Warum werden SUV überhaupt gekauft?
Das berührt die Frage der Entscheidungskompetenz von Konsumenten.
Dass ein Sportwagen als Alltagsauto nicht recht taugt, erkennt so gut wie jeder: Zu wenig Sitzplätze, zu wenig Platz für Gepäck, zu unkomfortabel, zu viel Verbrauch etc.
Über Nachteile von SUV jedoch wissen die Konsumenten vor dem Kauf meist so gut wie nichts. Probefahrten werden zwar gemacht, verlaufen in der Regel aber fernab des Grenzbereichs und können die fahrdynamischen Defizite der SUV daher nicht offenbaren: Das fremde Auto lässt sich etwa wie erwartet lenken und bremsen, gibt also keinen Anlass zu Beanstandungen. Und nach dem Kauf wollen SUV-Fahrer natürlich keine Kritik mehr hören.
Was ihnen an den SUV gefällt, wissen die Käufer durchaus zu sagen:
- das Gefühl größerer Sicherheit
- bequemes Ein- und Aussteigen
- gute Übersicht dank hoher Sitzposition
- viel Platz
- Allradantrieb
Daran ist bemerkenswert, dass durchweg subjektive Gründe genannt werden. Die angeblichen Vorteile sind entweder gefühlter Natur (d.h. nicht messbar) oder aber sie sind gar nicht auf SUV beschränkt, sondern werden auch von herkömmlichen Autos geboten. Ein Beispiel für Ersteres ist die
Gefühlte Sicherheit
Wie bereits aufgezeigt liegt das Risiko, im Falle eines Zusammenstoßes auf ein schweres Fahrzeug ab der Größe eines Kleintransporters zu treffen, wegen des geringen Anteils der Lkw am Fahrzeugbestand im einstelligen Prozentbereich. Konventionelle Autos hatten somit bisher kein Sicherheitsproblem, das es ratsam erscheinen ließ, auf SUV umzusteigen (zur Erinnerung: Pkw mit gleicher Crashtestbewertung bieten beim Aufprall auf feste Hindernisse die gleiche Sicherheit wie SUV).
Wahr ist hingegen, dass erst das massenhafte Aufkommen von SUV ein zunehmendes Sicherheitsproblem für Pkw entstehen lässt. Das bedeutet: Der bloße Eindruck nennenswert größerer Sicherheit für Insassen von SUV wird mit Todesgefahr im Falle eines Zusammenstoßes für jene erkauft, die sich für kleinere und weniger umweltschädliche Autos entschieden haben.
Spricht man SUV-Fahrer auf diesen Punkt an, so wird meist rasch deutlich, dass ihnen dies sehr wohl bewusst ist. Sie meinen, es sich erlauben zu können, also tun sie es. Gleichgültigkeit und Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern bis hin zur Bereitschaft, deren Leib und Leben zu gefährden, treten bei keinem anderen Aspekt so deutlich zutage wie bei diesem.
(Ein Miata ist in den USA ein kleiner Sportwagen von Mazda)
.
Ein bequemer Einstieg
erfordert es ebenfalls nicht, ein SUV zu kaufen, denn diesen Vorteil bieten auch die Hochdach-Pkw. So schreibt der ADAC z.B. über den Ford C-Max: „Die niedrigen Türschweller und die angenehme Höhe der Sitze sorgen vorn für guten Komfort beim Einsteigen.“
Über den Golf Plus hieß es: „Besonders vorn, aber auch hinten ist der Zustieg bequem, da die Karosserie und entsprechend auch die Sitze erhöht sind. Hinzu kommt, dass sich die großen Türen weit öffnen lassen.“
Aufgrund normaler Bodenfreiheit, Verzicht auf das Mehrgewicht des Vierradantriebs sowie gleicher Höhe der Knautschzonen wie bei konventionellen Autos vermeiden diese Fahrzeuge wesentliche Nachteile der SUV – es geht also auch ohne.
(Für wen diese beiden Marken auf gar keinen Fall in Frage kommen, dem sei gesagt: Wäre die Nachfrage nach Hochdach-Pkw so groß wie diejenige nach SUV, so würde auch seine Wunschmarke entsprechende Modelle anbieten. Die Käufer bestimmen mit ihren Entscheidungen über das Angebot.)
.
Eine gute Übersicht
bieten SUV durchaus, doch wieder nur zu Lasten anderer, indem sie nämlich Fahrern kleinerer Fahrzeuge die Sicht nehmen. Hinzu kommt, dass dieser Vorteil mit zunehmender Verbreitung der SUV schwindet. Wenn im Kino jemand aufsteht, um besser auf die Leinwand schauen zu können, so werden das schließlich alle tun (so wie die SUV gerade auf dem Weg zur Mehrheit sind); doch dann nützt es niemandem mehr. Der Tagesspiegel hat diesen Punkt treffend kommentiert: „Der Hochbau ist nicht nur gefährlich, er führt auch das Kaufargument der besseren Übersicht ad absurdum: Wenn die Autos immer höher würden, damit einige Fahrer auf die anderen herabblicken können, würden wir irgendwann alle in abstrusen US-Monstertrucks herumfahren.“
.
Mehr Platz
wird SUV häufig nachgesagt, doch dieser Behauptung mangelt es an Logik. Denn warum sollte eine Karosserie an Innenraum hinzugewinnen, indem sie höhergelegt und mit Vierradantrieb versehen wird? Kauft man ein hinreichend großes, konventionelles Auto, hat man natürlich genauso viel Platz.
Tatsächlich bietet bei einigen Herstellern das Kombimodell mehr Ladevolumen als das SUV derselben Klasse (Quelle: ADAC-Autotests, Angaben in Liter):
BMW X5 (SUV) |
425 |
BMW 5er (Kombi) |
570 |
Es soll indes auch Hersteller geben, welche die Pkw mit zunehmender Popularität der profitableren SUV von Generation zu Generation schrumpfen lassen:
Mercedes GLE (SUV) |
545 |
Mercedes E-Klasse, Kombi |
|
Modell 2008 |
550 |
Modell 2013 |
515 |
Modell 2018 |
450 |
.
Allradantrieb
Der Wunsch nach vier angetriebenen Rädern ist schon lange kein Argument für ein SUV mehr, denn dieses Ausstattungsmerkmal ist auch für viele herkömmliche Autos erhältlich.
.
Mündige Konsumenten?
Fragt man Besitzer von SUV, wie es denn bloß zu einer solchen Kaufentscheidung hatte kommen können, so erhält man meist Antworten dieser Art:
● “Gefallen würde mir ein Kombi besser, aber beim SUV gefällt mir eben der angenehme hohe Einstieg bzw. Ausstieg.”
● “Die Limousine meiner Lieblingsmarke gefällt mir sehr gut vom Interieur und Platz ist auch mehr als ausreichend… Meine Frau möchte aber unbedingt einen SUV fahren, aus diesem Grund tendiere ich jetzt auch dazu.”
● “Die Limousine war mir eher ein “Alte-Leute-Fahrzeug”. Ich bin 33 Jahre alt – als Info
Mit einem SUV habe ich schon lange geliebäugelt. Daher fiel die Entscheidung dann am Ende auch auf den SUV.”
(Diese Antworten wurden einem Autoforum entnommen und neutralisiert.)
Vernunft ist offensichtlich nicht im Spiel. So kam auch die FAZ zum Schluss, dass „es bei der Entscheidung für ein SUV fast allen Käufern dieser Fahrzeuggattung in erster Linie um Emotionen geht.“ *1
Eine höhere Sitzposition gegen eine schlechtere Straßenlage, ein größeres Überschlag-risiko, mehr Verbrauch, schlechtere Fahrleistungen sowie weniger Fahrkomfort einzutauschen und dafür auch noch höhere Kosten bei Anschaffung und Betrieb hinzunehmen, lässt sich nun einmal nicht als Ergebnis einer von Sachargumenten geleiteten Entscheidungsfindung deuten.
Nun finden sich unter SUV-Fahrern aber durchaus auch hochintelligente und erfolgreiche Menschen. Kann es sein, dass diese schlicht nicht wussten, was sie taten? Dass sie gar nicht dazu in der Lage waren, eine kompetente Entscheidung zu fällen?
Die schiere Größe des SUV imponierte, und der bequeme Einstieg sowie die gute Übersicht dank der hohen Sitzposition entzückten. Die Freude an diesem Erlebnis von Kritik stören zu lassen, hätte eines Anlasses oder des entsprechenden Willens bedurft.
Werbeaussagen werden daher nicht überprüft. Häufig trifft man auf Leichtgläubigkeit: „Der Verkäufer hat mir versichert, dass das SUV dank des technischen Fortschritts kaum mehr verbraucht als der Kombi.“
Technische Daten und objektive Fakten (wie Verbrauch, CO2-Ausstoß oder Unfallrisiko) spielen bei der Kaufentscheidung überhaupt keine Rolle.
Selbst unmittelbar naheliegende Einwände bleiben aus: Denn so wie ein Hochrad sich kippeliger als ein modernes Fahrrad fährt, so kann natürlich auch der hohe Schwerpunkt eines SUV nicht ohne Auswirkungen auf die Straßenlage bleiben.
Der Käufer nimmt aber nur die subjektiv empfundenen Vorteile wahr; von Nachteilen weiß er nichts, wird er im Rahmen einer Probefahrt meist nichts bemerken und mag er nach dem Kauf nichts mehr hören. Manches Manko wird für ihn nie spürbar werden (z.B. die Sprit- oder Reifenkosten, sofern es sich um einen Dienstwagen handelt) oder würde sich nur bei einem Verkehrsunfall auswirken (wenn dieser mit einem herkömmlichen Fahrzeug glimpflicher verlaufen wäre; das würde der SUV-Fahrer aber wahrscheinlich auch dann nie erfahren).
Wie sollen die objektiven Nachteile von SUV unter diesen Umständen bei der Kaufentscheidung angemessene Berücksichtigung finden? Der Interessent hat gar keinen Anlass, seine Wahl nachvollziehbar zu begründen, auch nicht vor sich selbst. Es steht ihm frei, einfach seinem Kaufimpuls zu folgen, und dabei entscheidet er allein „nach Gefühl“. Das bedeutet:
Zwischen der Idee, ein SUV zu erwerben, und dem tatsächlichen Kauf fehlt ein Anreiz, auf den Entscheidungsvorgang Intelligenz anzuwenden.
.
.
Woher hätte dieser auch kommen sollen? Von Autoverkäufern, denen bei SUV höhere Provisionen winken? Von Automobilzeitschriften, die auf Werbeanzeigen dieses wachsenden Marktsegments hoffen?
.
.
Was tun?
.
SUV-Fahrer überzeugen?
Kaum eine andere Entscheidung wird so kategorisch verteidigt wie die Wahl des eigenen Autos; das gilt natürlich auch für SUV-Fahrer. Einwände werden ignoriert, geleugnet oder relativiert. Da nur sehr seltene Umstände den Kauf eines solchen Autos tatsächlich rechtfertigen, herrscht an pseudorationalen Kaufbegründungen kein Mangel:
● „Ich habe Rücken!“
Bei allem ehrlichen Bedauern für die körperlichen Beschwerden von Mitmenschen: Wer in ein normales Auto nicht schmerzfrei einsteigen kann, hat ein medizinisches Problem, das dringender Behandlung bedarf, jedoch mit dem Kauf eines SUV ganz sicher nicht zu beheben ist.
● „Ich muss mein schweres Boot auf einem Hänger zum Liegeplatz ziehen.“
Womit haben die Yachtbesitzer dies bloß in den vergangenen Jahrzehnten gemacht? Tatsächlich taugt ein hinreichend großes, herkömmliches Auto wegen des niedrigeren Schwerpunkts als Zugfahrzeug sogar besser.
● „Gestern erst musste ich dienstlich eine unbefestigte Baustellenzufahrt nutzen, auf der ich ohne SUV bestimmt steckengeblieben wäre.“
Ein konventionelles Auto hätte halt vor der Einfahrt geparkt werden müssen, würde zum Ausgleich für diese Unbequemlichkeit bei der anschließenden Weiterfahrt aber die oben beschriebenen Nachteile von SUV vermeiden helfen.
etc. pp.
.
Der Staat ist gefragt
Der Staat als Vertreter des Gemeinwohls hat viele Möglichkeiten weit unterhalb eines Verbots, um SUV für Fahrer, deren Neigung zur kritischen Reflexion auf manchen Gebieten eher schwach ausgeprägt ist, unattraktiver zu machen:
● Wegen der großen Überschlagsgefahr könnte man die Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h begrenzen (dann natürlich auch für die in dieser Hinsicht noch stärker gefährdeten Kleintransporter)
● SUV-Fahrer sollten wegen des völlig unnötig erhöhten CO2-Ausstoßes sowie der höheren Unfall-Folgekosten für die Allgemeinheit mit höheren Steuern belastet werden (vor allem bei der Dienstwagenbesteuerung)
● SUV oberhalb einer bestimmten Größe könnten von normalen Parkplätzen ausgeschlossen werden. Für solche Autos müssten andere, weiter entfernt liegende und teurere Parkplätze ausgewiesen werden.
● Das Bußgeld für die Verletzung des Rechtsfahrgebots in Baustellenabschnitten für Fahrzeuge, die breiter als zwei Meter sind, könnte auf 100 Euro und einen Punkt in Flensburg erhöht werden. Das würde dort alle größeren SUV auf die rechte Spur zwingen (wirksame Kontrollen vorausgesetzt).
.
Mehr zu: Die Freiheit des Konsumenten …
Ist es denn legitim, die Freiheit des Konsumenten einzuschränken? Sollte nicht jeder das Auto kaufen können, das er haben will? Was geht das den Staat an?
Die FAZ hat hierzu einen klaren Standpunkt: „Aber sich mit dem eigenen fahrbaren Untersatz von einem allgemein gefahrenen Mobil wie dem VW Golf zu unterscheiden, das ist doch zu akzeptieren, individuelle Motorisierung ist ein Merkmal freier Gesellschaften. Denn das Auto ist auch eine rollende Visitenkarte.“ *1
Tatsächlich wurden dem Konsumenten aber auch bisher schon Grenzen gesetzt. So ist es z.B. nicht möglich, ein neues Auto ohne geregelten Katalysator zu kaufen. Der Schutz der Allgemeinheit vor Abgasen wiegt höher als die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen.
Autos ohne ABS und Airbags sind ebenfalls nicht erhältlich. Ferner ist es Autofahrern in Europa nicht erlaubt, an der Wagenfront stählerne Kuhfängergestelle zu montieren. Mit Eingriffen in die Wahlfreiheit des Konsumenten verhindert der Staat, dass der Gesellschaft aufgrund inkompetenter Käuferentscheidungen vermeidbare Unfall-Folgekosten entstehen.
Einen Marktanteil der SUV von 50 % und mehr hinzunehmen, würde nicht nur auf volkswirtschaftlicher Ebene die Effizienzsteigerungen der Motoren der letzten 20 bis 25 Jahre einer bloßen Mode opfern. Damit würde man vor allem zulassen, dass mehr Fußgänger, Zweiradfahrer und Insassen weniger umweltschädlicher Autos infolge von Unfällen mit SUV-Beteiligung zu Invaliden werden oder sterben.
.
Ein Imagewandel tut not
Wo die Anschaffung eines SUV droht, da bedarf der Interessent offenbar eines äußeren Anstoßes, um in sich zu gehen und die Sinnhaftigkeit dieses Kaufs zu hinterfragen.
Staatliche Restriktionen könnten einen solchen Anreiz zum Nachdenken geben. Vielleicht würde es aber auch schon genügen, wenn SUV-Fahren nicht mehr als chic gälte, sondern ganz im Gegenteil den meisten Menschen zutiefst peinlich wäre – weil sie sich damit vor aller Augen als unmündiger Konsument erwiesen, der es versäumt hat, sich vor dem Kauf hinreichend zu informieren. Es gilt, das Image dieser Fahrzeugart anzugreifen. SUV-Fahren sollte nicht mehr als Zeichen von Solvenz, sondern als Folge mangelnder Urteilskraft gelten.
Fundiert gegen SUV argumentieren zu können, ist dafür eine notwendige Voraussetzung. Intelligenter Autofahren verlangt, nichts zu akzeptieren, was unnötig den Verbrauch erhöht oder die Fahrsicherheit beeinträchtigt. Warum dies den Kauf eines SUV nahezu kategorisch ausschließt, hat dieser Text hoffentlich verständlich gemacht.
.
Mehr zu: Oberklasseautos, Sportwagen und Transporter …
… sind von diesem Verdikt übrigens nicht betroffen:.
• Für Oberklassefahrzeuge ist im Rahmen sinnvoller Grenzen ein höheres Gewicht unvermeidbar, um objektive Vorteile (mehr Komfort und Sicherheit) bieten zu können. Ein SUV bietet diese Vorteile nicht – es hat mit höherklassigen Fahrzeugen stets nur die Nachteile gemein, vor allem die große Fahrzeugmasse und den hohen Verbrauch.
• Sportwagen bieten weniger Platz, eignen sich weniger gut für schlechte Straßen, sind unkomfortabler und verbrauchen meist mehr. Anders als SUV bieten sie aber auch objektive Vorteile: Sportwagen sind schneller und fahren sich bei hohen Geschwindigkeiten sicherer als alle anderen Autos.
(Diese beiden Fahrzeugarten haben zudem nur einen kleinen Anteil am gesamten Fahrzeugbestand. Die Auswirkungen auf Umwelt und Unfallrisiko sind daher auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gering.)
• Transporter wiederum müssen größer und schwerer sein, um große und schwere Lasten transportieren zu können. SUV bieten weder diesen noch irgendeinen anderen, im Straßenverkehr relevanten Nutzen; hoch und schwer sind sie trotzdem.
.
Zum Kontext
.
Historie
Vor Jahrzehnten war die amerikanische Automobilindustrie auf SUV ausgewichen, weil sie aufgrund ihrer damaligen, technischen Rückständigkeit der ausländischen Konkurrenz in anderen Fahrzeugklassen nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte:
“In the late 1990s and early 2000s, the Big Three could enjoy profit margins of $10,000 per SUV, while losing a few hundred dollars on a compact car.”
Heute hätte sie das nicht mehr nötig, denn der technische Rückstand ist weitgehend aufgeholt. Doch die Seuche der SUV war in die Welt gesetzt und hat inzwischen alle Hersteller infiziert.
.
Der gesellschaftliche Hintergrund
Im Januar 2018 erschien im Schweizer Online-Magazin “Geschichte der Gegenwart” ein bemerkenswerter Artikel des Designwissenschaftlers und Gestalters Markus Caspers mit dem Titel “Autofahren im Design des Neoliberalismus: das SUV”. Zitat:
“Mit Ellbogenmentalität durch die Niederungen des täglichen Verkehrs, kein Terrain zu schwierig, kein Hindernis, das man mit Allradantrieb und Geländefahrwerk nicht überwinden kann: Ich schaue auf dich herab und deine Vorstellung von Solidarität und Sozialstaat. Ich werde mir meinen Teil holen, egal wie. Wie sagte Thatcher so treffend: „There is no such thing as society.“ … Das könnte man als blosses Oberschicht-Phänomen abtun, wenn nicht eine SUVierung eingesetzt hätte, die von der unteren Mittelklasse bis in die Luxuskategorie herein reicht. … Die optische, akustische und energetische Aufrüstung des Individualverkehrs fügt sich nahtlos ein in den Prozess der schleichenden Entsolidarisierung und Privatisierung des öffentlichen Raums. Im Design der klobigen Gesamtform und der aggressiven Front ist jene gesellschaftliche Brutalität aufgespeichert, die jene dazu treibt, es den anderen noch einmal vor Augen zu führen.”
.
.
Die Hoffnung mancher Käufer, ihr SUV als Mittel zur Statuserhöhung nutzen zu können, hält ein anderer Autor für vergebens: “Im Rahmen eines simplen Weltbildes dürfen wir unterstellen, dass nur Zeitgenossen als Halter in Frage kommen, in denen sich der Zwang zur sozialen Distinktion, zur Markierung der eigenen materiellen Überlegenheit weit mächtiger entfaltet als jede moralische oder ästhetische Bildung … Es handelt sich um ebenjene gesellschaftliche Gruppe, die ihrer Stillosigkeit wegen seit dem 19. Jahrhundert der Adel wie auch das Bildungsbürgertum mit ätzender Verachtung straften … Dieses Unterfangen ist freilich aussichtslos, zumal nun auch die Billighersteller aus Fernost Baureihen im Programm haben, die als Plagiate europäischer >Premiumhersteller< bei entsprecheneder finanzieller Priorisierung auch für bescheidenere Gehaltsgruppen in den Bereich des Erschwinglichen geraten." *2
.
.
Der Mensch als Spitze der Evolution
… lässt sich hinter dem Lenkrad von Stadtgeländewagen bewundern – auf der Überholspur der Autobahn, mit über 200 km/h und absurd hohem Verbrauch.
Ebenso in den Innenstädten, wo fürsorgliche Muttis ihre Kleinen mit höchstmöglichem Energiebedarf unter Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in die Kita fahren – um sich anschließend bei Fairtrade-Kaffee und einem garantiert gentechnik- und glutenfreien Imbiss zu entspannen.
.
Weitere Quellen:
*1 FAZ, 31.7.2018: „Darum lieben so viele das SUV“
*2 Zynismus auf Rädern, Johannes Vincent Knecht, KONRET 08/2018