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Cannabis – Medizin/Sucht/Mythen/Anekdoten … was uns bewegt

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Groucho,
du fehlst uns

Kaum eine Woche vergeht, in der Cannabis nicht als neues Wundermittel gegen Schmerzen, Depressionen, Schlafstörungen und andere Krankheitsbilder angepriesen wird. Und viele derer, die selbst schon mal konsumiert haben, nehmen dies zum Anlass und melden sich als Experten, oft wenig hilfreich, zu Wort.

Wie auch immer, Tatsache ist, zu diesem viel diskutierten Thema findet sich nur schwer eine neutrale Position. Oft geht es zwischen totaler Ablehnung und absoluter Toleranz. Und daraus folgt die Frage der Ebene, auf welcher diskutiert wird. Im Umgang mit, wie auch in der Diskussion über, psychotrope Substanzen und Sucht werden vielfältige und intensive Gefühle mobilisiert. Ich empfehle jedem vorab, stets auf Psychohygiene zu achten.

Wenn es bei der Diskussion nicht allein darum gehen soll, Gefühle zu artikulieren, dann sollten einige Aspekte beachtet werden, die häufig nicht ausreichend beleuchtet werden.

Wirkstoffgehalt

Die Konzentration des berauschenden Wirkstoffs THC in der Pflanze ist aufgrund von Züchtungen heute viel höher als früher. Es herrscht allgemein Unkenntnis über die erheblichen Unterschiede in den Wirkungsgraden der vielen Sorten.
Der THC-Gehalt des Marihuanas reicht etwa von 1% bis 18%. Manche in Gewächshäusern und unter professionellen Anbaubedingungen mittels künstlicher Beleuchtung, Spezialdüngung und Hydrosystemen kultivierten Sorte können aber auch noch stärker sein. Dies führt dazu, dass der Anteil des psychotropen Hauptwirkstoffs THC im Marihuana im letzten Jahrzehnt deutlich angestiegen ist (Quelle: European Monitoring Center for Drugs and Drug Addiction. Annual Report 2014. The state of the drugs problem in Europe. Lisbon: EMCDDA; 2014)

Ein anderer Wirkstoff, das CBD, ist hingegen in vielen Züchtungen nicht mehr vorhanden [1]. Insbesondere den Cannabisprodukten mit hohem THC- und niedrigem CBD-Gehalt werden bei Menschen mit entsprechender Prädisposition unerwünschte gesundheitliche Folgen zugeschrieben [2] 

Cannabisassoziierte Störungen

Auch, dass cannabisassoziierte Störungen vor allem bei Jugendlichen aufgrund der Konsumqualität und des frühen Einstiegsalters drastisch ausgeprägt sein können, wird selten diskutiert.
So wurde im Journal of Child Psychology and Psychiatry eine aktuelle Forschungsarbeit veröffentlicht, in der über vier Jahre bei 2.566 Jugendlichen die Zusammenhänge zwischen kognitiver Entwicklung, Gebrauch von Substanzen und psychiatrischen Erkrankungen untersucht und bewertet wurden. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass bei einer Steigerung des Marihuanakonsums auf wöchentlichen oder täglichen Konsum eine Erhöhung des Risikos für psychoseähnliche Erfahrungen (PLE) um 159 % möglich ist [3],[4].

Dabei können die Dosis, die Dauer der Exposition und das Alter bei der ersten Exposition gegenüber Cannabis wichtige Faktoren sein, die das Risiko einer psychotischen Störung  verstärken.

Symptome einer Depression vermittelten teilweise den longitudinalen Zusammenhang zwischen Cannabisgebrauch und PLE bei Jugendlichen. Das deutet darauf hin, dass möglicherweise eine präventive Wirkung durch die Berücksichtigung von Symptomen der Depression erreicht werden kann; neben dem Versuch der Verhütung von Cannabisgebrauch bei Jugendlichen mit zunehmenden psychotischen Erfahrungen. Quelle: Bourque J, Afzali MH, O’Leary-Barrett M, Conrod P. Cannabis use and psychotic-like experiences trajectories during early adolescence: the coevolution and potential mediators. J Child Psychol Psychiatr. 5 July 2017.“, weitere Quellen:

 

Positives Image

Versucht wurde und wird, auch tendenziell suchterzeugende Substanzen als Beitrag zum Wirtschaftswachstum mit medizinischen Argumenten zu etablieren. Marihuana ist zum Liebling vieler Gruppierungen geworden. Es wird gerne und oft assoziiert mit persönlicher Freiheit, Genuss- und Heilmitteln, Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen. Sogar zur Rettung kleinbäuerlicher Betriebe wurde die Substanz schon ins Spiel gebracht: Hanf statt Mais. Das kolportierte Image: Cannabis steht für Hoffnung, Fortschritt, Aufgeschlossenheit. Folgt man den spektakulären und teils euphorischen Artikeln und Erfahrungsberichten, so gewinnt man gelegentlich den Eindruck, dass Marihuana von einer illegalen Droge zum Rettungsmittel der Nation umstilisiert werden soll.

Nicht abzustreiten ist, dass Menschen seit Jahrtausenden psychoaktive Substanzen in unterschiedlichen Formen und Zubereitungen einnehmen, um Bewusstsein und Wahrnehmung zu verändern. Die  kulturelle Akzeptanz von z. B. Alkohol färbt unser Urteilsvermögen und die emotionale Grundstimmung jedweder Diskussion, die über diverse Substanzen geführt wird.

In Europa darf man davon ausgehen, dass diese Prägung auch durch religiös akzeptierte Rituale gefestigt wurde. So war Alkohol schon Bestandteil der Sakramente des Abendmahls. Er wurde zunehmend in das tägliche Leben und in alle möglichen, zum Teil völlig profane, soziale Rituale integriert. Nicht zuletzt wurde und wird Alkohol für ganze Kulturkreise, zusammen mit den beiden anderen allgemein akzeptierten Drogen Nikotin und – weniger schädlich – Koffein, zu einem vielschichtigen Gesundheitsproblem.

Dieses Verständnis ist derart tief verankert, dass die meisten Menschen sich der Probleme und des Risikopotenzials durchaus bewusst sind. Dennoch käme kaum jemand auf die Idee, diese Stoffe grundsätzlich in Frage zu stellen. Versuche einer Prohibition sind allesamt und überall kläglich gescheitert.
Fest steht auch, dass Auseinandersetzungen mit psychotropen Substanzen durch Verbote eine zusätzliche Dimension bekommen. Durch die Illegalisierung wird der Drogenbenutzer kriminalisiert und Wirkungen von Substanzen sind kaum von der Wirkung auf soziale Umstände zu trennen.

Erschwerend kommt  hinzu, dass es keine einheitliche Definition einer „geringen Menge“ an Marijuana gibt, also einer Menge, deren Besitz zum Eigenbedarf straffrei bleibt. Während in Sachsen Mengen bis zu 4 g als geringe Menge gelten, kann man in Hessen unter Umständen auch bei Besitz von bis zu 30 g straffrei bleiben. Diese Mengenangaben sind allerdings nur Richtwerte, an die kein Richter gebunden ist. Ein Anspruch auf Straffreiheit besteht daher für niemanden.

Damit kann man auch sagen, dass gegenwärtig keine zusammenfassende und neutrale Information über die Wirkung von Drogen auf Menschen, jenseits von Kriminalität und Delinquenz, gegeben werden kann.

Völlige Freigabe nicht sinnvoll

Sicher falsch ist die Grundannahme, dass eine komplette und allumfassende Legalisierung jedweder von Konsumenten geforderten Substanzen alle Probleme lösen würde, wie schon das Beispiel Alkohol signifikant beweist. Die Erforschung der tatsächlichen Wirkungen von Cannabis ist und bleibt in einem Spannungsfeld zwischen einem glorifizierendem Mythos und ernüchternder Wirklichkeit. Häufig werden Gefahren, Risiken und durchaus bekannte Auswirkungen weitgehend bagatellisiert oder ignoriert. Und man geht bisweilen soweit, dass man Bedürfnisse schwer kranker Menschen instrumentalisiert, um dem Thema Aufmerksamkeit und Dynamik zu verschaffen.

Instrumentalisierung der Medizin

Und damit nähern wir uns auch der Thematik und der Diskussion der bisherigen Blog-Beiträge zu Cannabis, welche eben die Legalisierung einer Substanz beleuchten,  welche auf den  Weg gebracht wurde unter dem Deckmantel vielfältig behaupteter, aber nie hinreichend erwiesener therapeutischer Wirkungen, unter Missachtung aller bisher gebräuchlichen Standards. Dass diese Substanz neben einer vermutlichen therapeutischen Potenz ebenso ein nicht unbeträchtliches Risikopotenzial in sich trägt, dass es Möglichkeiten des – dann staatlich subventionierten – Missbrauchs geben wird, Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit und vieles andere, wurde nicht berücksichtigt. Dies lässt viele Menschen mit großen Fragezeichen über dem Kopf zurück. Vor allem diejenigen, die sich mit juristischen, medizinischen und sozialen Aspekten von Marijuana konkret und praktisch befassen müssen.

 Zitat Hermann Hesse: Heute liegt die politische Vernunft nicht mehr dort, wo die politische Macht liegt. Es muss ein Zustrom von Intelligenz und Intuition aus nicht offiziellen Kreisen stattfinden, wenn Katastrophen verhütet oder gemildert werden sollen”.

In Kontext unserer Beiträge bedeutet das: wo die drogenpolitische Macht liegt, hat sich politische Vernunft schon lange verabschiedet. Wer heute vom Drogenelend redet, meint in Wahrheit das allzu offensichtliche Elend nationaler, wie auch internationaler Drogenpolitik. Es gibt sicher keinen Königsweg. Aber es gibt ohne Zweifel viele Holzwege.

Der Begriff der Droge

Infolge der unausweichlichen emotionalen Wertung ist es schwierig, Informationen anzubieten, ohne dass diese als eine völlig Befürwortung oder totale Ablehnung gegenüber dem jeweiligen Drogenkonsum aufgefasst werden. Schon der Begriff „Droge“ ist eigentlich ein unglücklicher Kompromiss. Wenn von Drogen oder Rauschgift die Rede ist, handelt es sich in der Regel um Begriffe, welche üblicherweise in Gesetzestexten zur Klassifizierung und Beschreibung nicht verkehrsfähiger und psychoaktiver Substanzen verwendet werden. Alkohol und Nikotin gehören nicht dazu. Und im pharmazeutischen Kontext sind Drogen Rohstoffe, aus denen Arzneimitteln hergestellt werden.

Die Tatsache, dass auf jeden Rauschgiftabhängigen in europäischen Ländern zehn Medikamentenabhängige und ungefähr fast 100 Alkoholabhängige diagnostiziert werden, sollte nicht vergessen werden. So gesehen ist der Begriff Drogen sehr unscharf und lässt keine Rückschlüsse auf die Eigenschaften einzelner Substanzen zu. Ist dies Anlass zu einer völligen unreflektierten Freigabe … natürlich nicht. Ist es die Grundlage zur vorauseilenden globalen Dämonisierung … auch nicht sinnvoll.

Substanzen sind nicht per definitionem schlecht. Allein die Bedeutung, die wir Menschen ihnen geben, und was wir mit ihnen tun, ist relevant. Die Ansichten und Meinungen von Konsumenten und Befürworten sind in der Regel dominiert von subjektiven und persönlichen Bedürfnissen und weniger von substanziellem Wissen über Risiken und Folgen. Der Mangel an Informationen und Wissen wird dann durch emotionalen Aufruhr kompensiert.

Wer oder was hat den Gesetzgeber geritten, pardon getrieben?

Die inhaltliche Ausgestaltung und die Art und Weise der Verabschiedung der neuen gesetzlichen Regelungen zur Verwendung von Cannabis in der Medizin lässt vermuten, dass die Protagonisten nicht frei von den beschrieben Denkweisen sind. Die resultierenden Grauzonen und Freiräume sind Anlass zur Sorge.

Es ist kein großes Geheimnis, dass der Cannabisverbrauch schon heutzutage ein quantitativ hohes Niveau hat. Mit seiner weiteren Zunahme muss auch mit der Zunahme negativer Folgeerscheinungen gerechnet werden. Zu beobachten ist auch, dass gegenüber früheren Generationen von Konsumenten die Bereitschaft/Anfälligkeit wächst, auf härtere Stoffe in der Hierarchie der Drogen zuzugreifen. Gab es früher Konsumenten, die Cannabis genutzt haben, ohne auf Heroin oder die heute populären Amphetamine umzusteigen, sieht das heute etwas anders aus. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Alkohol und Nikotin ist keine ausreichende Begründung dafür, offenkundig und tendenziell suchterzeugenden Substanzen zu einer scheinbaren Normalitäten im Alltag verhelfen zu wollen.

Und auch wenn Alkohol eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz besitzt und einige Konsumenten gerne medizinische Aspekte als Legitimation für ihren Konsum ins Feld führen: man denke an das French Paradoxon; niemand käme auf die Idee, Alkohol als erstattungsfähige Kassenleistung verordnungsfähig zu machen.  Bei Cannabis hat es funktioniert, und das ohne jede evidente Datenlage und offizielle Indikationen. Der Ansturm auf entsprechende Ambulanzen und die geäußerten Wünsche lassen erkennen, wohin die Reise gehen wird. Der Autor dieses Artikels hatte schon einen Patienten mit Juckreiz, welcher ihn von der starken Einschränkung seiner Lebensqualität zu überzeugen versuchte, um an Cannabis zu kommen.

Optimistic Bias


Die Motive zur Rauscherzeugung, wie Realitätsflucht, Schmerzvermeidung, Stressabbau, Lustgewinn, Langeweile, Abbau von Hemmschwellen … whatever, lassen Menschen je nach Prädisposition, seelischer Befindlichkeit und sozialem Kontext mit den verfügbaren Substanzen in die Steuerung ihrer Gefühlslage eingreifen. Dieser Grundsatz gilt für jede Substanz, ohne Ausnahme.

Der gesamtgesellschaftliche Kontext und die Notwendigkeit einer sachlichen und differenzierten Auseinandersetzung werden jedoch gerne verdrängt, verleugnet und durch pauschale Kampagnen Pro oder Contra ersetzt. Das körperliche Abhängigkeitspotenzial von Cannabis ist tatsächlich eher gering, die Ausbildung von Toleranz und psychischen Abhängigkeitspotenzial von Cannabis wird dagegen durchgängig und gewaltig unterschätzt und bagatellisiert.

Ein sogenannter „Optimistic Bias“, also die selbstwertdienliche Verzerrung der Wahrnehmung bezüglich potentieller Gefahren ist stark ausgeprägt. Risiken und Langzeitfolgen, wie die Schädigung der Atemwege, die Verstärkung depressiver Grundstimmungen, die dem ursprünglich erzeugten Wohlbefinden durch den Rausch diametral entgegen stehen, die Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen wie Konzentrations-, Merkfähigkeit, das Verbleiben in psychotischen Zuständen, alles wird ignoriert. „Life-course-persistent“ als Bestandteil eines missbräuchlichen Konsummusters, und als Teil eines sich kumulativ entwickelnden Problemverhaltens wird nicht ausreichend beachtet. (Quelle: Aden, A., Stolle, M. & Thomasius, R. (2011). Cannabisbezogene Störungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen – Diagnostik, Komorbidität und Behandlung, Sucht, 57 (3), 215-230.)

Mögliche langfristige Folgen

Wegen seiner lipophilen Eigenschaften wird THC im Fettgewebe eingelagert. Daher können bei regelmäßigem und intensiven Konsum zum Teil noch bis zu einem ½ Jahr nach Abstinenz Wirkstoffe toxikologisch nachgewiesen werden. Zu den längerfristigen Risiken dauerhaften Cannabiskonsums zählen organische Probleme wie die schon erwähnten respiratorischen und pulmonalen Symptome wie Kurzatmigkeit und chronischer Husten, dazu noch Tumorerkrankungen im Kopf-, Hals- und Lungenbereich oder eine Suppression des Immunsystems [5]. Befunde zu schädlichen Langzeitauswirkungen im Gehirn waren bislang heterogen; neuere Studien deuten jedoch auf eine potenzielle Neurotoxizität hin [6] [7].

Auch Flashbacks, also unvermittelt auftretende kurzzeitige psychische Beeinträchtigungen ohne direkt vorausgehenden Konsum von Cannabis kommen vor. Sie sind allerdings weder phänomenologisch klar beschrieben, noch liegen verlässliche Zahlen über die Häufigkeit dieser Erscheinung bei Cannabiskonsum vor. Erklärungsansätze gehen beispielsweise davon aus, dass die im Körper eingelagerten lipophilen Wirkstoffe freigesetzt werden oder dass konditionierte Reaktionsmuster durch sekundäre Auslöser angestoßen werden, ohne dass der Wirkstoff selbst vorhanden sein muss.

Darüber hat der Konsum von Rauschmitteln wirtschaftliche und sozialpolitische Ursachen sowie tiefgreifende psychosoziale Auswirkungen auf das Leben Betroffener. Die individuellen und persönlichen Motive, weshalb Menschen zu Drogen greifen, gilt es zu ergründen – es gilt nicht, die Drogen unreflektiert zu legalisieren.

Polemik zum Beispiel

Ich bin über ein charakteristisches Beispiel für die gehässige, diffamierende und von Unterstellungen geprägte Polemik gestolpert, mit der die Diskussion von Befürworten auch geführt wird und die mir in der Praxis nicht selten begegnet: die Rezension des Hanfjournals über ein aktuelles Buch des Suchtmediziners Kurosch Yazdi: Kommentar des Hanfjournals auf Kurosch Yazdis aktuelle Publikation
Es wird nicht mit ad-hominem-Attacken gespart:

„Es wäre nur eine Marginalie, wenn das Doktorchen mit seinem „Scheinwissen“ nur örtlich begrenzten Schaden anrichten würde. Doch leider verfügt der bei der Kepler-Universitätsklinikum GmbH angestellte Primararzt über ein von der Gesundheitsindustrie gesponsertes Renommee, das dem Wichtigtuer Tür und Tor für das öffnet, was unter der Rubrik „alternative Wahrheiten“ eingeordnet werden kann.“

„Gönnen wir ihm das kleine Zubrot, das er sich als Gefälligkeitsautor der Gesundheitsindustrie verdienen will.“

„Ganz im Stile der Rechtspopulisten wird die Wahrheit in eine alternative Wahrheit verdreht, die belegen soll, dass hinter den Bestrebungen der  Hanffreigabe eine fiese Verschwörung dunkler Mächte steckt.“

Und der publizierende Verlag wird ohne erkennbaren Zusammenhang mit einer imaginären NS-Vergangenheit in Verbindung gebracht. Was das über die Qualität, die Intention und die Nachhaltigkeit des Buches aussagen soll, erschließt sich wahrscheinlich nicht einmal den Autoren des Artikels.

Man muss wahrhaftig nicht alle Thesen, die der Autor in den Raum stellt, befürworten und übernehmen. Dennoch dokumentiert dies sinnfällig die intellektuelle und emotionale Überforderung der Substanz-Apologeten, mit der sie auf jede Form von Widerstand und Kritik reagieren.
Nun ist diese bösartige anmutende, hämische Semantik nicht repräsentativ für die ganze Szene. Aber bei Hardcore-Befürwortern, welche die Diskussion oft dominieren, ist sie durchaus keine Seltenheit.

Kritischer aber offener Umgang möglich?

Ich persönlich würde mir einen  kritischen und sachbezogenen, aber auch offenen Umgang mit dem Thema Cannabis als Medizin wünschen.
Für Patienten, die seit Jahrzehnten an chronischen Schmerzen leiden, die viele gängige Schmerzmittel in unterschiedlichsten Kombinationen angewendet haben, die multimodale Schmerztherapien hinter sich haben und die dennoch eine nicht zufriedenstellende und anhaltende Schmerzreduktion erleben durften, sollte es eine Option sein können.
Allerdings wurde eben dieses bis dato nicht evident belegt und bestätigt.
Auch aus diesem Grund wurde keine offizielle und verbindliche Indikation in die neue Gesetzeslage verankert. Wie auch und welche? Und eine intensivere Erforschung von kontrolliertem und gesteuertem Konsum von Suchtdrogen wie z. B. Cannabis stößt auch deshalb auf Widerstände, weil davon falsche Signale wie eine Verharmlosung der Substanz erwartet werden.

Viele Patienten, die jetzt mit Hoffnungen, aus denen Erwartungen werden, in die Arztpraxen und Kliniken kommen, um Cannabisarzneimittel verordnet zu bekommen, werden enttäuscht, da Cannabisarzneimittel zur Behandlung ihrer Erkrankung nicht geeignet sind oder noch weitere adäquate Therapieoptionen mit zugelassenen Arzneimitteln bestehen.

Im Grunde genommen deutet sich ein umfangreicher potenzieller Off-Label-Use Sektor an, den die Kassen aber nicht in vollem Umfang mittragen werden. Schlussendlich bleibt es der Verantwortung der Ärzte überlassen, Cannabis als Arzneimittel einzuschätzen.
Während Ärzte bei Dronabinol noch die Möglichkeit des Zugriffs auf bestehende Zulassungen im außereuropäischen Ausland haben, muss die ärztliche Einschätzung zu Cannabisblüten und deren Extrakten allein anhand verfügbarer seriöser Literatur erfolgen. Dies ist eine beträchtliche Herausforderung, denn die Verantwortung für die Therapie liegt alleine beim Arzt.

Quellen:

  1. Erhöhung des Delta-9-tetrahydrocannabinols (Δ-9-THC) -Gehalt im pflanzlichen Cannabis im Laufe der Zeit.
  2. Cannabis-Potenz und Cannabinoid-Profil.
  3. Risiko für Cannabis-assoziierte Psychosen bei frühzeitigem Einsatz erhöht
  4. Cannabiskonsum in der frühen Jugend und psychotische Erlebnisse
  5. Risiken im Zusammenhang mit der nicht-medizinischen Verwendung von Cannabis.
  6. Cannabis-Konsum und die Assoziation mit Nucleus Accumbens und Amygdala-Anomalien bei jungen Erwachsenen
  7. Morphologische Änderungen des Gehirn bei regelmäßigen und schwerem Cannabiskonsum.

 


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