Im vorletzten Psirama-Wochenrückblick haben wir das Thema „Verschwörungsglauben“ angesprochen und Euch gebeten, Eure Erfahrungen mit uns zu teilen. Ein Beitrag dazu im Forum hat uns so gut gefallen, dass wir ihn hier besonders hervorheben möchten:
Ihr wolltet doch wissen, wie man sich so gegenüber Verschwörungstheoretikern verhält. Hier meine Geschichte:
Ich, „Mario“, hatte einen Freund, einen guten Freund, seit der Grundschule verband uns eine sehr enge Freundschaft. Wir durchlebten die Schule und Pubertät zusammen, sein durchaus brillanter und kritischer Geist schärfte auch meine Sicht auf das Weltgeschehen und half mir oft, Ereignisse besser und kritischer einzuordnen. Auch nach Schule und Pubertät verbrachten wir viel Zeit miteinander, doch Diskussionen über die aktuelle Lage der Welt wurden zunehmend anstrengender und zeitraubender. Aber alle Argumente von ihm waren meist noch nachvollziehbar und haltbar. So vergingen Jahre.
Ich hatte inzwischen geheiratet und mein guter Freund spielte eine immer noch große Rolle in meinem Leben. Allerdings wurde die Zeit mit ihm langsam zunehmend anstrengender, da sein Leben ein wenig chaotischer verlief als meines. Sowas kann natürlich vorkommen und wäre auch nicht weiter tragisch, wenn man sich nicht jedes Mal bis ins kleinste Detail anhören müsste, wer alles an seiner Situation Schuld trägt. Meinen alten Schulfreund auf seine eigenen Fehler hinzuweisen, was man in einer Freundschaft ja macht, wurde von Jahr zu Jahr kräfteraubender und aussichtsloser.
Langsam fing ich an, weltpolitische Diskussionen mit ihm zu meiden, weil sie immer öfter in haarsträubenden und lauten Hasstiraden auf das „westliche System“ endeten. Jetzt fing die Zeit an, in der sich mein alter Freund, dank Internet, wie schlecht die Welt und vor allem, wie schlecht die weltlenkende Machtelite ist. Ich möchte hier gar nicht auf jede einzelne Verschwörungstheorie eingehen, die Leser dieser Seite kennen wohl die meisten.
Inzwischen mied ich jede Diskussion mit ihm, da er für sich nun endlich die Schuldigen an seiner Situation gefunden hatte, denn er musste ja im Internet die ganzen Verschwörungen aufdecken. Jede Kritik an seiner Lebensführung glich einer Gotteslästerung, obwohl diese notwendig war, denn sein Leben ging immer mehr den Bach runter (Arbeit, Freunde usw.). Da ich inzwischen Vater von drei Kindern war, habe ich nicht mehr die Kraft aufgebracht, ihn auf seine Lebensumstände hinzuweisen, denn es endete immer in nächtelangen Auseinandersetzungen.
Als einer seiner letzten Freunde fing auch ich an, meinen Freund, den Verschwörungstheoretiker, zu meiden, nicht komplett, aber wir sahen uns weniger als früher. Die Treffen, die noch standfanden, verbrachten wir mit belanglosem Zeitvertreib. Denn um eine end- und zwecklose Diskussion zu vermeiden, umschiffte man jedes Wort, das im Entferntesten etwas mit Politik und Weltgeschehen zu tun hatte.
Meine Kinder kamen nun langsam in die Pubertät und fingen an – was auch gut ist – alles zu hinterfragen. Mein Verschwörungstheoretiker fing an, dieses, ich hoffe unbewusst, auszunutzen und begann, meinem Nachwuchs die Welt aus seiner Sicht zu erklären.
Ich brach darauf den Kontakt komplett ab. Am Anfang hatte ich noch ein schlechtes Gewissen, aber inzwischen weiß ich, dass dieser Schritt für mich und meine Familie das Beste war. Ich schrieb ihm in einem Brief, sollte er eines Tages merken, dass er sein Leben selbst in der Hand hat und nur er es selbst wieder in den Griff bekommen kann, werde ich meinem alten Freund auch wieder helfen. Bis dahin müssen ihm Ganser, Jebsen und Co. helfen.