten, dass man indigene Zeremonien kopiere: es handele sich um Praktiken, die in früheren Zeiten von jeder Ethnie ausgeübt wurden und die man nun wieder lehre. Dass dies nur eine marktgenehme Verbrämung darstellt, wird z.B. daran deutlich, dass die Benennungen der verkauften Zeremonien durchaus indigenen Sprachen entnommen sind. Die Behauptung, schamanische Zeremonien habe es weltweit gegeben, ermöglicht ferner eine künftige Vermarktung weiterer Zeremonien und Rituale, die im bisherigen Angebot nicht vertreten sind.
Fechters Angebot ist eher an ein Wiederverkäuferklientel gerichtet als an „Endverbraucher“. So bietet sie eine „schamanische Jahresausbildung“ an, die neun Wochenendseminare umfasst. Der szenekonform „Energieausgleich“ bezeichnete Preis liegt bei „€ 3.700 plus 20% MWSt“; eine Trommel-CD und ein Abschlussritual sind inbegriffen. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass Reisekosten, Übernachtung, Essen und Getränke nicht enthalten sind, aber ein Fachbuch zum Kurs erworben werden könne. Als weiteren Kurs bietet Fechter eine sogenannte „Fortgeschrittenen-Ausbildung“ mit acht Kurswochenenden an. Weitere Seminarangebote gibt es zu folgenden Themen: schamanisches Familienstellen, Heilende Hände, Das Lebensmandala, schamanisches Basis-Seminar, Sibirischer Schamanismus, Tierkommunikations-Seminar, Geldfluss-Seminar, Indianisches Herzheilungs-Seminar, Trommelbaukurs, ferner ein Medizinradseminar mit drei Wochenenden à € 220 pro Wochenende.
Die Beschreibung der von Fechter angebotenen Visionssuche verdeutlicht allerdings, dass die Beteuerungen des Core-Schamanismus, nur allgemein vorhandene Zeremonien zu lehren, dort selbst offenbar nicht wirklich ernst genommen werden:
In der kraftvollen Energie der Berge, der Geborgenheit der Wäldern [sic], in freier Natur mit Mutter Erde, erleben wir die traditionelle, indianische Visions-Suche. Wir verlassen die reale, alltägliche Welt und gehen in die Stille, ganz mit sich und den Spirits der Natur.
Allerdings handelt es sich bei der Visionssuche um keine generische indianische Zeremonie, die daher nicht bei allen indigenen Ethnien Amerikas zur Anwendung kam.
Auf ihrer Webseite gibt Fechter mehrere Bücher an, die jedoch alle nicht empfehlenswert sind, da es sich ausschließlich um Veröffentlichungen von Plastikschamanen wie Tom Cowen, Bear Hart, Jeanne Ruland, Serge King, Dhyani Ywahoo, Summer Rain bzw. Esoteriker wie Geseko von Lüpke handelt.
Fechter erhielt sogar von der Gemeinde Weilheim offizielle Weihen – sie durfte im Senioreninfo, Ausgabe 2010, gleich auf Seite 4 eine Anzeige schalten, in der sie ihr Unternehmen als „Schamanische Schule und Lebensberatung“ und sich als „Diplomierte Beraterin“ vorstellte. Ebenfalls geht aus dem Inserat hervor, dass sie durch die Foundation for Shamanic Studies ausgebildet wurde, da sie den „CSC Certified Shamanic Counselor, nach Michael Harner“ beansprucht.
Auch auf dem von Infomed, früher Ethnomed (die die Münchner Unis räuchern) veranstalteten sogenannten „Weltkongress“ 2014 trat Fechter als Referentin auf.
Bereits am Vorabend, am 9. Juni 2016, wird eine Ausstellung mit Werken von Arne Vierlinger eröffnet. Schauen wir einmal darüber hinweg, dass der Begriff Vernissage nicht mit „Sektempfang“ zu übersetzen ist, wie auf der Webseite des Trommelevents, aber wie oben schon angemerkt, fangen auch Zwerge klein an.
Der Ankündigung ist zu entnehmen, dass Vierlinger von den „kritischen Collagen John Heartfields“ beeinflusst sein will; umso mehr erstaunt dann die Fortsetzung des Satzes: „… mit ein Grund für die heutigen Bilder ist die langjährige Arbeit im esoterischen Bereich und das Interesse an der indianischen Kultur.“ Offenbar hat Heartfield nicht sehr lange vorgehalten – und das Interesse an „Indianern“ nicht lange genug, um mitzubekommen, dass es nicht eine „indianische Kultur“ gibt, sondern viele. Aber das sind vermutlich Marginalien, denn wir erfahren noch, dass „sich das Medizinrad symbolisch zu drehen“ beginnt, wenn man Vierlingers Seite öffnet, und: „Vierlingers Kraftbilder vermitteln die Mythen der Indianer. Die Symbole der Geburtstotems sind zu eindrucksvollen Bildern collagiert, die in die Welt der spirituellen Clans führen. Das Wesentliche des betreffenden Zeichens ist sichtbar gemacht.“ Das ist nun Esoschwurbel vom Feinsten – es gibt keine Geburtstotems, das ist nichts weiter als herkömmliche Astrologie, bei der die üblichen Sonnenzeichen durch vorgeblich „indianische“ Tiersymbole ersetzt wurden. Das geht übrigens auf Vincent LaDuke alias Sun Bear zurück, der damit sein zahlungskräftiges weißes Publikum bediente. Und was „spirituelle Clans“ sind, wollen wir uns dann lieber gar nicht mehr erklären lassen, es kann nur Schwurbelkram ergeben.
Bad Gögging wird also auch 2016 ein Wochenende mit reichlich esoterischem Unfug erleben, bei dem sich viele Aussteller und Referenten darin zu übertrumpfen suchen, der Kundschaft die Kohle aus dem Portemonnaie zu operieren. Den Hintergrundchor dazu gibt vermutlich der Kurbetrieb mit einem leise, aber im Brustton der Überzeugung gesummten „non olet“. Angesichts dessen vergeben wir auch hier gerne unser besonderes Gütesiegel.