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Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW 44, 2018)

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Eine der unverfrorensten Hochstaplerinnen des Jahres hat es endlich in unser Wiki geschafft. Als erfolgreiche “Charakterprofilerin” und vorgebliche Psychologin hätte sie sicher gute Ratschläge parat, wie man sich am besten verhält, wenn das eigene Lügengebäude, eine zusammenphantasierte Vita und großzügig erfundene Karriere-Erfolge durch gerichtsfeste Aufdeckung zu Staub zerbröseln. Ist vielleicht Demut die richtige Strategie, eine öffentliche Entschuldigung und ein Richtungswechsel? In der Politik führte dieses Verhalten gelegentlich zum gewünschten Ergebnis. Nein, Suzanne Grieger-Langer versucht es mit wilden Verschwörungstheorien, in denen es um ein geheimes Netzwerk geht, das seine geballte Medienmacht dazu nutzt, eine eher unbedeutende, aber keineswegs untalentierte Aufschneiderin zu vernichten. Wie wir erfahren durften, sollen auch wir Teil dieser Verschwörung sein.
Unser Video der Woche vom Netzkongress 2018 beleuchtet, wie Verschwörungstheorien entstehen und sich im Netz verbreiten. Kennt Ihr Verschwörungstheorien, die noch nicht ihren Weg in unser Wiki gefunden haben? Dann berichtet davon, hier oder im Forum. Und vergesst nicht, Links für den nächsten Wochenrückblick (#psirama) zu spenden!


 

Gesundheit und Medizin

 

gesanzeiger.ch: Rüffel für Komplementärmedizin-Hersteller

Das Heilmittelinstitut Swissmedic behandelt die Angelegenheit diskret. Beispiele möchte man keine nennen, keine Firma an den Pranger stellen. Bussen oder Sanktionen wurden bis jetzt auch keine verhängt. In Apotheken und im Internet lassen sich die allgegenwärtigen Verstösse aber leicht finden: Schüsslersalze gegen Osteoporose, Bachblüten gegen Hyperaktivität, homöopathische und anthroposophische Mittel gegen Fieberschübe, Sonnenbrand oder Nervenschmerzen. In vielen Fällen dürften solche Wirkversprechen gar nicht gemacht werden.

 

Medpage Today: SCO Poll Finds ‘Frightening’ Views on Alternative Cancer Tx

When the American Society of Clinical Oncology (ASCO) commissioned the Harris Poll to conduct its second annual National Cancer Opinion Survey, it did not expect to learn that 40% of respondents believe cancer can be cured with the use of alternative therapies alone. ASCO’s chief medical officer Richard L. Schilsky, MD, told MedPage Today that he found it “both a surprising and frightening piece of information that people harbor those beliefs,” and noted the need to educate the general public about these misconceptions.

 

MedWatch: Interview mit Gesundheitsminister Jens Spahn? Keine Sprechstunde

Wir wollten wissen, wie Jens Spahn angesichts der Masse an problematischen Gesundheitsinformationen im Netz Patienten helfen möchte, verlässliche Inhalte von Quacksalberei zu unterscheiden – und wie er schlechten und schädlichen Gesundheitsinformationen im Netz etwas entgegenstellen möchte. Im Koalitionsvertrag ist die Schaffung eines „Nationalen Gesundheitsportals für schnelle und verlässliche Information zu medizinischen Fragen“ vorgesehen. Wann soll dieses Portal eingerichtet werden – und reicht es im Kampf gegen gefährliche Gesundheitsinfos aus?

 

Edzard Ernst: Spain no longer tolerates quackery

According to the 2014 European Social Survey, Spain is relatively modest when it comes to using alternative therapies. While countries such as Austria, Denmark, Estonia, Finland, France, Germany, Lithuania, Sweden and Switzerland all have 1-year prevalence figures of over 30%, Spain only boasts a meagre 17%. Yet, its opposition to bogus treatments has recently become acute.

 

Informationsnetzwerk Homöopathie: Unendliche Geschichte(n) – noch einmal zum Homöopathie-Review des NHMRC

Das Review der australischen Gesundheitsbehörde, in seltener Transparenz und unter ausdrücklicher Beteiligung der homöopathischen Seite durchgeführt, gilt als die umfassendste Untersuchung zur Wirksamkeit der Homöopathie überhaupt. Was in gewissen Kreisen außerordentlich schlecht ankam. Einige Zeit nach dem Erscheinen des Reviews im Jahre 2015 machte die Information die Runde, dass drei homöopathische Organisationen aus Australien beim Ombudsman ihrer Majestät (dem „Kummerkasten“ für Bürgeranliegen) eine Beschwerde gegen das NHMRC eingebracht hätten, die „schwere Mängel“ des Reviews beanstande.

 

mimikama: B17 – Das krebsheilende Vitamin, das es nicht gibt

Immer wieder wird auf „alternativen Medizinseiten“ ein Mittel propagiert, welches angeblich die Heilung aller Formen von Krebs verspricht: Vitamin B17. Dieses Vitamin ist augenscheinlich so sensationell wirksam, dass es sogar verboten wurde! Zumindest behauptet das eine bestimmte Seite, wie uns eine Anfrage in unserer Community aufzeigt.

 


 

Gesellschaft, Politik und Religion

 

Man Glaubt Es Nicht!: November ist Kirchenaustrittsmonat

Falls ihr jemanden kennt, der mit dem Gedanken spielt aus der Kirche auszutreten, oder jemanden, der im kommenden Jahr 2019 zum ersten Mal ein steuerpflichtiges Gehalt bekommt: November ist Kirchenaustrittsmonat.

 

watson.ch: Der komplett irre Irrsinn namens Religion

Der Glaube ermöglicht alles. Auch verrückte Erzählungen, die es sonst, für Ungläubige, nur im Märchen gibt. Oder in der Bibel. In der Fiktion. Im Film. Man nennt die entsprechenden Genres Fantasy, Mystery, Horror oder Magischer Realismus. Sie sind enorm populär. Weil sie beim Publikum die Leerstelle füllen, die der abhanden gekommene Glaube zurückliess? Genau damit experimentiert Simon Jacquemet nun in seinem Freikirchler-Psycho «Der Unschuldige».

 

zdf.de: Katholische Kirche – “Alle Ämter müssen für Frauen erreichbar werden – auch Päpstin”

Nein heißt Nein, heißt Nein. Christus war ein Mann, ein Mann, ein Mann. Das ist die Argumentationslinie des Lehramtes zur amtlichen Gleichstellung von Frauen, erst recht, seit der Präfekt der Glaubenskongregation im Frühjahr 2018 ein Machtwort gesprochen zu haben glaubt. Wer das nicht hinnimmt, bekommt auch aus dem liberal-katholischen Lager zu hören: “Warum willst du mit dem Kopf durch die Wand? Es gibt doch wichtigere Themen.” Wie können und sollen die Reformkräfte künftig agieren? Zu dieser höchst aktuellen Tagung und zur anschließenden 42. Bundesversammlung lädt die katholische Kirchenvolksbewegung “Wir sind Kirche”.

 

Das goldene Brett vorm Kopf: Verleihung 2018

Die Verleihung des Goldenen Bretts für den größten antiwissenschaftlichen Unfug des Jahres findet wieder gleichzeitig in Wien und in Hamburg statt. Die drei Top-Kandidaten werden präsentiert, der Preisträger wird verkündet, das “Goldene Brett fürs Lebenswerk” wird vergeben.
[…]
Jetzt nominieren: Was war der herausragendste antiwissenschaftliche Unsinn der vergangenen zwölf Monate? Auch 2018 wird wieder das Goldene Brett vorm Kopf vergeben – für jemanden, der sich mit besonders bemerkenswerten unwissenschaftlich-esoterischen Aussagen hervorgetan hat.

 


 

Wissen und forschung

 

Welt der Physik: Neudefinition des Kilogramms

Im November 2018 findet die 26. internationale Generalkonferenz für Maß und Gewicht statt – und aller Voraussicht nach wird dort ein Umbau des Einheitensystems beschlossen. Wie die Neudefinition des Kilogramms abläuft, erzählt Frank Härtig von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig in dieser Folge des Podcasts.

 

heise online: Fake News: KI erkennt unglaubwürdige Medien nur unzuverlässig

Forscher von MIT, Quatar Computing Research Institute (QCRI) und der Sofia Universität in Bulgarien haben für eine Studie untersucht, wie gut sich mit Hilfe von künstlicher Intelligenz die Glaubwürdigkeit von Medien-Angeboten bewerten lässt. Die Ergebnisse sind zunächst einmal nicht sehr überzeugend: Ihr Modell stufte die Faktentreue von Nachrichten-Seiten als „gering“, „mittel“ oder „hoch“ ein, lag dabei aber nur in 65 Prozent der Fälle richtig.

 

Deutschlandfunk: Jennifer Doudna: „Eingriff in die Evolution“

Die Genschere Crispr/Cas fasziniert und schockiert zugleich: Ein Werkzeug, mit dem Wissenschaftler künftig Krankheiten heilen, Organismen umprogrammieren oder ausgestorbene Arten wieder zum Leben erwecken könnten. Jennifer Doudna schildert das Potenzial der von ihr entwickelten Methode – und warnt vor den Gefahren.

 

Inquisitr: People Assume That Those Who Remain Silent Agree With Their Own Opinion, Study Shows

People assume that those who remain silent in a conversation agree with their own opinion, new study published in the peer-reviewed Journal of Consumer Psychology shows. Whether an individual is looking to purchase a product, or deciding which political party to vote for, their opinion is inevitably influenced by opinions of others. A number of scientific studies stand testament to that, but not many have answered a burning question: How do people figure out what others think?

 


 

Psiram

 

Aus dem Blog-Archiv (12/2015): Vatikan und Nächstenliebe

Der Vatikan hat die „Internationale Vereinigung der Exorzisten“ offiziell anerkannt. Warum das denn? Weil die Teufelsaustreibung „eine Form der Nächstenliebe für leidende Mitmenschen“ sei; so lässt sich der Papst zitieren. Zwanglos kann ergänzt werden: denn der wahrhaft Gläubige kann nicht psychisch erkranken; oder anders ausgedrückt: die psychische Störung ist eigentlich, im Kern, ein Abfall von Gott. Danke aber auch schön. Die Spätantike lässt grüßen, und wir können den Gedankengang noch etwas ausbauen:

 

Neu im Psiram-Wiki:

 


 

Video der Woche

 

Dirty old Internet: Leben mit Verschwörungstheorien und Hass | Netzkongress 2018

Dirty old Internet: Leben mit Verschwörungstheorien und Hass Richard Gutjahr und sein endloser Kampf gegen den “Shit-Tsunami” Der Anschlag von Nizza, der Amoklauf von München: Bei beiden Ereignissen war Journalist Richard Gutjahr zufällig vor Ort und berichtete. Stoff für Verschwörungstheoretiker und Hetzer, die den Blogger seitdem nicht in Ruhe lassen.

Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=hGaxv-AaSuw


Angelesen: „Verschwörungstheorien“ von Bernd Harder

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Wer sich schon länger mit dem Thema Verschwörungstheorien beschäftigt, wird sie kennen: die seltsam verbogenen Argumente, sich selbst bestätigenden Scheinfakten, die Zirkelschlüsse und „Cui bono“-Fragen. Als unbeteiligter Beobachter ist es ja gelegentlich sogar unterhaltsam, besonders wenn man schon vorher ahnt, zu welchem aktuellen Ereignis sich bald wieder die üblichen Aluhüte zu Wort melden werden. Dem fleißigen Skeptiker stellen sich allerdings auch immer wieder dieselben Fragen: Wer glaubt so einen Blödsinn? Warum verbreiten sich auch die abgefahrensten Mythen wie ein Lauffeuer? Was kann man dagegen tun?

Das handliche Büchlein von Bernd Harder, dieses Jahr erschienen (160 Seiten, 10 Euro), liefert einige Antworten und hilft beim Verständnis der Zusammenhänge. Dabei bezieht es sich auf aktuelle Internet-Verschwörungstheorien, aber auch geschichtliche Zusammenhänge kommen nicht zu kurz.

Nach einer grundlegenden Einführung in das Thema findet sich am Anfang jedes Kapitels eine Behauptung oder These, die nach eingehender Diskussion zu einer Schlussfolgerung führt. So geht Bernd Harder am Anfang auf die Frage ein, woran man eine Verschwörungstheorie erkennt und was sie von einer „echten“ Verschwörung unterscheidet. Auch die Verwendung des Begriffes selbst wird ausgiebig diskutiert und dabei plausibel erklärt, warum hier nicht von Verschwörungsglaube oder Verschwörungsideologie gesprochen wird.

Was also lernen wir bei der Lektüre des Buches? Etwa, dass Verschwörungstheorien eine Methode zur Komplexitätsreduktion sind und damit einfache Antworten auf komplizierte Fragen geben. Und wir erfahren, was der Glaube an Verschwörungstheorien mit Mustererkennung oder der Angst vor Kontrollverlust zu tun hat. All diese Erklärungen kommen leicht verständlich daher, werden aber trotzdem sorgfältig belegt. An keinem Punkt hat man das Gefühl, Bernd Harder habe sich eine Erklärung einfach ausgedacht. Vielmehr arbeitet er ausgiebig mit Zitaten anerkannter Experten oder fasst deren Erkenntnisse unverfälscht zusammen. Eine umfangreiche Literaturliste lädt zur Vertiefung des Themas ein.

Noch verständlicher wird das Prinzip der Verschwörungstheorie in Form eines aktuellen Beispiels, namentlich der Chemtrail-Verschwörung. Schritt für Schritt folgen wir dem eigentlich ganz rationalen Herrn Mustermann auf seinem Weg durch ein Wirrwarr an Informationen, Vermutungen, Behauptungen und Fehlschlüssen, der nach einigen Umwegen irgendwann zur Gewissheit führt, dass am Himmel über uns etwas Ungeheuerliches stattfindet. Diese Gewissheit wird schließlich zum Teil der Identität und verfestigt sich so fast unumkehrbar.

Dass der unreflektierte Glaube an Verschwörungstheorien weder für die einzelne Person noch für eine Gesellschaft harmlos oder gar amüsant ist, zeigt Bernd Harder bei einem Exkurs in politische Ereignisse aus Vergangenheit und Gegenwart. So können Verschwörungstheorien etwa durchaus als politisches Kampfmittel eingesetzt werden, um bestehende demokratische Strukturen zu destabilisieren. Vom Klimawandel über Flüchtlingspolitik bis zum Antisemitismus: an Beispielen mangelt es nicht, um zu zeigen, dass Verschwörungstheorien ernst genommen werden müssen und gesellschaftliche sowie politische Maßnahmen erforderlich sind, um ihrer Ausbreitung entgegenzuwirken.

Bleibt zum Schluss die schwierigste Frage: Was tun wir dagegen? Hier fehlen naturgemäß die einfachen Antworten. Immerhin liefert das Buch einige Ansätze, um im persönlichen Umfeld oder in Internet-Diskussionen einen sinnvollen Umgang mit verschwörungsgläubigen Menschen zu finden. Kleine Erfolgsgeschichten aus der Praxis geben den Lesern Werkzeuge an die Hand, die zumindest ausprobiert werden können. Ob Aufklärung, Verständnis, einfach nur zuhören oder gezieltes Nachfragen jeweils geeignet sind, weiß man oft erst hinterher. So bleiben am Schluss zwar weiterhin die großen Fragen offen, der Ratlosigkeit im Umgang mit Verschwörungstheorien wird aber doch eine umfassende Sammlung an Erklärungen, Grundlagen und Strategien entgegengesetzt.

Wer schon mehrere Bücher über Verschwörungstheorien gelesen hat, wird hier nicht viel Neues finden. Trotzdem lohnt die Lektüre allein wegen des gut strukturierten und übersichtlichen Aufbaus, und sei es nur als Nachschlagewerk. Besonders Neulinge und Neugierige finden hier einen umfassenden Einstieg in das Thema. „Verschwörungstheorien: Ursachen – Gefahren – Strategien“ von Bernd Harder gehört in jeden skeptischen Werkzeugkasten, oder zumindest ins Bücherregal.

Mehr zum Thema:

 

Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW 45, 2018)

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Ein chinesisches Sprichwort wird folgendermaßen zitiert: “Meinungen sind wie Nägel – je mehr du darauf einschlägst, desto tiefer dringen sie ein.” Bei den Themen, die uns hier täglich beschäftigen, ensteht allerdings ein anderer Eindruck: da wird so lange auf Fakten eingeschlagen, bis sie irgendwann dermaßen verbogen sind, dass man sie kaum wiedererkennt. Diese Tatsachenverbiegung kommt erstaunlicherweise immer mehr in Mode. Es ist ja auch so einfach: eine Behauptung, so abseitig sie auch sein mag, evolviert bei ausreichender Wiederholung irgendwann zur Mehrheitsmeinung. Geht diese Strategie im kreativen Umgang mit der Realität von Autoriäten, gar Regierungen aus, führt dies zu Verunsicherung und irgendwann in den Totalitarismus. Nicht Erkenntnisprozesse unter Ausschluss von Irrtümern führen zum Konsens über die Beschaffenheit der Welt, sondern eine Doktrin, die reale Zusammenhänge ignoriert. Wir stellen dieser Entwicklung weiterhin Fakten entgegen und vertrauen darauf, dass selbige sich irgendwann durchsetzen, wenn der Nebel der Alternativrealität wieder verfliegt. Ihr könnt dabei helfen, indem Ihr uns weiterhin mit interessanten Themen versorgt, Inhalte beisteuert und natürlich Links für die nächste #Psirama-Folge schickt.


 

Wissen und Forschung

 

Spektrum.de: Wie man mit Neutrinos die Erde wiegt

Wie viel wiegt die Erde? Wissenschaftler kennen die Antwort: etwa sechs Trilliarden Tonnen. Dieser Wert ergibt sich allerdings aus Messungen der Schwerkraft und ist seit Langem bekannt. Spanische Forscher von den Universitäten Valencia und Barcelona war das nicht genug – sie haben jetzt in einer Forschungsarbeit, die in »Nature Physics« erschienen ist, die Erdmasse über ihren »Neutrinoschatten« bestimmt. Ihr Ergebnis liegt trotz großer Fehlerbereiche erstaunlich nah am Referenzwert.

 

Spektrum.de: Interstellarer Besucher: ‘Oumuamua in Wahrheit ein außerirdisches Sonnensegel?

Ist unser Erstkontakt mit außerirdischer Technologie schon längst wieder vorbei? Diese Idee bringen jetzt zwei Astronomen der Harvard University ins Spiel. Was die meisten Forscher für einen Kometen halten, der aus dem interstellaren Raum stammt, könnte in Wahrheit ein Sonnensegel sein, spekulieren Shmuel Bialy und Abraham Loeb vom Harvard Smithsonian Center for Astrophysics in einem vorab veröffentlichten Fachaufsatz.

 


 

Gesellschaft, Politik und Religion

 

BR: Wie Bürgermeister und Behörden mit Reichsbürgern umgehen

Seit vor zwei Jahren ein Polizist von einem Reichsbürger erschossen wurde, sind Behörden und Bürgermeister in Bayern wachsamer geworden. Im Umgang mit Reichsbürgern zeigt der Rechtsstaat Kante.

 

BR: Moralisches Bankkonto – Mit gutem Gewissen Schlechtes tun

Wir verhalten uns manchmal widersprüchlich: Wir kaufen Bioprodukte, helfen Bedürftigen, reisen dann aber mit dem Flugzeug und gönnen uns Luxusartikel. “Moral Licensing” nennen Sozialpsychologen dieses Phänomen.

 

Ehrenwort (Uni Passau): Abseits vom Mainstream

Drei Jahre lang war Stephanie Wittschier in der Verschwörungsszene aktiv. Alles begann 2010, als sie eine Dokumentation über den 11. September 2001 sah, in der einige Unstimmigkeiten aufgezeigt wurden. „Das hat mich damals so neugierig gemacht, dass ich mich daraufhin an unseren Computer setzte, um weiter in der Richtung nachzuforschen. Dabei kam ich auf viele dubiose Seiten,“ schreibt Stephanie Wittschier heute auf ihrem Blog. Wenige Tage später glaubte sie bereits an Chemtrails: Daran, dass Kondensstreifen in Wirklichkeit giftige Chemikalien sind, mit denen eine mächtige Elite das Wetter steuert, uns Menschen vergiftet und dadurch die ganze Welt kontrolliert.

 

Man Glaubt Es Nicht!: MGEN-Podcast 2018.10: Ohne jeden Kontext

November ist Kirchenaustrittsmonat
Bundesarbeitsgericht: Kirchliches Arbeitsrecht ist zumindest in Teilen rechtswidrig
Ergebnisse der Partei der Humanisten bei der Landtagswahl in Bayern
Kinderkirche Bottrop
u.v.m.

 


 

Gesundheit und Medizin

 

Informationsnetzwerk Homöopathie: Spanien – Homöopathiekritik nun auch regierungsamtlich

Wir hatten darüber berichtet, dass sich die Ärztekammer Madrid, de facto die oberste Ärztekammer Spaniens, am 22. Juni d.J. mit einer sehr deutlichen Erklärung gegen die Verwendung von Homöopathie in der ärztlichen Praxis ausgesprochen und sich dabei auf die ärztlichen Pflichten im Ethikkodex der spanischen Ärzteschaft bezogen hat. Nun ist diese Position auch regierungsamtlich: Die spanische Gesundheitsministerin María Luisa Carcedo wird vom Portal La Vanguardia zitiert: “Ich werde die Pseudowissenschaften bekämpfen, und die Homöopathie gehört dazu.”

 

Scinexx.de: Keine Allergien durch Impfung – Studie widerlegt erneut gängige Behauptung von Impfgegnern

Unbegründete Skepsis: Impfungen erhöhen das Allergie-Risiko bei Kindern nicht. Dies untermauert nun erneut eine Studie. Die Forscher hatten dafür oftmals ungeimpften Nachwuchs von Anthroposophen mit konventionell erzogenen Kindern verglichen. Dabei zeigte sich insgesamt zwar eine geringere Anfälligkeit für Allergien in der Anthroposophen-Gruppe. Diese kommt aber durch andere mit diesem Lebensstil zusammenhängende Faktoren zustande – und nicht durch fehlende Impfungen, wie die Auswertung offenbarte.

 

Spektrum.de: Grams’ Sprechstunde: Die Quecksilberbombe in der Plombe

»Amalgam ist doch voll gefährlich für den Körper«, meinte neulich eine gute Freundin, eine Apothekerin, voller Überzeugung, »das ist doch bewiesen!« »Nein«, gab ich zurück – mitnichten. »Von allen Alternativen zur Zahngesunderhaltung ist Amalgam die unschädlichste – und die am besten erforschte.« Daraufhin war die Stimmung etwas eisig, wie so oft, wenn Faktenwissen und gefühltes Wissen kollidieren – und wenn man sich auch selbst vor lauter Mythen und Märchen erstmal verorten muss.

 

Financial Review: pH Miracle author Robert Young ordered to pay cancer patient $US105 million

A San Diego jury has ordered the author of the bestselling pH Miracle books to pay $US105 million ($146 million) to a cancer patient who said the author held himself out as a doctor and counseled her to forego traditional medical treatment. The award – more than double what the woman had sought – was ordered about 16 months after a criminal case ended with the author, Robert Oldham Young, going to jail for a few months for practising medicine without a licence.

Wiki: https://www.psiram.com/de/index.php/Neue_Biologie_nach_Young

 

Ganzheitlich Durchleuchtet: Globuli-Krieg im Handelsblatt

Im Handelsblatt kann man gerade ein hübsches Beispiel für falsche Ausgewogenheit im Journalismus finden. Dabei scheint der Autor Peter Thelen sich alle Mühe gemacht zu haben, einen ausgewogenen Artikel zu schreiben. Ich meine jedoch, seine Sympathien für die sanfte Seite der Macht erkennen zu können. Das zeigt sich schon bei der Wahl des Begriffes „Generalangriff“ zur Einordnung eines Beitrages von Spiegel-TV, der sich kritisch mit der Verwendung von Homöopathie in der Medizin auseinandersetzt. Es handelt sich nicht um einen „Generalangriff“ sondern um eine differenzierte Hervorhebung der Schwachstellen von Homöopathie in der medizinischen Praxis.

 

Gesundheits-Check: ADHS-Epidemie bei der Homöopathielobby?

Was ist denn auf einmal los in der Homöopathie-Szene? Da werden allerorten mehr oder weniger gut getarnte Werbeartikel platziert; ein wahrlich hyperaktiver Herr Becker ploppt auf und randaliert verbal täglich auf allen Kanälen, die ihn noch nicht sediert haben; ein Bundesverband „Patienten für Homöopathie e.V.“ erwacht plötzlich aus seinem Untotenzustand und schreibt fleißig an die Politik, bevorzugt im Wahlkampf; in allen möglichen medizinischen Zeitschriften versucht man abenteuerliche Beiträge unterzubringen, manchmal mit Erfolg; man erfindet die Wissenschaftlichkeit neu und sieht in den etablierten wissenschaftlichen Standards paulfeyerabendverhunzend eine „totalitäre Ideologie“ – will aber selbst homöopathiekritische Vorträge an Hochschulen unterbinden oder zumindest – spielfeldverfehlend – das Prinzip des „ausgewogenen Journalismus“ zur guten wissenschaftlichen Praxis erklären.

 

Keine Ahnung von Garnix: Spiegel-Beilage vom 10.11.2018: War wohl nichts

Aus dem heute erschienenen SPIEGEL fällt einem eine Beilage entgegen, ein Heftchen namens „wohl – Das Gesundheitsmagazin“, das viermal jährlich in dieser Form unter die Leute gebracht wird. Ab der Seite 6 findet sich ein Artikel mit dem Namen „Sanfte Fördermittel“, der mich zunächst verwundert an die Kreditanstalt für Wiederaufbau denken ließ… Aber nein. Es handelt sich um einen Propagandaartikel pro Homöopathie, und zwar einen, der richtig dick aufträgt.

 


 

Psiram

 

Aus dem Blog-Archiv (08/2013): Die Pfingstkirche und die HIV-Wunderheilungen

Wie die BBC berichtet, sind einige Pastoren der Pfingstbewegung in lebensgefährlicher Mission unterwegs. Oh, sie gefährden natürlich nicht das eigene Leben, nur das von Gläubigen.

Die Children’s HIV Association befragte 19 Mediziner, die in England mit Kindern und Babys arbeiten, da die Organisation Gerüchte vernommen hatte, dass HIV-Patienten ihre Medikamente absetzten, weil ihre Pastoren ihnen das befahlen.

Zehn dieser Mediziner hatten schon in den letzten 5 Jahren mit diesem Problem zu kämpfen: 29 ihrer Patienten hatten erklärt, sie seien unter Druck gesetzt worden, ihre Medikamente abzusetzen und mindestens elf hatten das dann tatsächlich getan.

 

Neu im Psiram-Wiki:

 


 

Video der Woche

 

Skeptics in the Pub Wien: Gilbert Hangel: Zwischen Elektrosmog und Magnetfeldtherapie

Handystrahlung und Elektrosmog allgemein bedrohen angeblich unsere Gesundheit. Andererseits stellen verschiedene Magnetfeldtherapien Heilungsansprüche in Mensch und Tier. Aber was ist nun wirklich dran am Einfluss von magnetischen und elektromagnetischen Feldern? Dieser Vortrag diskutiert nach einer kurzen Einführung in Magnetfelder und Elektromagnetismus die tatsächlich nachweisbaren Effekte auf unseren Körper und findet interessante und differenzierte Phänomene weit jenseits von der Vorstellung „Felder sind böse“. Ebenso diskutiert wird der positive oder negative Einfluss dieser Effekte im Alltag und auf unsere Gesundheit. Mit diesen Informationen können wir zum Abschluss die pseudowissenschaftlichen Behauptungen über Nutzen und Schaden von Magnetfeldern auf den Prüfstand stellen.

Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=MjkMcXTNTwA

Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW 46, 2018)

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Natürlich ist es ein Problem, dass Menschen an gezielt verbreitete Falschmeldungen glauben, daraus falsche Schlüsse ziehen und Entscheidungen treffen, die ihnen selbst oder einer ganzen Gruppe Schaden zufügen. Darüber wird breit diskutiert und nach Lösungen gesucht. Aber wie sieht es eigentlich mit “altem” falschen Wissen aus? Wenn wir darüber nachdenken, was wir von unseren Eltern, in der Schule oder aus Medienberichten vor zwanzig oder dreißig Jahren gelernt haben und das mit dem heute verfügbaren Wissen vergleichen, stellen wir oft gewaltige Unterschiede fest. Da ist es kein Wunder, dass viele Menschen etwa aktuelle Forschungsergebnisse für unzuverlässig halten, weil sich ja “sowieso alles alle paar Jahre ändert”. Es genügt also nicht, sich neues Wissen anzueignen, man muss auch lernen, es zu bewerten, zu hinterfragen, mit anderen Informationen abzugleichen und irgendwo auf der persönlichen Wahrscheinlichkeitsskala einzuordnen. Das Werkzeug dazu heißt kritisches Denken und bewahrt davor, Aussagen vorschnell als richtig oder falsch einzustufen. Wer das beherrscht, fällt weniger leicht auf Populismus, Heilsversprechen, Panikmache und Abzocke herein. Unsere wöchentliche Linksammlung soll helfen, diese Fähigkeit zu trainieren. Deshalb lohnt es sich, die einzelnen Artikel nicht nur anzuklicken, sondern ihnen auch ein wenig hinterher zu recherchieren. Ist euch eine Meldung aufgefallen, deren Wahrheitsgehalt nicht auf Anhieb zu erkennen ist? Dann lasst einen Link hier, vielleicht finden wir es gemeinsam heraus.

 


 

Gesellschaft, Politik und Religion

 

hpd: Die Kampagne “Weltbürger statt Reichsbürger” klärt über die universellen Menschenrechte auf: Ein Meilenstein der Menschheitsgeschichte

Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) hat heute im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin ihre Broschüre “Die Menschenrechte: Wie sie entstanden sind – und warum wir sie verteidigen müssen” vorgestellt. Sie informiert in kompakter Weise über die historischen Hintergründe sowie die aktuellen Gefährdungen der Menschenrechte und kann ab sofort kostenfrei von den Schulen des Landes bestellt werden.

 

NZZ: Blasphemie gehört nicht ins Strafregister

Sind religiöse Gefühle heute wichtiger als Meinungsfreiheit? Ein Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der eine wegen Herabwürdigung des Propheten Mohammed verhängte Busse bestätigte, sollte zu denken geben – umso mehr, als islamistische Kreise es im Internet feiern.

 

vocer: „Fake-Informationen bedrohen das Leben von Patienten“

Krebspatienten erfahren über Google, dass Backpulver ihnen hilft – und dass Chemotherapien Krebs auslösen würden. Auf Facebook setzen Eltern autistischer Kinder sich gegenseitig unter Druck, ihren Kindern giftige Substanzen zu verabreichen, um angeblich Autismus zu heilen. Und der Präsident der Bundesärztekammer verkündet, Homöopathie würde gut helfen. Im politischen Raum zerstören Fake-Informationen das Vertrauen in die Demokratie und gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt – im Gesundheitsbereich bedrohen sie die Gesundheit und das Leben von Patienten.

 

kurier.at: FPÖ-Minister Hofer bestätigt: Chemtrails gibt es nicht

Verschwörungstheoretiker müssen jetzt ganz stark sein: Chemtrails gibt es nicht. Sagt zumindest FPÖ-Minister Norbert Hofer in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Grünen Bundesrats David Stögmüller. Auf die Idee, den Minister überhaupt so etwas zu fragen, kam Stögmüller, weil sich Hofer 2007 und 2013 (damals noch als Abgeordneter) beim Verteidigungsministerium nach den Kondensstreifen am Himmel erkundigt und in den Raum gestellt hatte, dass dies “Chemtrails” sein könnten, die Wetter und Verhalten der Menschen beeinflussen.

 

Vice: Offenbar glauben jetzt Menschen, die Erde wäre ein Donut

Im Internet kreiseln tatsächlich Menschen, die behaupten, die Erde wäre weder Scheibe noch Kugel, sondern ein Torus – das ist Bildungssprache für etwas, das aussieht wie ein Donut. Wie viele von ihnen nur trollen, ist unklar. Aber die Theorie hat ihren Ursprung anscheinend in dem Forum von FlatEarthSociety.org. Eine Person mit dem Nutzernamen Dr. Rosenpenis hatte das Thema 2008 offenbar als Witz eröffnet. 2012 kam der User Varaug auf den Donut und ergänzte das absurde Grundgerüst mit vielen Details.

 

hpd: Warum Menschen merkwürdige Dinge glauben

Michael Shermer ist Psychologe, Wissenschaftshistoriker und Gründer der US-amerikanischen Skeptics Society. hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg traf Shermer am Rande der Säkularen Woche der Menschenrechte in Berlin und sprach mit ihm über die Notwendigkeit von skeptischem Denken sowie sein jüngst auf Deutsch erschienenes Buch “Der moralische Fortschritt”.

 

Deutschlandfunk Kultur: Esoterik und Rechtsextremismus – „Sensorium für gesellschaftliche Krisenherde“

Mit Sorge beobachten Experten, dass Teile der Esoterikszene eng mit rechtsextremen Kreisen und deren Gedankengut verbunden sind. „Ich denke, dass die moderne Esoterik ein spezielles Sensorium hat für gesellschaftliche Krisenherde“, sagte der Weltanschauungsbeauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Matthias Pöhlmann, im Deutschlandfunk Kultur.

 


 

Gesundheit und Medizin

 

ÄrzteZeitung: Spahn will unseriöse Heilmethoden verbieten

Einem aktuellen Bericht in der „Süddeutschen Zeitung“ (online) vom Freitag zufolge will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit neuen gesetzlichen Regelungen künftig gegen gefährliche Therapien und Behandlungspraktiken vorgehen. Nach ersten Informationen aus Regierungskreisen liegt dabei der Fokus unter anderem auf Herstellung, Verkauf und Anwendung von Extrakten aus tierischen Organen, meist von Schafen. Sie werden häufig als Frischzellen-Therapie zum Anti-Aging oder zur Stärkung der körpereigenen Immunabwehr angeboten. Ärzte und Heilpraktiker, die dies anbieten, stellen dazu die Präparate in der Regel selbst her.

 

addendum: Brauchen wir eine Impfpflicht?

Impfungen gehören zu den großen Errungenschaften der Medizingeschichte: Wenn es gelingt, eine ausreichend große Zahl an Menschen durch Impfstoffe zu immunisieren – man spricht in diesem Zusammenhang von „Durchimpfungsraten“, die den sogenannten Herdenschutz02 gewährleisten – kann eine Krankheit ausgerottet werden. Mit den Pocken05 ist das – auch wenn es immer wieder Rückschläge gab – gelungen. Bei Masern, einer der ansteckendsten Krankheiten, die wir kennen, noch nicht.

 

MedWatch: Bundestagsfraktion: Gesundheitsexperten der FDP wollen Heilpraktikerberuf abschaffen

Wenn es nach der Arbeitsgruppe Gesundheit der FDP-Bundestagsfraktion geht, wird der Berufsstand der Heilpraktiker abgeschafft. Dies verlangen sie in ein Positionspapier, das MedWatch exklusiv vorliegt. Zwar sei es im Sinne der Privatautonomie jedem selbst überlassen, welche Dienstleistungen er kostenpflichtig in Anspruch nehmen möchte, heißt es dort: Unter der Voraussetzung einer hinreichenden Informationsversorgung seien mündige Patienten in der Lage, über ihre eigene Gesundheit zu disponieren – daher sei es zu respektieren, wenn Menschen Behandlungsmethoden in Anspruch nehmen möchten, deren Wirksamkeit wissenschaftlich unbelegt oder deren Unwirksamkeit sogar belegt ist.

 

heise Technology Review: Heilung mit Viren anstelle von Antibiotika

Keine Frage, im Westen steht ein Durchbruch der Phagentherapien an, die in Osteuropa seit ihrer Entdeckung in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bereits genutzt werden. Nun knüpfen deutsche Forscher mit ihrem Projekt “Phage4Cure” an diese Tradition an und wollen sie auf den neuesten medizinischen Stand bringen.

 

Evidenz-Geschichte(n): Dramatische Effekte

Sollte man überhaupt Fallschirme beim Sprung aus dem Flugzeug verwenden? Schließlich gibt es für den Nutzen gar keine Belege aus randomisierten kontrollierten Studien. Ach, ihr wollt doch Fallschirme? Warum akzeptiert ihr dann nicht die gleiche Beweislage auch für andere offensichtlich wirksame medizinische Interventionen? Auf den ersten Blick ist das ein Dilemma für die evidenzbasierte Medizin – hervorgerufen durch einen systematischen Review, der im Dezember 2003 im British Medical Journal erschienen ist. Beim genauen Durchdenken steht es dann aber doch wieder 1:0 für die EbM. Warum? Das verraten wir in dieser Episode.

 

NZZ: Trolle schüren Impfskepsis

Obwohl längst als Fake-News entlarvt, zirkulieren gewisse Aussagen zu schweren Impfschäden weiterhin durchs digitale Netz. Dafür sorgen auch Provokateure, die mit emotionalen Inhalten gezielt Stimmung machen.

 

addendum: Im Kontext: Streit ums Impfen – Ein gefährlicher Glaubenskrieg (Video, ca. 46 min.)

Die „Im Kontext“-Reporter sprechen mit überzeugten Impfgegnern und Impfbefürwortern; mit Eltern, die ihre Kinder lieber Masern aussetzen, als sie zu impfen, und einem Arzt, der von militanten Impfgegnern mit dem Tod bedroht wurde. In Südtirol treffen sie auf eine Gruppe von impfkritischen Eltern, die sich gegen die Impfpflicht der italienischen Regierung wehrt und in Österreich um Asyl ansucht, sollten die Behörden den Druck erhöhen.

 

Science-Based Medicine: The Influence of Kinesiology Tape Color on Athletic Performance: An Actual Published Study…Seriously

Does the color of kinesiology tape effect athletic performance or neuromuscular function? This serious research, published in a legitimate medical journal, asks this non-satirical question. The answer is pretty much what you would expect. No, it doesn’t.

 

DocCheck News: Naturheilverfahren? Ich steh auf Chemie

In medizinischen Zusammenhängen dürfte eines der beliebtesten Modeworte derzeit wohl die „Natürlichkeit“ sein. Natürliche Therapien sind en vogue. Am besten heilen wir mit der Kraft der Natur. Ganz sanft. Chemie ist etwas, womit man vorsichtig sein muss. Richtig vorsichtig. Am besten sofort den eigenen Kindern den Kontakt mit Chemie verbieten. Da einige meiner besten Freunde aus Chemie bestehen, möchte ich mich aber einmal daran versuchen, eine Lanze für sie zu brechen.

 

futurezone: Fake News machen Menschen zu Impfmuffeln

Im Rahmen des Vaccine Confidence Projects erforscht die Anthropologin Heidi Larson weltweit, wie und mit welchen Ursachen sich das Vertrauen in Impfungen entwickelt. Entgegen dem tatsächlichen Stand der Medizin soll dies durch Fake News in sozialen Netzwerken stetig sinken. Larson sieht das mangelnde Vertrauen als einen Nährboden für die nächste große Epidemie.

 


 

Wissen und Forschung

 

Novo: Grüne Gentechnik (Dossier)

In Deutschland gilt ein generelles Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO). Während insgesamt bis heute rund 100 Pflanzenarten durch Eingriffe ins Genom verändert wurden und weltweit beispielsweise bei Soja der Anteil von GVOs schon bei über 80 Prozent, bei Baumwolle bei 68 und bei Mais und Raps bei jeweils 25 Prozent liegt, wird hierzulande weiter fleißig vor „unbekannten Risiken“ gewarnt, für die es keine Belege gibt. Vordergründig geht es dabei um Verbraucherschutz, tatsächlich um die Verteidigung einer Weltanschauung. Gleichzeitig wird die Technologie immer leistungsfähiger und der Nutzen immer vielfältiger.

 

Spektrum.de: Aufbruch zum Mond: Von Helden und Menschen

Mit dem Film »Aufbruch zum Mond« hat die Produktionsfirma Universal Studios Neil Armstrong jetzt ein filmisches Denkmal gesetzt. Das hört sich einfacher an, als es ist. Die erste Mondlandung fiel in eine Zeit des vielfachen Aufbruchs, des Wagemuts und des unbegrenzten Optimismus. Heutigen Zuschauern diese Stimmung zu vermitteln, erfordert beträchtliche künstlerischer Fantasie.

 

Jet Propulsion Laboratory: NASA Learns More About Interstellar Visitor ‘Oumuamua

In November 2017, scientists pointed NASA’s Spitzer Space Telescope toward the object known as ‘Oumuamua – the first known interstellar object to visit our solar system. The infrared Spitzer was one of many telescopes pointed at ‘Oumuamua in the weeks after its discovery that October.

 


 

Psiram

 

Aus dem Blog-Archiv (10/209): Die wahren Hintergründe zum Mondbeschuss

Was wir Ihnen hier präsentieren, ist Ergebnis langer investigativer Recherche und entspricht der Wahrheit. Auch wenn es erstmal nur wie ein Scherz klingt. EsoWatch ist allen Verschwörungstheoretikern wie immer weit voraus.

Heute hat die NASA den Mond beschossen. Angeblich aus wissenschaftlichen Gründen. Das Projekt LCROSS (Lunatic Cheese Response Of Soft Splashing, wie es in Wirklichkeit heißt) wird als Forschungsprojekt getarnt. Die Wahrheit dahinter ist aber nicht nur im ersten Moment erschreckend, denn es ist kein Zufall, dass fast zeitgleich US-Präsident Obama den Friedensnobelpreis erhalten hat.

 

Neu im Psiram-Wiki:

 


 

Video der Woche

 

Homöopathie: Der Hokuspokus der Alternativmedizin | heute-show vom 16.11.2018

Die Lehre vom ähnlichen Leiden: Doktor bekloppt + Patient bekloppt = Homöopathie. Es gilt der hippokratische Meineid.

Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=TXnieMKJWeY

Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW 47, 2018)

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Unsere Rezension zu Bernd Harders Buch über Verschwörungstheorien hat zu einer lebhaften Diskussion geführt, an der bezeichnenderweise fast ausschließlich Leute teilnahmen, die das Buch nicht gelesen haben. Also bleiben wir beim Thema und legen noch ein paar interessante Links nach. Im Netzpolitik-Podcast spricht Markus Beckedahl mit Christian Schiffer, Autor des Buches „Angela Merkel ist Hitlers Tochter. Im Land der Verschwörungstheorien“. Wie in unserer Blog-Diskussion geht es auch hier unter anderem um die Verwendung des Begriffs Verschwörungstheorie, also um die Frage, warum und wo er angebracht ist. Unser Video der Woche beschäftigt sich ebenfalls mit diesem Thema und behandelt im Schnelldurchlauf die historische und philosophische Perspektive. Ein wissensschaftlicher Blick auf die aktuelle Verbreitung von Veschwörungstheorien findet sich im Guardian. Wenn Ihr weitere Links zu diesem oder einem anderen Thema habt, lasst sie uns doch bitte hier (#Psirama).


 

Gesellschaft, Politik und Religion

 

ORF: „Staatsverweigerer“: Sachverständige am Wort

Die von den „Staatenbündlern“ ausgestellten Haftbefehle für Politiker seien ein Kollateralschaden gewesen, so die Gutachterin, die nicht ausschloss, dass die Angeklagten Gewalt für die Erreichung ihrer Ziele in Kauf genommen hätten. Die Hauptangeklagte sei zurechnungsfähig, attestierte die Gutachterin: Sie habe sich bewusst dafür entschieden, ihrer „Staatenbund“-Idee bis heute treu zu bleiben, das gebe ihr in ihrer Welt Bedeutung.

 

Skeptical Raptor: Religion and vaccinations – a review of the current knowledge

A while ago, I wrote an article about a father who is suing the New York Department of Education to force a school to allow his unvaccinated son into school. The basis of his lawsuit is that vaccination is against his religious beliefs. How does this lawsuit fit into our ideas about religion and vaccinations? The father is a Roman Catholic and claimed that his church was opposed to vaccines.

 

ABC News: Donald Trump wants California to rake forests to prevent fires. Here’s the backstory

As California comes to terms with the deadliest wildfires in its history, United States President Donald Trump has offered a solution to the problem. Mr Trump said California authorities should copy Finland’s example and rake forest floors to remove the material which fuels fires. Except Finland does not have that strategy for managing its vast forest reserves.

 

SRF: Kontroverse in Freiburg um ein Leben nach dem Tod

An Allerheiligen publizierte die Zeitung «Freiburger Nachrichten» ein Interview mit Othmar Keel, dem katholischen Theologen und ehemaligen Professor an der Universität Freiburg. Er glaube nicht an ein Jenseits, sagte er. «Wir wissen es schlicht nicht», sagte er jetzt gegenüber SRF News. Man könne es ja nicht beweisen. Empörte Katholiken schrieben in der Folge dutzende Leserbriefe.

 

hpd: Interview mit Richard Dawkins – “Wissenschaft ist die Poesie der Wirklichkeit”

Der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins gehört zu den bekanntesten Verfechtern von Wissenschaft und Atheismus und gilt als einer der wichtigsten Denker weltweit. hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg hat Dawkins während der Säkularen Woche der Menschenrechte auf eine einsame Insel entführt und mit ihm über das Leben, das Universum und den ganzen Rest gesprochen.

 

BR kontrovers (ARD): Braune Ideologie hinter grüner Fassade (Video, 16 min.)

Hunderte von Anastasia-Anhängern treffen sich zu Festivals in Deutschland. Auch in Bayern ist die Bewegung aktiv. Auf den ersten Blick geht es darum, wie man sich mit ökologischer Landwirtschaft selbst versorgen kann. Wer tiefer gräbt, stößt aber auf eine rassistische, antisemitische Gedankenwelt und eine Nähe zu Reichsbürgern.

Wiki: https://www.psiram.com/de/index.php/Anastasia

 

BuzzFeed.News: Der Rechtsfluencer

Der 24-jährige Immobilienkaufmann Henryk Stöckl ist einer der auffälligsten rechten Meinungsmacher in Deutschland. Auf Facebook und YouTube verbreitet er falsche Behauptungen und manipuliert Hunderttausende Menschen.

 

The Guardian: Study shows 60% of Britons believe in conspiracy theories

Sixty per cent of British people believe at least one conspiracy theory about how the country is run or the veracity of information they have been given, a major new study has found, part of a pattern of deep distrust of authority that has become widespread across Europe and the US.

 

fowid.de: Lebens- und Glaubenswelten junger Erwachsener in Deutschland

In einer aktuellen EKD-Studie unter jungen Erwachsenen in Deutschland sagen von den 19- bis 27-Jährigen 19 Prozent, dass sie religiös seien. Mehrheitlich bezeichnen sich die jüngeren Evangelischen wie Katholiken als nicht religiös und ebenso sagt eine Mehrheit: „Über das, was ich glaube, entscheide ich selber“. Ein Fazit des Studienleiters lautet: „Es ist eine – vielleicht die erste – wirklich postchristliche Generation. Gott ist weitgehend verschwunden.“

 

Netzpolitik Podcast: NPP158: Die Chemtrails GmbH – Verschwörungsmythen für Einsteiger und Fortgeschrittene

Warum gibt es Verschwörungsmythen und wo kommen Reichsbürger her? Wieso glauben Menschen an Chemtrails und was hat das mit Akte-X zu tun? Im Netzpolitik-Podcast Folge 158 haben wir den Journalisten Christian Schiffer zu Gast, der Co-Autor des empfehlenswerten Buches „Angela Merkel ist Hitlers Tochter. Im Land der Verschwörungstheorien“ ist.

 

Onkel Michaels kleine Welt: Gestohlene Jugend – Christina von Dreien

Wenn man Christina Meier auf einem Foto sieht, sieht man ein ganz normales 17-jähriges Mädchen. Man vermutet nicht, dass sie paranormal begabt ist, mindestens fünfmal reinkarniert (sogar in Atlantis), dass sie die Akasha-Chroniken, die alles Wissen des Universums enthalten, lesen kann, dass sie mit Toten sprechen kann und dass sie über Gaben wie Telepathie, Hell- oder Aurasichtigkeit verfügt. Ja, sie kann sogar mit Tieren UND Pflanzen sprechen. Und ihr Körper baut sich nicht wie beim gewöhnlichen Pöbel auf Kohlenstoff auf, sondern auf Silizium… Was? Sie haben Zweifel? Sie glauben das nicht? Naja ehrlich gesagt … ich auch nicht…

 


 

Gesundheit und Medizin

 

gnaddrig ad libitum: Sahnehäubchen

Wenn sich jemand irgendwo kritisch über die Homöopathie oder eine ihrer Spielarten äußert, kommt ganz oft, eigentlich fast immer, jemand und behauptet, die Kritik sei unfair und nicht gerechtfertigt. Die Homöopathie wirke sehr zuverlässig und gut (gern mit dem Zusatz: das habe man selbst erlebt), und ein vernünftiger Mensch käme gar nicht auf die Idee, eine so effektive und gleichzeitig nebenwirkungsfreie Behandlungsmethode wie die Homöopathie kritisieren zu wollen. Wer sich trotzdem kritisch äußere habe entweder keine Ahnung oder unlautere Motive.

 

DAZ.online: Wie wird ein Grippeimpfstoff produziert?

Jedes Jahr aufs Neue gibt es neue Influenzaimpfstoffe. Und jedes Jahr aufs Neue scheint es Ärger mit diesen zu geben – mal passt die Zusammensetzung nicht, mal scheint es (wie in diesem Jahr) nicht genügend Vakzine zu geben. Die Influenzaimpfstoffproduktion ist ein sensibles und zeitlich auf wenige Monate gepresstes Geschäft – aber warum kann man dann nicht einfach Grippeimpfstoff nachproduzieren, wenn ein Engpass droht?

 

Onkel Michaels kleine Welt: Das Waterloo der Homöopathie: der Donner-Report

Ich habe ja hier bereits über die Bestrebungen der Nationalsozialisten zur Etablierung einer „Neuen Deutschen Heilkunde“ geschrieben. Nachdem beispielsweise Rudolf Heß und Heinrich Himmler glühende Anhänger der Homöopathie waren, war es nicht verwunderlich, dass gerade ihr größere Aufmerksamkeit zukam. So wurden in den Jahren zwischen 1936 und 1939 durch das Reichsgesundheitsamt (im folgenden RGA abgekürzt) umfangreiche Studien durchgeführt.

 

kurier.at: MedUni Wien streicht Homöopathie aus dem Lehrplan

Ursprünglich sei die Lehrveranstaltung als kritische Auseinandersetzung mit Homöopathie beworben worden – jetzt findet sie gar nicht mehr statt, berichtet die Mediziner-Plattform nextdoc. Über Facebook sei Folgendes kommuniziert worden: „ABSAGE der Lehrveranstaltung …3SSt VO Homöopathie …aufgrund von zahlreichen Beschwerden wird das Wahlfach ab der nächsten Einheit 31.10.2018 nicht mehr stattfinden. Sie werden alle von der LV abgemeldet.“ Die Homöopathie-Vorlesung, die immer wieder kritisiert wurde, ist somit Geschichte.

 


 

Psiram

 

Aus dem Blog-Archiv (10/2013): Metasophie – ZDF legt nach

Wie Psiram aus gut informierten Kreisen mitgeteilt wurde, plant der öffentlich-rechtliche Sender ZDF ein neues Format. Nachdem die Pilotsendung mit Richard David Precht als Double von R. D. Sprecht erfolgreich verlief, will man jetzt wirklich klare Kante zeigen, was den öffentlichen Bildungsauftrag angeht. Eine erste Testsendung wurde in einem Hörsaal der Europa-Universität Viadrina mit Studenten des Lehrganges Pataphysik durchgeführt. Wir haben den ersten Abschnitt, bis es zu einem Zwischenfall kam, transskribiert. Gesprächspartner sind R.D. Sprecht und Dr. Ici Wenn, asiatischer Kulturantroposophologe mit deutschen Wurzeln, bekannt durch sein Werk “Vom Werden des Seins”.

 

Neu im Psiram-Wiki

 


 

Video der Woche

 

Verschwörungstheorien – Michael Marquardt (Skepkon 2018)

Nach einem Blick auf die Definitionsproblematik stellt der Vortrag die drei grundsätzlichen Perspektiven auf das Thema Verschwörungstheorien (VT) dar und versucht schwerpunktmäßig ihre Möglichkeiten und Grenzen (vulgo: Vor- und Nachteile) auszuloten. Davon ausgehend soll letzten Endes auch die Fragen behandelt werden, wie man mit VT am besten umgeht. Die erste Perspektive ist die naturwissenschaftlich-historische Perspektive. Auch wenn es sich hier um unterschiedliche wissenschaftliche Zweige handelt, so haben sie doch gemeinsam, dass sie sich vor allem mit den (alternativen) Fakten auseinandersetzen. So kann man beispielsweise versuchen, durch eine Versuchsanordnung die Behauptung zu widerlegen, Flugzeugbenzin hätte das Stahlgerüst des WTC nicht ausreichend schwächen können. Das gleiche Prinzip gilt auch für die Geschichtswissenschaft, die die Genese der Protokolle der Weisen von Zion aufarbeiten und so die mit der Schrift verbundenen Vorwürfe als haltlos und bösartig entlarven kann. Wie Stephen Law besonders anschaulich zeigt, kann man diesen Fakten allerdings jederzeit widersprechen, auch wenn der Übergang zur Beliebigkeit fließend ist.

Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=ZrJ5G5uv-Kg

Zur Neutralisierung fundierter Kritik durch falsche journalistische Ausgewogenheit – Beispiel: Homöopathie

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Homöopathie-Aufklärung ist eine tolle Sache. Allen, die geduldig immer wieder erläutern, warum wirkstofflose Zuckerkugeln keine Medizin sind, gebührt höchster Respekt. Hier sind an erster Stelle das Informationsnetzwerk Homöopathie und die GWUP sowie der Konsumentenbund bzw. deren unermüdliche und überwiegend ehrenamtliche AktivistInnen zu nennen. Auch wir bei Psiram versuchen, unseren Teil dazu beizutragen. Und tatsächlich sind seit etwa einem Jahr erste Erfolge zu verzeichnen. Der Tenor in den Medien hat sich verändert, über Homöopathie wird kritischer berichtet, (echte) Experten dürfen sich zu Wort melden, es gibt sogar politische Aktivitäten zur Eindämmung der verdünnten Zuckerflut. Die verhinderten Tortenverzierer haben es zunehmend schwer, ihre wissenschaftsfernen Märchen unwidersprochen zu verbreiten.

So weit, so gut.

An diesem Punkt stellt sich die Frage, wie Homöopathie-Aufklärung idealerweise aussehen soll. Muss es die harte Konfrontation sein? Die „Wissenschaftskeule“? Soll man die Leute „da abholen, wo sie stehen“? Sind eventuell Kompromissvorschläge sinnvoll (ein bisschen Hokuspokus, ein bisschen Wissenschaft)? Ist es wichtig, auf die Globulisten zuzugehen, sie nicht zu verärgern, um ihnen dann mit dem kleinen Löffel und viel Sirup die bittere Realität näherzubringen, nämlich dass sie sich von einer kriminellen Bande, dem Bodensatz der Pharmaindustrie – zu faul zum Forschen, zu gierig und verblendet, um echte Medikamente herzustellen – ,  jahrelang haben veralbern lassen? Sind Gesetze und Verbote erforderlich, um diesen mehr als 200 Jahre währenden Betrug am Patienten zu beenden?

Welche Strategien auf Dauer am wirksamsten sind, muss sich erst noch herausstellen. Unsere Methode ist und bleibt der Realismus. Der kommt nicht immer freundlich daher, weshalb er oft auf Widerstand stößt. Das ist unsere Nische, und wir möchten diese Vorgehensweise nicht verallgemeinern oder gar als die einzig richtige darstellen.

Aus dieser Position heraus betrachten wir allzu nachgiebige Herangehensweisen natürlich mit Vorbehalten. Zwei Beispiele in Form von Homöopathie-Aufklärungsvideos sollen zeigen, welche Gefahren es mit sich bringt, wenn statt klarer Worte eine falsche journalistische Ausgewogenheit die Grenzen zwischen Phantasie und Wirklichkeit zu verwischen droht – und wie Homöopathie-Aufklärung nicht aussehen sollte. Daraus ergibt sich ein Appell, speziell an Journalisten: Traut Euch, Fakten klar zu präsentieren und Unsinn als solchen zu bezeichnen. Redet nicht aus falsch verstandener Toleranz um den heißen Brei herum. 


Fall 1:

Ein Video vom wirklich hervorragenden Youtube-Kanal „Dinge Erklärt – Kurzgesagt

Titel: „Homöopathie – Sanfte Alternative oder dreister Humbug?

Schauen wir darüber hinweg, dass bereits der Titel versucht, diese Frage offen zu lassen. Stattdessen wollen wir uns in die Rolle eines homöopathieliebenden Menschen versetzen, stellen unseren Wahrnehmungsfilter auf den pastellvioletten Ganzheitlichkeitskanal ein und picken uns die Sätze heraus, die uns am besten gefallen. Das sieht dann etwa so aus:

Wie funktioniert Homöopathie? Wie ist sie zu dem geworden, was sie heute ist? Und was kann die moderne Medizin von ihr lernen? Das erste Grundprinzip der Homöopathie ist „Ähnliches mit Ähnlichem heilen“. Homöopathische Mittel verwenden Wirkstoffe, die genau die Symptome erzeugen, die geheilt werden sollen. Durch verdünnen und schütteln der Wirkstoffe soll ihre innere Heilkraft geweckt und verstärkt werden. Das fertige Heilmittel wird dann meistens auf Zuckerkügelchen geträufelt und als Globuli verkauft. Die extreme Verdünnung soll die Wirkung der Inhaltsstoffe verstärken. Das Wasser bildet eine Art Erinnerung aus.

Der deutsche Arzt Samuel Hahnemann suchte nach einer sanften, natürlichen Heilmethode und entwickelte die Homöopathie. Homöopathische Krankenhäuser waren tatsächlich bald recht erfolgreich.

Ist es wichtig, wie es funktioniert, wenn es hilft?  Vielleicht hast du es schon einmal probiert und dich besser gefühlt. Oder du kennst jemanden, der sich durch Homöopathie von einer schlimmen Krankheit erholt hat. Und was ist mit den Berichten über die Wirkung an Kindern und Haustieren? Wenn man an die Wirksamkeit eines Mittels glaubt, kann alleine dieser Glaube helfen.

Das Erstgespräch mit einem Homöopathen dauert oft Stunden und ist sehr persönlich. Für Patienten, die bereits eine Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich haben, machen diese Aufmerksamkeit und Empathie einen Riesenunterschied.

Moderne Medizin ist straff organisiert. Budgets sind knapp, Ärzte und Pfleger überarbeitet. Diagnosen müssen schnell gestellt und Behandlungen zügig abgewickelt werden. Patienten fühlen sich oft unsichtbar und wie eine Nummer. Das können wir von der Homöopathie lernen: Sie wird einem menschlichen Bedürfnis gerecht.

Jeder einzelne dieser Sätze kommt exakt so in diesem Video vor. Liest sich das nicht wie eine Werbeveranstaltung für eine sanfte, zauberhafte, wirksame und bewährte Heilmethode? Zugegeben, kritische Anmerkungen sind ebenfalls reichlich vorhanden, und sie überwiegen sogar gegen Ende des Clips. Aber sie verblassen, sind nur eine Meinung, ein nebensächlicher Aspekt. Der Gesamteindruck ist ein anderer: Hey, klar gibt es auch Kritiker, macht ja nichts, was zählt, ist das gute Gefühl.

Dieses „coole“ Video wurde bereits im Februar 2018 im GWUP-Blog beworben. Im Oktober folgte dann die Aufforderung, für diesen Beitrag beim Video-Wettbewerb „Fast Forward Science“ zu stimmen.

Auch die Credits unter dem Video sind erwähnenswert:

„Wir danken Dr. Natalie Grams, Dr.-Ing. Norbert Aust und Udo Endruscheit sowie Dr. Robin Fears und Professor Paul Glasziou für ihre Unterstützung bei der Recherche.“


 

Fall 2:

Die auch von uns gern zitierte Seite addendum präsentiert ein selbst produziertes Video mit dem Titel „Im Kontext: Glaubenssache Homöopathie – Arznei ohne Wirkung?“. Die addendum-Journalisten haben den lobenswerten Anspruch, faktenbasiert zu recherchieren und zu publizieren. Selbstbeschreibung:

Die Quo Vadis Veritas Redaktions GmbH wurde als Medienplattform der gemeinnützigen Quo Vadis Veritas Privatstiftung gegründet, agiert vollkommen unabhängig und verfolgt das Ziel, an der Wiederherstellung einer gemeinsamen Faktenbasis für eine qualifizierte politische Debatte zu arbeiten.

Auch der gewöhnlich faktenliebende Spektrum-Verlag zeigte dieses Video im November auf Spektrum.de. Schauen wir uns die erwähnte „gemeinsame Faktenbasis“ am Beispiel des genannten Videos an und setzen zuvor wieder unsere globulifreundliche Brille auf:

In den ersten Minuten kommen Homöopathieanwender im Schnelldurchlauf zu Wort und dürfen die typischen Anekdoten aufsagen. „Mir hat es geholfen“, „Tiere kennen keinen Plazeboeffekt“, „wer heilt hat recht“.

Erstes Fallbeispiel: Die Sportjournalistin Edith Zuschmann, seit einem Gelenkleiden „überzeugte Anhängerin der Homöopathie“, wird vorgestellt und ihr Besuch beim Homöopathen gezeigt. In diesem Zusammenhang wird das „Ähnlichkeitsprinzip“ und die Wahl des homöopathischen Mittels erklärt. Die Patientin erzählt von ihren Erfahrungen und ist sicher, dass es die homöopathische Behandlung war, die sie geheilt hat.

Schnitt zu einem Reiterhof. Es geht weiter mit einem Pferd, das an einer Knochenverletzung litt. Die Halterin berichtet begeistert, dass ihr Tier durch Globuli wieder voll belastbar wurde, obwohl der Tierarzt ihr keine Hoffnung mehr machen konnte. Weiteres Fallbeispiel, anderes Pferd: Homöopathie-Tierarzt Scherr berichtet von der Verabreichung eines D1000-Mittels, das zur Heilung einer Entzündung führte. Die ebenfalls durchgeführte Laserbehandlung wird in einem Nebensatz erwähnt. Scherr ist überzeugt, dass es bei Pferden keinen Plazeboeffekt gibt und beteuert, dass Homöopathie immer wirke, oft innerhalb von Sekunden.

Besuch beim Homöopathie-Hersteller Spagyra: Dietmar Schöberl, Herstellungsleiter, erklärt umfangreich die Herstellung homöopathischer Mittel von der Urtinktur über die Verdünnung, sorry, Potenzierung bis zum fertigen Präparat. Schöberl philosophiert über elektromagnetische Schwingungen, Information und Energie. Das Spagyra-Logo auf seinem Laborkittel ist jederzeit gut sichtbar.

Auftritt Natalie Grams: Sie berichtet, dass ihre Homöopathen-Kollegen sich nach ihrer Abkehr von der Homöopathie  abgewendet haben, erzählt (initiiert durch eine Suggestivfrage) vom guten Gefühl, das homöopathisch behandelte Patienten gewinnen. Frau Grams schildert die Erfahrungen mit ihrem ersten Buch sowie ihren früheren Umgang mit Patienten. Für ein paar wenige kritische Worte bleibt kaum Zeit.

Szenenwechsel. Es wird in Schrift und Ton aus einem Homöopathiebuch von Erfried Pichler zitiert:

„Als praktische Medizin kann die Homöopathie nicht naturwissenschaftlich begründet werden. Allerdings besteht für die Homöopathie kein Begründungsbedarf durch fremde Wissenschaftsmodelle, da sie über ein voll ausgebildetes und seit über 200 Jahren erfolgreich eingesetztes, eigenes Wissenschaftsmodell verfügt.“

Weiter geht es nach Wien. Journalist Timo Küntzle steht vor dem AKH. Hier arbeitet der Homöopath und Internist Michael Frass, der mit einer Krebspatientin gezeigt wird, welche erklärt, dass sie ihre Genesung der homöopathischen Behandlung verdanke. Arbeiten von Frass werden zitiert, auf positive Studien hingewiesen. Für die Homöopathie ungünstig ausgefallene Studien werden von Frass relativiert.

Im weiteren Verlauf des Filmes werden ein paar schlecht gelaunte alte Männer und Frauen gezeigt, die etwas gegen die heilende Wirkung der Homöopathie haben sowie einige Apotheken-Kundinnen, die auf Globuli schwören.

Schlusssatz: „Manchmal ist das persönliche Wohlbefinden eben eine Frage des Glaubens.“

Auch hier haben wir die kritischen Stimmen großzügig überhört. Dennoch sind sie vorhanden: Im ersten Teil des Films nehmen sie weniger als 20% der Laufzeit ein, gegen Ende überwiegen sie; sogar renommierte Homöopathiekritiker wie Edzard Ernst und Edmund Berndt kommen ausgiebig zu Wort. Wichtig ist jedoch, was beim unbedarften Betrachter hängen bleibt: Homöopathie hat einen guten Ruf als „sanfte Alternative“, „ohne Chemie“ und „ganzheitliche Heilmethode“. Dieses Image wird durch die beiden hier kritisierten Werke eher bedient als demontiert. Wer nur zwei Drittel des Films sieht, geht mit dem beruhigenden Gefühl schlafen, mit der nächsten Packung Globuli einer bewährten und unbedenklichen Medizin vertrauen zu können.

Die konkrete Kritik lautet also: Die Aufklärung gehört an den Anfang des Videos, sie soll deutlich, unüberhörbar und prominent platziert sein. Sie soll klar als Fakt daherkommen, nicht als leise geäußerte Gegenrede am Schluss.

Beiden Filmen gemein ist das Bemühen um journalistische Ausgewogenheit, was in politischen und gesellschaftlichen Debatten durchaus seine Berechtigung hat, bei wissenschaftlichen Themen jedoch zur „false balance“ missrät und Schaden anrichtet. Dann wird gesichertes Wissen als Meinung diskreditiert, als verhandelbare, gefühlte Wahrheit. Texte und Videos über Homöopathie, die diesem Muster folgen, sind schlechte Werke, da sie ihr Ziel meilenweit verfehlen.

Der heute-show gelang es jüngst, den Kern des Problems in einer Zeile zusammenzufassen:

“Patient bekloppt + Arzt bekloppt = Homöopathie”

Sich diesem Bewusstseinszustand mit der Vortäuschung freundlichen Interesses anzuwanzen, zwingt vorübergehend zu Selbstverleugnung, bewirkt aber keine Aufklärung. Denn eine derart verwässerte Botschaft erreicht die vernebelten Hirne der Adressaten nicht.

Liebe Journalisten: Traut Euch, Fakten als solche zu präsentieren. Homöopathie ist eine altertümliche, nutzlose und keinen einzigen Cent werte Pseudomedizin. Das ist keine bloße Meinung, und darum sollte man es auch klar so sagen.

Mehr zum Thema:

Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW 48/49, 2018)

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Sind Skeptiker starrköpfig und unbelehrbar? Glaubt man den Worten von Esoterikern, Homöopathen und Aluhüten, ist das wohl der Fall. Grundsätzlch sollten Skeptiker in der Lage sein, flexibel auf neue Informationen zu reagieren, diese zu prüfen und gegebenenfalls ihre Ansichten zu ändern. Kritisches Denken bedeutet nicht, an einer Meinung entgegen anderslautender Argumente festzuhalten. Allerdings sind Skeptiker recht gefestigt in ihren Vorstellungen, wie ein Argument auszusehen hat. Reine Meinungen sind wertlos. Erst überprüfbare Fakten werden als Diskussionsgrundlage anerkannt. Sind diese vorhanden, ist es allerdings sehr einfach, die Ansichten von Skeptikern zu ändern. Die Diskussion um das Münsteraner Memorandum Heilpraktiker zeigte im letzten Jahr sehr schön, wie Gegenargumente – soweit sie überhaupt vorhanden waren – nicht aussehen sollen. Eine frisch erschienene Analyse der Kritik am Memorandum wurde diese Woche in einer Fachzeitschrift publiziert und ist sehr aufschlussreich. Eure Linkvorschläge für die kommende Woche nehmen wir wieder gerne entgegen, ebenso wie Argumente jeglicher Art – bevorzugt solche mit nachprüfbaren Fakten.


 

Gesundheit und Medizin

 

GWUP-Blog: Eine Analyse der Kritik am „Münsteraner Memorandum Heilpraktiker“

Über das zum Teil unterirdische Argumentationsniveau von Heilpraktikern als Reaktion auf das „Münsteraner Memorandum“ (MMH) berichteten wir unter anderem hier und hier – und auch im Kommentarbereich finden sich zahlreiche Diskussions-Beispiele.

Dr. Jan-Ole Reichardt und Dr. Daniel Friedrich vom Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin der Universität Münster – beide Gründungsmitglieder des Münsteraner Kreises – haben kritische Kommentare der Heilpraktiker-Zunft zum MMH systematisch gesammelt, sortiert und ausgewertet.

 

Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie: Faktencheck von Jens Behnkes Faktencheck zu NDR-Info „Redezeit“ vom 21.11.2018

Am 21. November 2018 wurde von NDR Info eine Live-Sendung im Radio ausgestrahlt, in der sich Zuhörer und Studiogäste zum Thema „Streit um die Homöopathie – Wie sinnvoll sind Globuli?“ äußern konnten. Als Studiogäste waren Dr. Jens Behnke von der Carstens Stiftung, Hinnerk Feldwisch-Drendrup von MedWatch und ich vom INH beteiligt. Herr Behnke hat nun auf „naturundmedizin“ einen „Faktencheck“ vorgestellt, in dem er zu den Aussagen der Skeptiker Stellung nimmt, wonach es keine belastbare Evidenz dafür gibt, dass die Homöopathie eine Wirksamkeit über Placebo hinaus entfalten würde.

 

boingboing: Junk science promoted by bots and trolls results in North Carolina chickenpox outbreak

North Carolina is reporting the worst chickenpox outbreak since a vaccine for it was introduced more than 20 years ago. Ground zero for the outbreak is the Asheville Waldorf School, where 36 children have come down with chickenpox.

 

A new, comprehensive review: HOMEOPATHY = PLACEBO THERAPY

The primary objective of this paper was to assess the efficacy of homeopathy by systematically reviewing existing systematic reviews and meta-analyses and to systematically review trials on open-label placebo (OLP) treatments. A secondary objective was to understand whether homoeopathy as a whole may be considered as a placebo treatment. Electronic databases and previously published papers were systematically searched for systematic reviews and meta-analyses on homoeopathy efficacy. In total, 61 systematic reviews of homeopathy were included.

 

Skeptical Raptor: Acupuncture for hypertension – more evidence that it does not work

The claims for acupuncture have any clinical usefulness are vastly overblown with evidence ranging from weak to nonexistent to dangerous. As Steven Novella at Science-Based Medicine once wrote, acupuncture is nothing more than “theatrical placebo.” On the long list of ridiculous claims for this pseudoscience is using acupuncture for hypertension treatment – and once again, real biomedical science shows it is worthless.

 

derStandard.at: Warum das Wahlfach Homöopathie an der Med-Uni Wien gestrichen wurde

Rektor Markus Müller begründet den Schritt im STANDARD-Gespräch damit, dass sich “die Med-Uni von unwissenschaftlichen Verfahren und Scharlatanerie klar distanziert”. Der Anbieter des Wahlfachs ist Michael Frass, seit 1994 Professor an der Med-Uni. Der Internist ist spezialisiert auf innere Intensivmedizin und leitet auch seit 2004 die homöopathische Ambulanz für maligne Erkrankungen, also für bösartige Tumorerkrankungen.

 

First German Physiotherapy Podcast: Interview mit Natalie Grams

Die beiden Gesprächspartner unterhalten sich über die verschiedenen Rollen im Gesundheitswesen. Vor allem sind die folgenden Themen ein zentraler Teil des Gesprächs:

– Homöopathie
– Heilpraktiker
– Sektoraler Heilpraktiker Physiotherapie
– Osteopathen
– Patientenversorgung
– Gründe für komplementäre Behandlungsmethoden

 

kurier.at: Homöopathie-Debatte: “Diese Methode ist auf Sand gebaut”

Diese Lehrveranstaltung war ursprünglich dazu gedacht, das Thema Homöopathie kritisch zu beleuchten. Wir haben dann von mehreren Studenten Rückmeldungen bekommen, dass es eine Werbeveranstaltung für Homöopathie sei. Diesen Beschwerden sind wir nachgegangen. Ebenso wie Aussagen, dass es Untersuchungsergebnisse der MedUni Wien gebe, die angeblich belegen, dass es Patienten besser gehe, wenn sie auch homöopathisch behandelt wurden. Konklusive, also schlüssige und klare Ergebnisse gibt es aber nicht.

 

Bayern 2 IQ: Alternativmedizin – Unerforschte Wirkstoffe, dubiose Heiler (Audio, 24 min.)

Ein Heilpraktiker behandelte schwerstkranke Krebspatienten mit einem vermeintlichen Wundermittel. Drei Patienten starben. Das Landgericht Krefeld hat das Hauptverfahren gegen den Mann eröffnet

Wiki:
https://www.psiram.com/de/index.php/Klaus_Ross
https://www.psiram.com/de/index.php/3-Bromopyruvat-Therapie

 

Pharmamamas Blog: Weshalb Homöopathie (doch) in die Apotheke gehört (Gastbeitrag)

Ich habe manchmal das Gefühl, wenn gegen Homöopathie gewettert wird, steht sie für alles Nicht- Wissenschaftliche, für Esoterik und ist das Gegenteil von „Schulmedizin“. Es sollte nicht so schwarz-weiß gesehen werden! Werden Antidepressiva wirklich nur bei schweren Depressionen eingesetzt, wo sie besser als Placebo wirken? Wie oft hilft dem Kunden das Pantoprazol schon 5 Minuten nach der Einnahme, wenn er es selten gegen seine Magenschmerzen nimmt? Ich glaube ihm das durchaus, allerdings ist das sicherlich nicht auf den Wirkstoff zurückzuführen.
Homöopathie sollte als das genutzt werden, was sie ist, ein Placebo, das Wirkung zeigen kann und in vielen Bereichen unterstützend eingesetzt werden kann, wenn der Kunde bzw. Patient das wünscht.

 

DAZ.online: Homeda ruft alle Arzneimittel zurück

Der Hersteller homöopathischer Arzneimittel Homeda stellt seinen Betrieb ein. In einer offiziellen Mitteilung ruft das Unternehmen Großhändler und Apotheker auf, alle Arzneimittel der Firma zurückzusenden.

Wiki: https://www.psiram.com/de/index.php/Homeda_Pharma_GmbH

 


 

Gesellschaft, Politik und Religion

 

futurezone.at: Der große Logikfehler der Verschwörungstheorien

Das World Trade Center wurde von der US-Regierung gezielt gesprengt. Die Mondlandung hat es nie gegeben. Und bis heute wird das außerirdische Raumschiff versteckt gehalten, das 1947 in Roswell abgestürzt ist. Alle diese Theorien sind Unsinn, doch alle diese Theorien werden trotzdem von vielen Leuten mit erbitterter Überzeugung vertreten. Und alle diese Theorien beruhen auf demselben Logikfehler: Es gibt eine „offizielle Darstellung“ der Ereignisse, der man nicht so recht glauben will. Und wenn man dann Unstimmigkeiten in dieser Darstellung findet, deutet man das als Beleg für die eigene Gegenthese, auch wenn die noch viel unstimmiger ist.

 

higgs: Esoteriker haben immer recht

Heute zeige ich euch meine magischen Kräfte. Ich kann Gegenstände allein mit der Kraft meiner Gedanken in der Schwebe halten. Ihr glaubt das nicht? Ich habe das schon hunderten von Leuten gezeigt. Immer noch nicht überzeugt? Aber ich brauche eure Hilfe. Ihr müsst alle ganz fest daran glauben, dann geht es.

 

blooD’N’Acid: Esoterik an der Kieler Universität – Schreckliche Eseleien!

Ok, überzeugt, ich muß also doch eine Serie daraus machen, die CAU hat es so gewollt. Ein Kommentator machte mich darauf aufmerksam, daß unter dem Banner der CAU (phil. Fakultät) am 4.12. um 18:15 Uhr im Hörsaal E (CAP2) und ausgerichtet vom Chinazentrum der CAU eine Veranstaltung stattfinden wird mit dem Titel “Feasting on Donkey Skin” (dt. Eselhaut schlemmen), in der es, wenn man der Ankündigung glauben darf, um nichts weniger als die Glorifizierung einer abartigen Praktik, wie so oft im Namen der TCM, geht: Esel werden totgeschlagen und ihnen wird die Haut abgezogen, um daraus eine Art Gelatine, genannt “Eijao“, zuzubereiten, die mit viel Eifer und Gleichgültigkeit gegenüber den Eseln, dafür aber, wie gewohnt, ohne jede Evidenz für ihre Wirksamkeit in der TCM und für diverse andere Produkte verwendet wird

 

tagesschau.de: “Migrantenschreck”-Prozess – Geld von rechten Verlagen?

Ab Morgen steht der mutmaßliche Betreiber des Internet-Waffenladens “Migrantenschreck” vor Gericht. Nach Informationen von NDR, WDR und “SZ” soll er Geld vom rechten Kopp-Verlag und vom Compact-Verlag erhalten haben.

Wiki: https://www.psiram.com/de/index.php/Anonymous.Kollektiv

 

GWUP-Blog: Das Goldene Brett 2018: And the Winner is …

Zum achten Mal wurde am 28. November 2018 das „Goldene Brett vorm Kopf“ verliehen, der Satirepreis für den größten antiwissenschaftlichen Unfug des Jahres. Hunderte Vorschläge waren online eingegangen, eine Jury wählte zunächst drei Finalisten und dann den Sieger: Das Goldene Brett geht diesmal an das Wiener Krankenhaus Nord und den „Bewusstseinsforscher“ Christoph Fasching.

 


 

Wissen und Forschung

 

Science: Organizers of gene editing meeting blast Chinese study but call for a “pathway” to human trials

An international conference on human gene editing dominated by news of the birth of the world’s first genetically engineered babies today concluded with a statement from the organizers that harshly condemned the controversial study. But it did not call for a global moratorium on similar studies, as some scientists had hoped; instead it called for a “translational pathway” that might eventually bring the ethically fraught technology to patients in a responsible way.

 

phys.org: New evidence reveals how heavy elements were created after the Big Bang

The Big Bang theory and the question of how life on Earth began has fascinated scientists for decades, but now new research from The University of Western Australia suggests the conditions that resulted from the Big Bang are different to what we thought.

 


 

Psiram

 

Aus dem Blog-Archiv (09/2017): Verzweifelt gesucht: Argumente pro Heilpraktiker

Ein politischer oder gesellschaftlicher Diskurs besteht aus dem Austausch von Argumenten, aus Rede und Gegenrede und im Idealfall aus einer gemeinsam erarbeiteten Lösung, die insgesamt für alle Beteiligten mehr Vor- als Nachteile bringt. Damit ist das Münsteraner Memorandum auch eine Aufforderung an die Heilpraktiker: „Hier sind unsere Argumente. Bitte zeigt uns Eure!“

Das Memorandum weist auf ein Problem hin, das mindestens seit 1939 besteht, analysiert selbiges und schlägt Lösungen vor. Die Betroffenen, also die Heilpraktiker, haben jetzt die Möglichkeit, ihre Gegenposition darzulegen, mithin also zu erläutern, warum ihr Beruf weder abgeschafft noch reformiert gehört oder welchen Kompromiss sie sich stattdessen vorstellen.

 

Neu im Psiram-Wiki:

 


 

Video der Woche

 

“Überleben im Unrechtsstaat” – Undercover im Reichsbürger-Seminar #DokuCorrectiv mit Frontal21

Reichsbürger glauben an kaiserliche Gesetze, die Bundesrepublik als Kapitalgesellschaft und satanische Schattenherrscher, die unsere Geschicke schon Jahrhunderte im Voraus planen. Klingt nach Spinnern? Nein. Die Reichsbürger-Bewegung wächst aus der bürgerlichen Mitte. CORRECTIV war mit Kollegen des ZDF-Politmagazin Frontal21 undercover auf einem Reichsbürger-Seminar in der Schweiz.

Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=KPnmmIrD0oc

SkyWay und die verschwundenen Patente

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„Scammer“ sind Firmen oder Personen, die etwas anbieten, das nicht oder nicht wie angegeben existiert bzw. funktioniert – also Betrüger. Eine typische Masche von Scammern ist die Ankündigung eines angeblich sensationellen Produktes, das z.B. Energie aus dem Nichts produziert, gegen allerlei Krankheiten hilft (“Snake Oil“) oder Reichtum ohne Arbeit ermöglicht. Beliebt sind auch Zusatzfunktionen, welche die Welt besser, die Umwelt sauberer und die Gesellschaft gerechter machen; Weltverbesserung verkauft sich gut. Wer aber Geld für ein Produkt nimmt, das gar nicht existiert, muss damit rechnen, verklagt und wegen Betrugs verurteilt zu werden. Daher haben sich die meisten Scammer auf fachfremde (und daher leichter zu täuschende) Investoren oder Spekulanten als Zielgruppe spezialisiert. Diese werden mit Versprechungen geködert und anschließend – oft auf Jahre hinaus – mit noch größeren Versprechungen vertröstet. Die ehrgeizigen Pläne werden natürlich niemals umgesetzt.

Als Köder für Technologie-Scams dient die Präsentation zahlreicher Patente. Diese sollen neben Zertifikaten (z.B. vom TÜV) und Referenzen (die gewöhnlich frei erfunden sind) die Seriosität des Unternehmens sowie die Machbarkeit des Projekts belegen.

Ein derzeit recht aktives Scam-Projekt ist die Firmengruppe SkyWay aus Weißrussland. Firmengründer Anatoli Yunitsky möchte angeblich das weltweite Transportwesen revolutionieren und vielerorts Gondeln (“String Transport” genannt) aufhängen, die bislang allerdings nur als Computer-Animationen, Handzeichnungen oder Funktionsmodellen auf Märchenpark-Niveau existieren. Yunitsky behauptet, solche Hängebahnen seit über 40 Jahren zu entwickeln, kann aber keinen einzigen Auftrag vorweisen. Die Beschreibung des Systems steckt voller Widersprüche und technischer Unmöglichkeiten, das Firmengeflecht ist undurchsichtig, und die Finanzierung von Yunitskys Jugendtraum basiert auf einem MLM-System mit überzogenen Gewinnversprechen. Das Geschäftsmodell von SkyWay besteht darin, wertlose Gutscheine als „Firmenanteile“ zu verkaufen. Finanzaufsichtsbehörden vieler Länder haben bereits Warnungen vor SkyWay veröffentlicht.

Immerhin kann er aber doch einen ganzen Stapel Patente vorweisen, oder?

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Kurzer Exkurs über Patente:

Für die Erteilung eines Patentes muss ein Verfahren oder eine technische Vorrichtung folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Die Erfindung muss eine Neuheit sein, d.h. sie muss sich von bereits existierenden Erfindungen unterscheiden
  • Die zu patentierende Erfindung muss gewerblich anwendbar sein
  • Sie muss auf erfinderischer Tätigkeit beruhen und darf nicht trivial oder einfach nur eine Abwandlung eines anderen Patents sein

Anmelden kann man prinzipiell alles, auch ein Rad, einen Rückenkratzer oder eine Büroklammer. Ob die Bedingungen für eine Patenterteilung erfüllt sind, wird erst im Rahmen einer Patentprüfung festgestellt.

Dazu muss ein Prüfungsantrag gestellt werden, wofür das russische Patentrecht dem Anmelder drei Jahre Zeit lässt (das deutsche Patentrecht räumt übrigens sogar eine Frist von sieben Jahrein ein). Dazu kommt dann noch die Prüfungsdauer. Eine Patentanmeldung kann also über mehrere Jahre hinweg aufrechterhalten werden, ohne dass eine tatsächliche Prüfung erfolgt ist. Während dieser Frist kann sie grundsätzlich auch für Werbezwecke genutzt werden.

 


Werfen wir nun einen Blick auf die angeblichen Patente von Anatoli Yunitsky.

Der folgende Link führt zu einer weltweiten Recherche bei Espacenet:

In der Spalte „Publication info“ findet sich die Patentnummer und dahinter ein Kürzel in runden Klammern. Bei vielen Einträgen steht dort „A“, „A1“ oder „C1“, teilweise „C2“. Die Legende des russischen Kennzeichnungssystems beim EPO bringt Klarheit: Nur mit B oder C beginnende Kürzel bezeichnen erteilte Patente. Einträge mit einem A-Kürzel sind reine Anmeldungen.

Ein Klick auf einen Eintrag mit anschließender Abfrage des INPADOC legal status fördert dann Sätze wie „THE PATENT IS INVALID DUE TO NON-PAYMENT OF FEES“, „LAPSE OF A EURASIAN PATENT DUE TO NON-PAYMENT OF RENEWAL FEES WITHIN THE TIME LIMIT IN THE FOLLOWING DESIGNATED STATE(S)“ oder „APPLICATION DEEMED TO BE WITHDRAWN zutage. Das letzte erteilte Patent mit der Nummer RU2324612 (C1) stammt aus dem Jahr 2006 und lief 2011 aus.
Diese Patentanträge und Patente sind wegen nicht gezahlter Gebühren ungültig geworden oder wurden zurückgezogen. Eine oberflächliche Suche führt also bereits zu 38 Einträgen auf den Namen Yunitsky, für die entweder kein Patent erteilt oder die Patentgebühr nicht bezahlt wurde.

Schlussfolgerung: Die Erfindungen von Anatoli Yunitsky, für die nur Anmeldungen existieren, sind entweder nicht neu, es fehlt ihnen die erfinderische Höhe oder sie sind nicht kommerziell nutzbar. Möglicherweise hat Yunitsky das Geld gefehlt, um die Patentgebühren zu bezahlen. An den erteilten Patenten scheint er jedenfalls kein hinreichendes Interesse gehabt zu haben, um diese durch jährliche Entrichtung der Gebühren aktiv zu halten. Das bedeutet: Yunitsky wirbt mit einer Patentsammlung, die so schlicht nicht existiert. Es handelt sich um Potemkinsche Dörfer.

Gebrauchs- und Geschmacksmuster bieten die Möglichkeit, geistiges Eigentum schützen zu lassen, ohne Patenthürden überwinden zu müssen. Auch davon hat Yunitsky in einigen Fällen Gebrauch gemacht.

Das Gebrauchsmuster ist indes ein ungeprüftes Schutzrecht und läuft nach spätestens 10 Jahren ab: „Im Eintragungsverfahren werden Neuheit, erfinderischer Schritt und gewerbliche Anwendbarkeit nicht geprüft. Dadurch ist der Gebrauchsmusterschutz einfacher, schneller und kostengünstiger zu erlangen als ein Patentschutz.“ (DPMA)

Das Geschmacksmuster wiederum schützt nur das Design (z.B. Form, Muster und Farben der Gondeln), nicht jedoch die technische Umsetzung. Da offenbar niemand plant, die (ohnehin nicht besonders originellen) SkyWay-Gefährte nachzubauen, ist auch dieser Schutz eher wertlos, wird aber von Yunitsky und seinen Anhängern immer wieder auf eine Weise gefeiert, als ob damit ein großer Durchbruch erzielt worden wäre.

Was bleibt?

SkyWay hält keine gültigen Patente und hat kein einziges den Werbeaussagen entsprechendes Bahnsystem realisiert. Aufträge oder Forschungsprojekte gibt es nicht. So bleibt nur der schöne Schein: Modellbauten und Animationen, die einzig und allein dem Zweck dienen, Menschen mit mehr Geld als Hirn zu blenden.
Eines ist gewiss: Wer in SkyWay investiert, ist sein Geld los.

Ein großes Dankeschön für Recherche und Vorarbeit zu diesem Artikel geht an den Allmystery-User und Bahnkenner „Thorsteen“. Keep on rolling!

 

Mehr zum Thema:


In eigener Sache

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Wir werden am Dienstag, dem 18.12.2018, nachmittags vom Netz gehen. Wir haben uns entschlossen aufzugeben … nee, April April. Es sind nur Wartungsarbeiten!

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Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW 50, 2018)

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Sprechen wir über Motivation: Was bringt eigentlich eine bunte Mischung von Menschen dazu, ein Informationsportal über Pseudowissenschaften, Beutelschneiderei und irrationale Überzeugungssysteme seit inzwischen elf Jahren zu pflegen? Nach Ansicht einiger Kritiker kommen dafür nur niedere Beweggründe in Frage: Angst, Neid, Missgunst oder gar Geld aus dunklen Kanälen. Andererseits kann auch der Wunsch, die Aufklärung voranzutreiben, sich mit interessanten wissenschaftlichen Themen zu beschäftigen und gemeinsam mit ähnlich Gesinnten nützliche Informationen zusammenzutragen, einen wirksamen Antrieb darstellen. Freundliche Zuschriften, Dankesworte und Anfragen von Journalisten wirken ebenfalls motivierend. Vielleicht ist es aber auch überhaupt nicht notwendig, die Frage nach dem Nutzen immer wieder zu stellen. Wie Florian Aigner bei futurezone schreibt, darf etwas auch einfach nur Spaß machen, ohne ein höheres, nutzbringendes Ziel zu verfolgen. Über Themenvorschläge und warme Worte sowie über Linkspenden für den nächsten Wochenrückblick – der allerdings erst im Januar erscheinen wird – freuen wir uns auf jeden Fall und wünschen erkenntnisreiche Feiertage.


 

Gesellschaft, Politik und Religion

 

futurezone.at: Ziellos glücklich (Florian Aigner)

Vielleicht ist Weihnachten eine gute Zeit, um über den Wert der unnützen Ziellosigkeit nachzudenken. Entspannen wir uns ein bisschen. Nicht weil uns jemand erklärt hat, dass das die freien Radikale in der Haut reduziert, sondern weil es sich einfach gut anfühlt. Seien wir nett zu Tante Irma. Nicht damit sie uns dann später mal das Auto vererbt, sondern weil es schön ist, nett zu sein. Und essen wir Weihnachtskekse. Nicht die nützlichen, mit Vitaminen, Ballaststoffen und Zuckerersatz. Sondern die, die einfach nur gut schmecken.

 

bluewin.ch: Russische Sekte kommt in die Schweiz

Mit ihren Schlagworten treffen sie den Zeitgeist: im Einklang mit der Natur sein, vegan leben, Kindern in ihrer Entwicklung Raum lassen. Eben genau so wie Anastasia. Jene schöne, junge Frau, die irgendwo in der sibirischen Taiga lebt, völlig allein, von den Tieren, die sie umgeben, abgesehen. Von ihrer Existenz wissen Anastasias Anhänger nur von Wladimir Megre, der der weisen Blondine vor gut 20 Jahren begegnet sein will. Zehn Bücher schrieb der russische Autor über seine Erlebnisse mit der Schönen, die sich seit einigen Jahren auch auf deutsch nachlesen lassen – herausgegeben vom Hare-Krishna-nahen Govinda Verlag. Sie gelten als Bibel der Anastasia-Sekte, die aus Russland stammt und langsam auch in der Schweiz Fuss fasst.

Wiki: https://www.psiram.com/de/index.php/Anastasia

 

BR.de: Wie Russland über seine Medien Einfluss in Deutschland ausübt

Den russischen Sender RT Deutsch gibt es in Deutschland seit 2014, gesendet wird online. Was die RT-Beiträge oft auszeichnet: sie möchten alternative Sichtweisen präsentieren, sagt Politologin und Osteuropahistorikerin Susanne Spahn. Sie untersuchte im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung den Sender Russia Today Deutsch und die Online-Plattform Sputnik News. Die Frage: Handelt es sich dabei um unabhängigen Journalismus oder um ein politisches Instrument?

 

hpd: Verschwörungstheorien – “Für das Ringen um eine bessere Welt verloren”

Wird die Menschheit von reptilienartigen Wesen regiert? Vergiften uns die Herrschenden mit Chemikalien, die von Flugzeugen versprüht werden? Wird die Weltgeschichte von geheimen Kräften gesteuert? Bernd Harder befasst sich in seinem neuen Buch “Verschwörungstheorien” mit denjenigen, die auf solche Fragen mit “Ja” antworten. Im Gespräch mit dem hpd erläutert er, was unter einer Verschwörungstheorie zu verstehen ist, warum dieses Denken derzeit so viele Anhänger findet und weshalb davon eine Gefahr für die politische Kultur ausgeht.

 

GWUP: Prognosencheck 2018

Für die GWUP e.V. (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) hat der Mainzer Mathematiker Michael Kunkel für das ablaufende Jahr wieder einmal die Prognosen von Hellsehern, Astrologen und Wahrsagern beim Wort genommen und das Versagen der esoterischen Zukunftsdeuter dokumentiert.

 


 

Wissen und Forschung

 

Spektrum.de: Geoengineering: Die Erde zu kühlen, kostet nur zwei Milliarden

Von Vulkanen lernen – das ist das Prinzip hinter einer der ältesten Ideen, die Erderwärmung auszugleichen. Bei ihren Ausbrüchen speien Pinatubo und Co. regelmäßig große Mengen schwefelhaltige Verbindungen in die hohen Schichten der Atmosphäre – wo sie einen Schleier aus feinsten Schwebteilchen bilden. Diese Aerosole werfen einen Teil der Sonnenstrahlung zurück, das Ergebnis kann ein dramatischer vulkanischer Winter sein – so zum Beispiel das »Jahr ohne Sommer« 1816, nach dem Ausbruch des Tambora auf der anderen Seite der Erdkugel. Schon lange überlegen vor allem Ingenieure, mit diesem Effekt das Klima zu stabilisieren.

 

Quantenwelt (SciLogs): Einheiten – eine kleine Revolution

Am 16. November haben die weltweiten Institute für Standards in der Generalkonferenz für Maß und Gewicht eine Revolution verabschiedet. Erstmals sollen alle sieben Basiseinheiten über Verfahren definiert werden, die in jedem dafür ausgestatteten Labor nachvollzogen werden können. Einzelne Primärstandards, die irgendwo im Safe gelagert werden müssen, haben dann ausgedient.

 

The BMJ: We jumped from planes without parachutes (and lived to tell the tale)

“Would you be willing to jump out of this plane without a parachute?” For the last year we’ve posed this question, mid-flight, to dozens of unsuspecting travellers seated on commercial aeroplanes. Why would we set out to ask such a ridiculous question? Some background may be in order. In 2003, Smith and Pell published a tongue-in-cheek systematic review which concluded that there were no randomised clinical trials (RCTs) evaluating the effectiveness of parachutes in preventing major trauma related to “gravitational challenge.” They argued that the “most radical protagonists of evidence based medicine” should volunteer to participate in a randomised, double blind trial of the parachute. In the two decades since the appearance of this seminal work in The BMJ Christmas issue, the parachute has been the paragon of biological plausibility. The saviour of anecdote. The arch-nemesis of evidence based medicine. There isn’t a week that goes by without a head shaking colleague reminding us that the parachute hasn’t been tested in an RCT.

 

Uni Kiel: Ringvorlesungen „Wissenschaft und alternative Fakten III“

Alternative Fakten von tatsächlichen, wissenschaftlich belegten Fakten zu unterscheiden, ist heutzutage nicht leicht. Daher ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Wissenschaft und das Vertrauen in diese unverzichtbar. Wie aber unterscheidet man gute von schlechter Wissenschaft? Woher kann man wissen, welche Informationen wahr sind und welche nicht? Gibt es „richtige“ Fakten überhaupt?

 

Spektrum.de: Ökobilanz: Ist Biolandbau schlecht fürs Klima?

Pestizidfrei, gentechnikfrei und glückliche(re) Tiere: Viele Verbraucherinnen und Verbraucher greifen auf Biolebensmittel zurück, um sich und der Umwelt etwas Gutes zu tun. Doch die ökologische Landwirtschaft könnte eine große Schattenseite haben, wie Timothy Searchinger von der Princeton University und sein Team in »Nature« bilanzieren. In Sachen Klimaschutz sei Biolandbau verglichen mit konventioneller Landwirtschaft kontraproduktiv, so die Forscher in einer Mitteilung – der höhere Flächenverbrauch sorge dafür, dass mehr kohlenstoffspeichernde Naturflächen in Nutzland umgewandelt werde.

 

Our World in Data: Child Mortality

Since the beginning of the age of the Enlightenment and over the course of modernization, the mortality of children below 5 years of age has declined rapidly. Child mortality in rich countries today is much lower than 1%. This is a very recent development and was only reached after a hundredfold decline in child mortality in these countries. In early-modern times, child mortality was very high; in 18th century Sweden every third child died, and in 19th century Germany every second child died. With declining poverty and increasing knowledge and service in the health sector, child mortality around the world is declining very rapidly: Global child mortality fell from 18.2% in 1960 to 4.3% in 2015; while 4.3% is still too high, this is a substantial achievement.

 


 

Gesundheit und Medizin

 

Respectful Insolence: Parents are still feeding their children bleach to “cure” their autism

Jim Humble and Kerri Rivera are quacks of the vilest sort, selling ineffective and potentially dangerous bleach, all the while attacking their critics as vigorously as I mentioned about other quacks yesterday. They’ve also created what advocates call the “CD community” (for chlorine dioxide), where parents swap stories of their experiences with MMS. I keep asking this question: Will the autism “biomed” underground ever renounce using bleach to treat autism? The answer, sadly, appears to be no.

 

Medizin transparent: Marillenkerne: gefährlich und kein Mittel gegen Krebs

Obwohl sie giftiges Amygdalin enthalten, werden geschälte bittere Marillenkerne (Aprikosenkerne) immer wieder als Snack verkauft. Schon die Menge, die in wenigen Kernen enthalten ist, kann gesundheitsschädlich sein. Im November 2018 musste die österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) ein solches Produkt wegen Vergiftungsgefahr zurückrufen.

 

Onkel Michaels kleine Welt: Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde – Heute: Dr. Nikil Mukerji

Heute folgt nun der zweite Teil der kleinen Serie „Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde“. Diesmal hat Dr. Nikil Mukerji aufgeschrieben, warum er die Homöopathie öffentlich kritisiert. Nikil Mukerji ist Philosoph und lehrt an der Ludwigs-Maximilians-Universität München und ist akademischer Geschäftsführer des Studiengangs Philosophie, Politik, Wirtschaft. 2017 erschien sein hervorragendes Buch Die 10 Gebote des gesunden Menschenverstands, das ja hier auf dem Blog auch bereits besprochen wurde. Gemeinsam mit Natalie Grams erschien bei Spektrum der Artikel Die Denkfehler der Homöopathie.

 


 

Psiram

 

Aus dem Blog-Archiv (12/2016): Große Gefühle: Der Psiram-Jahresrückblick 2016

Gefühlt war dieses Jahr länger, ereignisreicher, aufregender, deprimierender, spannender, bedrohlicher als alle Jahre zuvor. Gefühlt hat der Realismus, das kritische Denken, die Vernunft einige herbe Rückschläge einstecken müssen. Gefühlt bestanden die Nachrichten nur noch aus Meldungen über Krieg, Terror, Flüchtlinge und den endgültigen Untergang des Abendlandes. Gefühlt ist die gesamte Musikszene der 60er, 70er und 80er Jahre ausgestorben. Gefühlt sind wir von Reichsbürgern umgeben, die sich eigene Ausweise drucken und die Erde zur Scheibe in den Grenzen von 1937 erklären. Gefühlt steht an jeder Ecke ein Globulidealer und brüllt uns schon aus der Ferne entgegen: Viren gibt es nicht! Die Pharmamafia will uns alle töten! Komm mit zur nächsten Masernparty! Hüte dich vor den Chemtrails!

 

Neu im Psiram-Wiki

 


 

Video der Woche

 

Mick West: UFOs Filmed from Helicopters. Not So Fast!

There are a few UFO videos that are shot from a moving helicopter (or plane) where the camera tracks what seems to be a fast moving object. The best demonstration of this effect now comes from Tom Churchill of Churchill Navigation with this video of a mylar balloon filmed from a helicopter. After the cameraman starts tracking the balloon it looks like it’s moving incredibly fast over the background, but we can see it’s just a balloon drifting in the wind, and the apparent motion comes from a combination of the helicopter motion, and the magnified movement due to the zoom factor. With just a little math we can find out where the balloon is relative to the helicopter, and discover that it’s not actually moving very fast at all!

Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=YYqVa59VRRc

Anhang: What it is like to be a bat to read the Treatise

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Anhang unserer Serie zur Philosophie Bunges

Magisches Theater
Eintritt nicht für jedermann
[…]
Nur – – für – – Ver – – rückte!

Hermann Hesse, Der Steppenwolf

Das Hauptwerk Bunges ist der Treatise on Basic Philosophy (1974 – 1989) in acht Bänden; es ist nicht ins Deutsche übersetzt. Vorab ein Tipp zur Lektüre für diejenigen, die sich partout nicht abschrecken lassen wollen: Man kann es natürlich auf die harte Tour versuchen und mit Band 1 und 2, der Semantik, beginnen. Sanfter wäre der Einstieg aber mit Band 5 und 6,der  Erkenntnistheorie, gefolgt von Band 3 und 4, der Ontologie. Band 7 (in 2 Halbbänden) beschäftigt sich mit der Philosophie der Einzelwissenschaften, Band 8 mit Ethik.

Kommen wir zur Sache. Wir fangen mit Band 1 an (wählen also die harte Tour). Nach einer kurzen Vorrede geht es so los:

DEFINITION 1.1 A septuple ℒK =⟨Σ, □, ◦, Φ, τ, Ω, Δ⟩, where K, Σ and Ω are sets, □ is a distinguished element of Σ, ◦ is an operation on Σ, Φ and τ are families of mappings, and Δ is a function, is called a (finitary) symbolic language for communicating systems of kind K iff […] [61]

Kryptisch. Und dann folgen sechs Bedingungen, die dem Einsteiger das Leben aber nicht leichter machen. Bunge erklärt nicht, wo er seine Zeichensprache her hat (dunkel ahnt man, dass sie was mit Mengenlehre zu tun hat). Die Inspiration dazu hat er von seinem philosophischen Lehrer Kanenas T. Pota [62] – ein Anagramm für “Niemand”. Doch auch wenn die nötige Aktivierungsenergie beträchtlich ist: Man muss den Mut nicht sinken lassen. “Mathematik versteht man nicht. Man gewöhnt sich einfach an sie” (John von Neumann). Sicher hat der Mathematiker oder Logiker hier einen Startvorteil. Der Rest der interessierten Sterblichen braucht halt etwas länger. Aber es lohnt sich. Beispielsweise hatte ich das Kapitel 14 aus Matter and Mind (Was sind Objekte) zunächst wegen Unverständnis beiseitegelegt – inzwischen, nachdem ich mich mit dem Treatise auseinandergesetzt habe, finde ich es genial.

Zurück zum Treatise, der sich ganz der Exaktifizierung der Philosophie verschrieben hat. Ich will das Vorgehen Bunges, so wie ich es verstehe, an einem Beispiel deutlich machen.

Oben (d. h. in Teil 1) hatten wir kurz die Fakten berührt. Was sagt Wittgenstein? “1.1. Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge”; desgleichen in Englisch: “The world is the totality of facts, not of things”; d.h. Fakten = Tatsachen. Von der Frage geplagt, was nun ein Fakt ist, erklärt Wittgenstein in 2.01, dass der “Sachverhalt […] eine Verbindung von Gegenständen. (Sachen, Dingen)” sei, und in 2.011, dass es “dem Ding wesentlich [ist], der Bestandteil eines Sachverhaltes sein zu können” [63]. – Nanu, ein aus Dingen bestehendes Ding ist kein Ding mehr? Was unterscheidet denn nun Dinge von Sachverhalten? (Im englischen Text ist das noch rätselhafter: da spricht Wittgenstein vom “atomic fact”, der “a combination of objects (entities, things)” sei) [64]. Hier die Antwort Bunges. (Es geht mir aber hier mehr um die Struktur des Arguments, weniger um seinen Inhalt):

DEFINITION 4.3 Let X be a thing. Then f is a fact involving X iff either

(i) f is a state of X, i.e. there is a state space S𝕃(X) for X such that f = sS𝕃(X), or
(ii) f is a change of state of (or event in) X, i.e. there is an S𝕃(X) such that f = e = 〈s, s’〉∈S𝕃(X) × S𝕃(X).
[65]

Äh … alles klar? Versuchen wir, das aufzudröseln. In natürliche Sprache übersetzt klingt das so: Ein Fakt ist ein Zustand eines Dings oder die Änderung des Zustands eines Dings – m. a. W. er ist nicht das Ding selbst. Aber was bedeutet das? Zerlegen wir die Formel.

  • Was heißt “iff”? “wenn und nur wenn”
  • Was ist ein Ding? Ein konkretes Objekt, ein substanzielles Individuum mit seinen Eigenschaften
  • Was ist substanziell? Das angenommene, qualitativ unbestimmte, bloße Individuum (ähnlich der Primärsubstanz des Aristoteles) [66], in Unterscheidung vom Konstrukt
  • Was ist ein Zustand [state space S𝕃(X), Zustandsraum]? Die in einem theoretischen Modell erfassten (gesetzlich) möglichen Zustände s [states] eines realen Objekts
  • Und was ist ein Objekt? Das ist grundlegend und nicht weiter definierbar [67]

Alle diese Definitionen werden zuvor entwickelt und begründet, kein Begriff hängt in der Luft. Das Schema, das er hier anwendet, ist in etwa

  1. Intuitive Idee, in natürlicher Sprache formuliert, ggf. mit einer skizzenartigen Kritik widersprechender Auffassungen (das ist das, womit die Philosophie im Regelfall bereits aufhört)
  2. Eine exakte Definition, gewöhnlich in einer Formelsprache
  3. Wahlweise Beispiele, Korollarien (durchnummerierte Ableitungen), Theoreme, Überleitungen, Kritik anderer Auffassungen

Was die kritische Auseinandersetzung mit anderen Auffassungen angeht: Diese kann ausführlich sein; häufiger aber ist sie knapp. Beispiel. Er zeigt, dass Freges [68] mehrdeutige Verwendung von “Denotation” (Bezeichnung) in eine Absurdität führt und schließt lakonisch:

Moral: halte Referenz und Wahrheitswert auseinander. (Eine andere: Ehre die Treffer eines großen Mannes und nicht seine Fehlschüsse.) [69]

Allmählich zeigt sich: Bunge bemüht eine faszinierende Systematik, ein Fortschreiten von den Grundannahmen zu den Verästelungen und (zumindest mitunter) vom Einfachen zum Komplizierten. Der Nachteil ist: So etwas versteht man nicht, ohne über den Formeln zu brüten und die Sätze mehrfach zu lesen. Der große, nahezu unschätzbare Vorteil seiner Methode ist: Sie ist nachvollziehbar und transparent, das heißt kritisierbar. Nirgends wird verschleiert, wenn er eine Annahme macht, die sich nicht aus dem bisher Gesagten ableiten lässt. Was der Mediävist Kurt Flasch – auf die historisch-kritische Forschung bezogen – sagt, trifft hier zu: Es sind “Ergebnisse, die nur zusammen mit dem Beweisweg vorgetragen werden, der zu ihnen geführt hat, so dass sie widerlegbar sind. Weil sie prinzipiell widerlegbar sind, sind sie überwiegend sicher.” [70]

Diese Systematik Bunges geht manchmal bis ins Verspielte. So hat sein Buch “Chasing Reality” zehn Kapitel mit je zehn Abschnitten, und in “Mind-Body-Problem” unterteilt er den psychophysischen Monismus wie den Dualismus in je 5 Unterarten (die von Graham Hoyle daraus extrahierte Aussage ist: “he says, in effect, ‚clear off the pitch you guys, this is not your game.’ ” [71]). Die formallogische Beschreibung von konzeptueller versus realer Existenz (zur zentralen Bedeutung dieser Unterscheidung s. der Abschnitt Ontologie) exerziert er am Beispiel von Sirenen und Zentauren (“Man nehme die Aussage ‚Manche Sirenen sind schön’, die als ‚(∃x)(Sx & Bx)’ symbolisiert werden kann. So weit so gut. Die Schwierigkeit beginnt, wenn man die Formel als “Es gibt schöne Sirenen’ liest […]” [72]).

Wir bleiben noch einen Moment bei der Semantik, dem härtesten Brocken der Bunge-Philosophie. Verspielt kann man auch manche anderen Beispiele nennen. Die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen der Extension [73] (ℰ) und der Referenzklasse (d. h. dem Bezug) (ℛ) eines Prädikats [74] illustriert er so:

ℛ(Fliegen auf einem Besenstiel) = Hexen,
ℰ(Fliegen auf einem Besenstiel) = ∅.

Ein ehrwürdigeres Beispiel ist:

ℛ(Rational) = Menschheit, ℰ(Rational) ⊂ Menschheit. [75]

Um schließlich auch die Kritisierbarkeit zu beleuchten, noch ein anderes Gimmick. Im Kapitel “Mind” [76] geht er von Definitionen aus, die außerordentlich umfassend sind, und die – intendiert – auch Tiere einschließen. Wem fällt da nicht Terry Pratchett ein, Maurice der Kater. Es folgt beispielsweise (Sec. 5.2):

Anmerkung 7: Da Verhalten und psychische Hirnaktivität [mentation] von Tieren, die mit einem plastischen ZNS ausgestattet sind, zum Teil von ihrer Umwelt abhängig sind, muss ein und dasselbe Tier in verschiedenen Umgebungen differente Persönlichkeiten zeigen – z. B. Tyrann zu Haus und Untertan auf der Arbeit.

Dr. Jekyll/Mr. Hide. Aber das widerspricht geradezu dem klinischen Sinn des Persönlichkeitsbegriffs, der sich darum bemüht, eine Synthese der umstandsabhängigen Verhaltensweisen, eben den Kern der Persönlichkeit, zu erfassen und die Widersprüche zu interpretieren. Auch die folgende These ist konsequent – aber schräg:

Anmerkung 8: Es gibt eine personelle Identität oder überdauernde Persönlichkeit nur in dem Sinn, in dem es eine digestive oder kardiovaskuläre Persönlichkeit gibt; Verhalten und psychische Hirnaktivität von höheren Vertebraten ist wandelbarer und störbarer als jede andere Körperfunktion.

Es hat schlicht keinen Sinn, so deviant zu definieren. Danach (Sec. 5.5.) überinterpretiert er empirische Befunde zur Sprachfähigkeit von Tieren, über welche die Zeit hinweggeschritten ist. Jahre später ist er vorsichtiger (“Now, the empirical evidence for ‚ape language’ is weak”) [77], wenn er auch den Argumenten der Kritiker noch nicht so recht beizupflichten gewillt ist. Ich spekuliere zur Genese: Bunge hatte fruchtbaren Austausch mit Grundlagenforschern wie Robert Merton, Donald Hebb oder Dalbir Bindra (alles Größen ihres Fachs), aber nicht mit Praktikern. Um sich über die mit Geist und Gehirn zusammenhängenden Themen näher zu informieren, halte ich andere seiner Bücher für geeigneter (gelungen finde ich z. B. Matter and Mind in dieser Hinsicht).

Aber das ist einer der ganz wenigen Punkte seiner im Treatise ausgearbeiteten Philosophie, gegen die ich grundsätzliche Einwände habe.

Abschließend seien noch einmal die Bände des Treatise on Basic Philosophy aufgezählt:

  1. Semantics I: Sense and Reference (1974)
  2. Semantics II: Interpretation and Truth (1974)
  3. Ontology I: The Furniture of the World (1977)
  4. Ontology II: A World of Systems (1979)
  5. Epistemology & Methodology I: Exploring the World (1983)
  6. Epistemology & Methodology II: Understanding the World (1983)
  7. Epistemology & Methodology III: Philosophy of Science and Technology
    • Part I: Formal and Physical Sciences (1985)
    • Part II: Life Science, Social Science and Technology (1985)
  8. Ethics: The Good and The Right (1989)

  1. : Treatise Vol. 1, Ch. 1, Sec. 1.1.1.
  2. : Treatise Vol. 1, General Introduction to the Treatise
  3. : Wittgenstein: Tractatus Logico-Philosophicus
  4. : Aufgespießt von … Bunge (Chasing Reality, Kap. 1.3.)
  5. : Treatise Vol. 3, Ch. 4, Sec. 2.1.
  6. : “Auf Kürze und Verständlichkeit getrimmt: Die Substanz ist das bloße, nackte Etwas, das die Eigenschaften ‚trägt'” (Natur der Dinge, Kap. 2.1.2)
  7. : “We shall take this general notion of an object as primitive or undefined, for it is far too basic and important to be definable.” Treatise Vol. 1. Ch. 1. Sec. 3.1.
  8. : Gottlob Frege (1848-1925), einer der Begründer der modernen Logik.
  9. : Treatise Vol. 1, Ch. 2, Sec. 2.7.
  10. : Flasch K: Warum ich kein Christ bin. München 2013, S. 50
  11. : Hoyle G: Book Review. Journal of Neurobiology, Vol. 14, No. 4, p. 337-338 (1983)
  12. : Treatise Vol. 3, Ch. 3, Sec. 4.3.
  13. : “Jedes Prädikat bestimmt eine Klasse, die als die Extension des Prädikates bezeichnet wird. Diese Klasse ist die Menge aller Individuen (Paare, Tripel, etc.), die die von dem Prädikat repräsentierte Eigenschaft besitzen: ℰ(S) = {x∈D|Sx}” (Philosophie der Biologie, S. 51)
  14. : “Die begriffliche Repräsentation einer realen [oder nicht realen – Verf.] Eigenschaft wird Prädikat genannt.” Natur der Dinge, Kap. 2.2.2
  15. : Treatise Vol. 1, Ch. 4, Sec. 1.2.
  16. : Treatise Vol. 4, Ch. 4.
  17. : Treatise Vol. 5, Ch. 3, Sec. 3.1.

Lesereise 6: Wissenschaftlichkeit und Philosophie, Szientismus

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Teil 6 unserer Serie zur Philosophie Bunges

Die Kritik Bunges an der vorherrschenden Philosophie ist scharf; kein Wunder, dass er nicht gemocht wird. Der intellektuelle Mob bekundet seine Abneigung hemmungslos: Eine Rezension bei Amazon von Über die Natur der Dinge spricht vom “kaum zu überbietenden Blödsinn” und empfiehlt “jedem Leser, den Brennwert dieses Buches empirisch zu ermitteln”. – Da kommen einem die öffentlichen Auftritte von Trump-Anhängern (einfachen, gläubigen Menschen) in den USA in den Sinn, die ihre Nike-Sportschuhe verbrannt haben, weil die Firma einen Werbespot mit dem von Trump als Hurensohn titulierten Football-Spieler Colin Kaepernick geschaltet hatte.

Es stellt sich die Frage, ob die Kritik Bunges berechtigt ist. Ich muss hier der Versuchung widerstehen, ganze Abschnitte aus seinen Büchern zu zitieren. Sie würden keiner Übersetzung aus einer hochformalen abstrakten Sprache bedürfen; die Kenntnis eines simple English würde genügen, sie zu verstehen. Ich werde mich mit einigen wenigen Zeilen begnügen.

Der entscheidende Vorwurf, den Bunge der Philosophie macht, ist ihre hochmütige Isolierung von der Wissenschaft [49]:

Nur das Höhere [im Original deutsch, Verf.] ist der Aufmerksamkeit des Herrn Professors würdig. Überlass’ das Elend des täglichen Lebens den niederen Kreaturen [to the lesser beings]. [50]

Das hat durchaus Tradition, sagt er: Locke habe Newtons opus magnum nicht gekannt, welches genau jene Bewegungsgesetze beschreibt, die er in seinem Essay für unerkennbar erklärt habe – er verstand nicht genug von Mathematik [51]. (Man vergleiche dazu die Rapoportsche Bunge-Kritik, s. o.  Newtons Mathematik war zu seinen Lebzeiten allerdings nur für eine Handvoll Menschen verständlich.). Hume lehnte die Newtonsche Mechanik explizit ab, weil sie nicht aus Sinneseindrücken abgeleitet ist [52]. Kant habe sein Interesse an der Naturwissenschaft um 1756 aufgegeben und nur noch Philosophen gelesen – “ein Brauch, der sich bis in unsere Tage erhalten hat” [53]. An weiteren scharfzüngigen Sottisen ist kein Mangel.

Nachdem Bunge die Ossifikation der Philosophie konstatiert hat, hält er fest:

In der Tat, all die sogenannten ewigen Probleme der Philosophie, wie “was sind mathematische Objekte”, Materie, Raum, Zeit, Kausalität, Zufall, Leben, Geist, Gesellschaft und Geschichte, werden von Forschern in den jeweiligen Fachdisziplinen detailliert bearbeitet. [54]

Hier aber ist ein Caute! zu setzen: Bei diesen “ewigen Problemen” auf die Einzelwissenschaften zu setzen bedeutet, dass die Philosophie eben auch veralten kann. Sichtbar wird das beispielsweise in Band 7 des Treatise, der die “Philosophy of Science and Technology” umfasst. Die Themen sind dort notwendigerweise nur noch selektiv, und die ganze Bandbreite der jeweils konkurrierenden Auffassungen ist nicht mehr immer integrierbar. Ist das ein Nachteil? Nein, sagt Bunge, das ist der Lauf der Welt, Wahrheitswerte veralten. “Nein, Langlebigkeit ist nicht notwendig ein Zeichen von Wahrheit oder Nützlichkeit: sie kann auch ein Zeichen der Ignoranz sein.” [55]

Und er fährt fort mit einer Verteidigung des Szientismus:

Die methodologische These lautet, dass der beste Weg, die Realität zu untersuchen, darin liegt, die wissenschaftliche Methode anzunehmen, welche sich auf die Regel herunterbrechen lässt: “Überprüfe deine Vermutungen” [“Check your guesses“]. Dem Szientismus ist explizit von Dogmatikern und Obskuranten aller Schattierungen widersprochen worden, wie dem neoliberalen Ideologen Friedrich Hayek und dem “kritischen Theoretiker” Jürgen Habermas, einem schwerfälligen Schriftsteller, der es fertig gebracht hat [who managed], Hegel, Marx und Freud zu amalgamieren, und der dekretiert hat, dass “die Wissenschaft die Ideologie des Spätkapitalismus” sei.

Dagegen hat Lalandes schlichtes [sober] Vocabulaire (1938: II, 740) die folgende Definition des Szientismus gegeben: “Er ist die Idee, dass der Geist und die Methoden der Wissenschaft auf alle Gebiete des intellektuellen und moralischen [sozialen] Lebens ausgedehnt werden sollten”. So ist der Szientismus, entgegen seinen Verleumdern [detractors], nicht das gleiche wie ein sozialer Naturalismus oder der Versuch, die Naturwissenschaft auf gesellschaftlichem Gebiet nachzuäffen: es ist allein der Versuch, die wissenschaftliche Methode auf alle Probleme anzuwenden, die Fakten betreffen.
[56]

Check your guesses. Was einer Regel folgt, kann studiert werden. Und wenn es keiner Regel folgt … – wie will man wissen, ob es einer Regel folgt, wenn man es nicht studiert hat?

Es gäbe noch vieles zu berichten (z. B. über das “Leib-Seele-Problem” oder die Popper-Kritik [57]), aber ich will es mit einem Spruch bewenden lassen, der beides anreißt:

Ein Beispiel für diese teleologische Denkweise ist der Titel des Buchs von Popper und Eccles: “Der Geist und sein Gehirn”. Warum nicht “Das Gehen und seine Beine”, “Die Verdauung und ihr Gedärm” oder ähnliches? [58]

Finis. Nein, halt, den noch:

Wenn die wissenschaftliche Forschung tatsächlich diejenige philosophische These voraussetzt, die den Szientismus charakterisiert, dann widerspricht sie nicht dem Humanismus, wie oft verkündet wird. Was die Befürworter des Szientismus bekämpfen, ist die antiwissenschaftliche Haltung, die von Hegel, Schopenhauer, Nietzsche, Dilthey, Bergson, Husserl, Heidegger, der Frankfurter Schule und den Postmodernisten, welche von den Humanwissenschaften in Frankreich Besitz ergriffen haben, eingenommen wird. Verdienen es diese Feinde der Rationalität, “Humanisten” genannt zu werden, wenn wir Aristoteles’ Definition des Menschen als “ein rationales Tier” akzeptieren? [59]

Nun soll es aber wirklich genug sein.

Und was ist denn nun “Materie”? Ein Abstractum. [60] 😄

In unserer Serie zur Philosophie Bunges folgt noch ein Anhang für Hardcore-Fans


  1. : Doing Science, Kap. 11.7.
  2. : Chasing Reality, Kap. 3
  3. : Chasing Reality, Kap. 2.5.
  4. : Chasing Reality, Kap. 2.7.
  5. : Chasing Reality, Kap. 2.8.
  6. : Evaluating Philosophies, Kap. 2.5.
  7. : Treatise Vol. 6, Ch. 12, Sec. 3.2.
  8. : Evaluating Philosophies, Kap. 2.6.
  9. : Karl Popper ist sicher derjenige der Philosophen, dem er die ausführlichste Kritik gewidmet hat. Vielleicht ein andermal.
  10. : Matter and Mind, Kap. 9.5.
  11. : Doing Science, Kap. 10.5.
  12. : Natur der Dinge, Kap. 2.5.1.

Lesereise 5: Religion

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Teil 5 unserer Serie zur Philosophie Bunges

“Verbindung von Religion und Ethik”

Nach dem Vorgesagten wird man von Bunge keine Verteidigung der Religion erwarten, und darin wird man nicht enttäuscht. Manche Gedanken sind natürlich mehr oder weniger atheistisches Gemeingut, aber dennoch hat er Bleibendes zu sagen. Ein kurzer Abriss findet sich bereits in Treatise (Vol. 6, eingeordnet ins Kapitel 14, “Kinds of Knowledge”, Abschnitt 4, “Illusionary Knowledge”, Unterabschnitt 4.2., “Ideology”). Ausführlicher ist das Kapitel 6, “Materialismus, Wissenschaft und Religion” in der Natur der Dinge. Der “populäre Irrtum” einer Verbindung zwischen Religion und Ethik, dieser zentrale Punkt der heutigen Gottesbeweise, wird in Abschnitt 5.5 regelrecht zertrümmert. Auf gedrängtem Raum kommen Bunge/Mahner fast ohne Beispiele aus; sie argumentieren nahezu ausschließlich aus der inneren Widersprüchlichkeit der “gottgegebenen” Ethik heraus. Sie scheitert als Gottesgebot:

Würde Gott gebieten, wir sollten kleine Kinder foltern, dann wäre das Foltern kleiner Kinder dadurch moralisch richtig. Warum? Weil der Gottesgebotstheorie zufolge der Ausdruck ,moralisch richtig’ nichts anderes bedeutet als “von Gott geboten”. Wer nun der Versuchung unterliegt, hier einzuwenden, Gott würde niemals etwas so Unmoralisches oder Böses gebieten wie das Foltern kleiner Kinder, der lehnt damit implizit die Gottesgebotstheorie ab. Denn er sagt nichts anderes, als dass Recht und Unrecht offenbar unabhängig von Gott sind.

Und sie scheitert als Naturrecht (entweder hätte Gott dann auch eine andere Natur schaffen können, womit er wieder den Schwarzen Peter hätte, oder er ist bestenfalls nur der kosmische Sanktionator):

Warum soll Homosexualität wider die Natur sein, das Klavierspielen oder das Bungee-Jumping aber nicht? Müssen wir die Malaria in Afrika nicht fördern statt bekämpfen, weil sie dort natürlich ist? Ist nicht die gesamte Medizin unnatürlich? […] Je mehr Beispiele man betrachtet, desto mehr verstärkt sich der Eindruck, dass ein guter Teil der Ethik eher dazu dient, von der Natur wegzukommen, als einem vermeintlichen Naturrecht zu folgen.

“Getrennte Magisterien” und die “Vereinbarkeit der Religion mit der Wissenschaft”

Die “Konfliktthese” sei die historiographische Annahme eines intrinsischen Konflikts zwischen Religion und Wissenschaft, diese sei aber natürlich längst “von allen Wissenschaftshistorikern aufgegeben worden” (deklariert die englische Wikipedia [40]). – Sicherlich zusammen mit dem “naiven Szientismus des 19. Jahrhunderts”, der “alles in Zentimeter und Sekunden” messen wolle und noch immer nicht einsehe, dass sich die Wissenschaft auf “schwankendem Grund” bewege, was doch schon seit Kant klar sein sollte. [41] So seien die im angelsächsischen Raum bedeutendsten Vertreter der Konfliktthese, John William Draper und Andrew Dickson White, inzwischen umfassend und auf der ganzen Linie widerlegt (wie solche Widerlegungen aussehen, haben wir übrigens in unserem Blog schon einmal gestreift).

Zweifellos hat der Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft in der Gegenwart erheblich an Schärfe verloren, verglichen mit der Vergangenheit bis hinein ins späte 19. Jahrhundert. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Religion würde sich lächerlich machen, wenn sie sich noch immer gegen die Wissenschaften, insbesondere die Naturwissenschaften, engagieren würde. Ein Anpassungsprozess hat stattgefunden: Die Ansichten von Thomas Paine über die Bibel, mit denen er seine Zeitgenossen mehr noch als mit seinem Unitarismus schockierte, könnten heute von einem Erzbischof vertreten werden [42]. Die zeitgemäße Variante des religionsfreundlichen Burgfriedens ist die Lehre von den “getrennten Reichen”, beispielhaft und beredt von Stephen Jay Gould verkündet (non-overlapping magisteria, NOMA). Damit gibt es aber ein Problem: Wenn diese “Magisterien” keine Berührungspunkte mehr miteinander haben, dann haben natürlich auch ihre “Befunde” keine Berührungspunkte. Wie Gott dann auf die Welt einwirken soll, zum Beispiel mit dem intelligent design oder auch “nur” einer creatio continua, ist ein mindestens ebenso großes Mysterium wie die unbefleckte Empfängnis.

Voller Dankbarkeit wurde diese Lehre vom Papst aufgegriffen: “Glaube und Vernunft (Fides et ratio) sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt.” (hier). In Deutschland ist man auf das sog. “Böckenförde-Diktum” stolz, welches das Kunststück fertig bringt, der Religion einen staatstragenden Platz einzuräumen, ohne sie beim Namen zu nennen.

Ich will nicht versäumen, eine weitere fruchtbringende Anwendung dieser Lehre vorzustellen: Der “Beidseitismus” (bothsideism), die falsche Ausgewogenheit, die wir kürzlich in unserem Blog diskutiert haben (hier). Der Apologet Jeffrey Burton Russell (wir kennen ihn von seinem “Debunking” des Flacherde-Mythos [hier]) schreibt, dass die Theologen die Darwinsche Evolutionstheorie bereitwillig akzeptiert hätten (dabei muss ihm Bischof Wilberforce irgendwie entgangen sein), doch:

Im späten 19. Jahrhundert … zogen es T. H. Huxley (1825-1895) und andere vor, dem Christentum den Krieg zu erklären. In den 1920er Jahren dann erklärten George McCready Price und seine Anhänger dem Darwinismus den Krieg, indem sie sich für die wörtliche Interpretation der Genesis aussprachen und den Junge-Erde-Kreationismus hervorbrachten. Der Lärm, den die Extremisten beider Seiten erzeugten, hat seitdem die Tatsache verdunkelt, dass die meisten Christen die Evolution und das Christentum für vereinbar halten. [43]

Vielleicht haben Huxley und McCready Price sogar den gleichen Abstand vom Mainstream des Christentums (“extremists on both sides”), aber gewiss nicht den gleichen Abstand zur Realität. Daraus folgt zwangsläufig, dass das Christentum in der Russellschen Fassung sich weit von der Realität entfernt hat.

Dies war die Vorrede, nun zur Sache. Bunge/Mahner setzen sich ausführlich und systematisch mit der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Religion auseinander (Kapitel 6 der Natur der Dinge). Die Bilanz ist verheerend. Wenn die Religion wirklich auf alle weltlichen Ansprüche verzichten wollte, dann müsste sie dazu eine für den Gläubigen kaum noch akzeptable Farb- und Folgenlosigkeit annehmen. Aus den zahlreichen Unverträglichkeiten sei noch herausgegriffen: “Während die Wissenschaften die Religionen kennen und erklären müssen, brauchen die Religionen nichts über die Wissenschaften zu wissen.” [44] Fazit: “Die Unvereinbarkeit zwischen Wissenschaft und Religion besteht heute weniger in Konflikten bezüglich konkreter Tatsachenaussagen über die Welt als vielmehr in den philosophischen Voraussetzungen der beiden Bereiche.” [45]

Der Materialismus sei verwerflich, weil er den Kosmos zu einer toten, kalten Wüste mache, bevölkert von Zombies. Er könne die Liebe nicht erklären, heißt es häufiger in der apologetischen Vulgärliteratur. (Gewöhnlich wird diese “Feststellung” von zahlreichen Invektiven begleitet, die Rückschlüsse auf die Gemütsverfassung der jeweiligen Autoren zulassen. Sie hat mit Liebe nicht viel zu tun.) Und es ist schlicht falsch. Noch einmal Jeffrey Burton Russell: “Der Atheismus ist unmusikalisch, farbenblind, sogar widernatürlich [nature-challenged][46] genannt worden. Der Atheismus ist wie das menschliche Auge, das nur einen winzigen Anteil des elektromagnetischen Spektrums sieht. Für Atheisten ist der Rest des Spektrums einfach nicht vorhanden.” [47] – Nur: 2000 Jahre Theologie haben die Existenz von Röntgenstrahlen nicht aufgedeckt. Um den Infrarotanteil des Spektrums zu sehen, genügt ein Nachtsichtgerät (Ergebnis der Wissenschaft), doch Gott ist auf die Kirchenfenster nur aufgemalt.

Schon gar nicht damit [mit dem Szientismus, Verf.] verbunden ist die von antiwissenschaftlich eingestellten Personen oft gemachte oder implizierte Behauptung, dass etwas wegerklärt oder entwertet ist, sobald man es wissenschaftlich erklärt hat. Auch wenn völlig erklärt sein sollte, wie und warum ich jemanden liebe oder hasse, warum ich lieber Rotwein trinke als Bier oder was in mir vorgeht, wenn ich Musik höre: All dies ändert nichts an der Qualität oder Intensität dieser Gefühle oder Empfindungen. [48]

Es folgt Teil 6 unserer Serie zur Philosophie Bunges


  1. : https://en.wikipedia.org/wiki/Conflict_thesis. Bereits eine stichprobenartige Überprüfung der Quellenlage sollte nachdenklich stimmen. Beispiel 1. “The Galileo affair is one of the few examples commonly used by advocates of the conflict thesis.” So etwas kann nur schreiben, wer auf die Unwilligkeit des Lesers vertraut, sich mit der Wissenschaftsgeschichte bekannt zu machen. Beispiel 2. Von den beiden Finocchiaro-Zitaten, die ich versucht habe zu verifizieren, ist eines krass überinterpretiert, und das andere an der angegebenen Stelle nicht zu finden. Danach habe ich aufgegeben.
  2. : Kimmerle G: Begriffene Unwahrheit. Kopernikus, Kant und der methodische Atheismus der Naturwissenschaften. Stuttgart 2018, Vorwort
  3. : Bertrand Russell, The Fate of Thomas Paine, in Why I Am Not A Christian, S. 147
  4. : Russell JB: Exposing Myths About Christianity, Illinois 2012, S. 164f
  5. : Natur der Dinge, Kap. 6.4.1.3.
  6. : Natur der Dinge, Kap. 6.5.
  7. : In einem gewissen, von Russell jedoch nicht intendierten Sinne ist das korrekt: Die Rationalität ist nicht der Standardmodus der menschlichen Gehirns. Wolpert L: The Unnatural Nature of Science, London 1993.
  8. : Russell JB: Exposing Myths, S. 37
  9. : Natur der Dinge, Kap. 6.2.

Lesereise 4: Wahrheit (Semantik, Erkenntnistheorie)

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Teil 4 unserer Serie zur Philosophie Bunges

Intuitiv ist Wahrheit die Übereinstimmung mit der Realität, aber natürlich wird diese schlichte, “naive”, Korrespondenz verdächtig, wenn die Realität als solche zweifelhaft oder zumindest der mangelhaften Erkennbarkeit verdächtig wird. Verbunden, aber nicht identisch mit der Frage, was die Wahrheit ist, ist die Frage, woran man sie erkennt – ihr Kriterium.

Für den Mönch Vinzenz von Lerins (um 450) war die Wahrheit das, was immer und überall und von allen geglaubt wird, womit sie mit der katholischen Wahrheit zusammenfiel. Descartes hielt dafür, dass wahr ist, was klar und deutlich ist – aber der Skeptiker Bayle fragt, wie es denn um diese Klarheit bestellt ist, wenn Christen ihre Konfession wechseln. Gottscheds empörte Widerlegung besteht darin zu behaupten, dass diejenigen, die sich unsicher seien, nur nicht richtig durchblicken würden, und:

Allein, es ist ein altes Sprüchwort, daß die Menge der Irrenden dem Irrthume keinen Vorschub thun könne: Multitudo errantium, non parit errori patrocinium [Wenn noch so viel irren, so wird keine Wahrheit daraus, eigentlich ein Rechtsgrundsatz]. Die Sonne bleibt doch wohl ein Licht, wenn sie gleich von einem Blinden nicht gesehen, und von Nachteulen geschmähet wird [24].

Aber damit führt er ein Argument gegen den Intersubjektivitätsbegriff der Wahrheit gegen die Kritik am kartesischen Evidenzbegriff (Wahrheit ist, was am Tag liegt) ein.

Soweit war man in der Frühen Neuzeit. Der Begriff der Wahrheit war endgültig den Philosophen in die Hände gefallen. Inzwischen gibt es so viele Wahrheitsbegriffe wie Konfessionen: Skirbekk [25] teilt sie grob ein in Korrespondenztheorie, Kohärenztheorie (wahr ist, was logisch konsistent ist), pragmatische Theorie (wahr ist, was sich als brauchbar erweist), analytische und phänomenologische Denkweisen. Jeder hat seins. “‘Was ist Wahrheit?’ fragte Pilatus spöttisch und wollte nicht bleiben, um die Antwort zu hören. Pilatus war seiner Zeit voraus. Denn ‚Wahrheit’ ist selbst ein abstraktes Substantiv, also ein Kamel von einer logischen Konstruktion, das nicht einmal durch das Öhr eines Grammatikers hindurchgehen kann” [26], meint Austin und verliert sich in den Tiefen ebenjener Grammatik, worauf Strawson Nägel mit Köpfen fordert: “Die Korrespondenztheorie muss nicht gereinigt, sondern aufgegeben werden.” [27] Heidegger ist das nicht ontisch genug. “Das Wesen der Unverborgenheit ist die Entbergsamkeit” [28], womit er wohl den gefährlichen Weg aus der Platonschen Höhle (wohin? ins “Licht”) meint, den er mit allerlei Metaphern und Neologismen pflastert (aber ganz sicher bin ich nicht). Feyerabend verkündet: Alles Käse. “Die Wahrheit, was immer sie sein mag [whatever it is], sei verdammt. Was wir brauchen ist Gelächter.” [29]. Ein Wissenschaftsclown plaudert aus seinem Nähkästchen. Und so wiederum ist sie in derjenigen Gestalt, in welcher sie politisch am brauchbarsten ist: “Die Wahrheit ist relativ” [30] und liege im Auge des Betrachters, sagt Rudy Giuliani, der Rechtsanwalt eines soziopathischen, pseudologischen Phantasten. Sie stört beim Überleben.

Nun der Spin, den Bunge dieser Angelegenheit verleiht. Ausgehend von seiner eigenen Ontologie mit der scharfen Trennung zwischen materiellem Objekt (Gegenstand der Realwissenschaften) und Konstrukt (Gegenstand der Formalwissenschaften, das sind im Wesentlichen die Logik und die Mathematik) behauptet er:

Die erste Wahrheit über die Wahrheit ist, dass es viele gibt. Tatsächlich gibt es logische, mathematische, faktische, moralische und künstlerische Wahrheiten. ‚Wir sind hier’ ist eine logische Wahrheit, weil ,hier’ definitionsgemäß ist, wo immer wir sind. Eine Multiplikationstafel ist eine Ansammlung mathematischer Wahrheiten ohne Logik, wenn auch konsistent mit ihr. ‚Vertreter des Freihandels praktizieren Protektionismus’ ist eine faktische Wahrheit heutzutage. ‚Es ist falsch, die Schwachen auszunutzen’ ist eine moralische Wahrheit. Und ‚Don Quijote ist großzügig’ ist eine künstlerische Wahrheit. [31]

Kurz: Eine einheitliche Wahrheitstheorie, die sowohl die konkreten Sachverhalte als auch die Konstrukte betrifft, ist nicht möglich. Leibniz unterscheidet die vérité de raison von der vérité de fait. In der Mathematik geht es um formale Wahrheit. Die Korrespondenztheorie der Wahrheit betrifft die reale Welt, und die Kohärenztheorie passt für die Wahrheit in den Formalwissenschaften – die ontologisch neutral sind, d. h. keine Aussage über die Welt machen (dazu müssen sie erst interpretiert, das heißt angewendet, ihre Formelzeichen mit einer konkreten Bedeutung ausgestattet werden):

Der logische Wahrheitsbegriff hat rein gar nichts mit dem der faktischen Wahrheit zu tun. So kann ein logisch gültiger Schluß aus lauter faktisch falschen Prämissen und einer falschen Konklusion bestehen: ‚Alle Giraffen haben 15 Halswirbel; Darwin ist eine Giraffe. Ergo hat Darwin 15 Halswirbel’. [32]

Auch der pragmatische Wahrheitsbegriff findet bei Bunge seinen Platz:

Die Praxis, die nicht der Beweis der Wahrheit [test of truth] ist, ist der ultimative Beweis der Effizienz. Deshalb muss Effizienz unabhängig vom Wahrheitsgehalt überprüft werden. Das ist natürlich nicht die Ansicht des Pragmatismus und des dialektischen Materialismus, für die allein die Praxis zählt. Aber diese Ansicht ist falsch, wie durch zahllose Theorien in den Grundlagenwissenschaften gezeigt wird, die nicht praktisch nutzbar und deshalb weder effizient noch ineffizient sind, sowie durch zahllosen Mythen, die sehr erfolgreich sind – z. B. bei der Rekrutierung von Gläubigen und Aktivisten – ohne wahr zu sein. [33]

Die Nützlichkeit [usefulness] ist ein Wert, der die Technologie betrifft, nicht die Wissenschaft.

Genetisch, scheint mir, war es eher umgekehrt: Nicht die Ontologie führte Bunge in diesen Wahrheitsbegriff, sondern die Leibnizsche Unterscheidung zwischen faktischer und Vernunftswahrheit war der Ausgangspunkt für seine Ontologie.

(Partielle oder vollständige) Wahrheit ist eine Eigenschaft von Aussagen [propositions], die einer gewissen Überprüfung standgehalten haben [that have passed certain tests]. [34]

Daraus folgt: Behauptungen, die noch nicht geprüft sind, haben keinen Wahrheitswert (sie sind weder wahr noch falsch). Sie sind nicht a priori Träger von Wahrheit, und sie existieren nicht (z. B. als platonische Idee), bevor sie jemand gedacht hat. Die Kritik Bunges an dem großen Alfred Tarski bezieht sich genau darauf. Tarski habe nicht zwischen der faktischen und der konzeptuellen Wahrheit unterschieden, seine Theorie betreffe also allein die formale Wahrheit [35]. Folgerichtig wird Bunge dafür platonistisch beschimpft: “crude misunderstandings” und “This is all absurd”. [36]

Wie steht es um das Wahrheitskriterium? Es gibt kein Kriterium der Wahrheit, sagt der kritische Rationalismus. Gut, sagt Bunge, es gibt nicht das Kriterium der Wahrheit, aber es gibt einen Haufen von Symptomen oder Indikatoren: empirische (z. B. Testerfolg) und begriffliche (z. B. interne und externe Konsistenz) [37], die von Fall zu Fall eine höchst unterschiedliche Wertigkeit haben können. In Treatise [38] ist er dazu nicht nur ausführlich, sondern zusätzlich geradezu unterhaltsam.

Ein Problem, das Bunge immer wieder beschäftigt hat, ist das der näherungsweisen Wahrheit (“Alle Wissenschaften und Technologien benutzen ein intuitives Konzept der ungefähren Wahrheit [approximate truth] – zum Ärger der Logiker” [39]): Fehlerrechnungen, Standard-Abweichungen usw. zeugen davon. Er  versuchte eine Theorie zu entwickeln, welche die intuitive Halbwahrheit (bei logischer Falschheit) eines Satzes wie “Archimedes war ein spartanischer Philosoph” mit dem Wahrheitswert ½ darstellen kann. Mit den Ergebnissen ist er jedoch unzufrieden geblieben.

Die Wahrheit ist konkret – aber eben nicht nur. Kommen wir zu den Glaubenswahrheiten.

Es folgt Teil 5 unserer Serie zur Philosophie Bunges


  1. : Herrn Peter Baylens, weyland Professors der Philosophie und Historie zu Rotterdam, Historisches und Critisches Wörterbuch: nach der neuesten Auflage von 1740 ins Deutsche übersetzt; auch mit einer Vorrede und verschiedenen Anmerkungen sonderlich bey anstößigen Stellen versehen, von Johann Christoph Gottscheden, Professorn der Philosophie zu Leipzig […] Zweyter Theil, 1742, S. 792f (Art. Herakleotes, Anm. C.)
  2. : Skirbekk, G (ed.): Wahrheitstheorien. Eine Auswahl aus den Diskussionen über Wahrheit im 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1992
  3. : Austin, JL: Wahrheit. In: Skirbekk: Wahrheitstheorien, S. 226-245
  4. : Strawson, PF: Wahrheit. In: Skirbekk: Wahrheitstheorien, S. 246-275
  5. : Heidegger, M: Vom Wesen der Wahrheit. Gesamtausgabe Bd. 34, Frankfurt/M. 1988, S. 75
  6. : Motterlini M (ed.): For and Against Method. Including Lakatos’s Lectures on Scientific Method and the Lakatos-Feyerabend Correspondence. Chicago 1999, S. 249
  7. : https://thehill.com/homenews/administration/389052-giuliani-reverses-trump-should-interview-with-mueller
  8. : Bunge M: Emergence and Convergence. Qualitative Novelty and the Unity of Knowledge, Toronto 2003, Kap. 15
  9. : Mahner M, M. Bunge: Philosophische Grundlagen der Biologie, Berlin u. a. 2000, S. 127
  10. : Treatise Vol. 6, Ch. 12, Sec. 2.1.
  11. : Treatise Vol. 6, Ch. 12, Sec. 1.1.1.
  12. : Treatise Vol. 2, Ch. 8, Sec. 2.1.
  13. : McFetridge I: Review [zu Treatise Vol. 1 und Vol. 2]. Mind, New Series, Vol. 87, No. 345 (Jan., 1978), pp. 144-146
  14. : Philosophische Grundlagen der Biologie, Kap. 3.8.2.
  15. : Treatise Vol. 6, Ch. 12.
  16. : Between Two Worlds, Kap. 9

Lesereise 3: Über die Natur der Dinge

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Teil 3 unserer Serie zur Philosophie Bunges

Eine kurze Bemerkung auch zu diesem Buch, das er gemeinsam mit Martin Mahner verfasst hat. Es komprimiert die Philosophie Bunges auf 240 Seiten und ist damit streckenweise ein wenig spröde. Es ist eine No-Nonsense-Philosophie. Eine thesenartige Verknappung, unter Hintansetzung von Kontext, Beispielen oder ausführlicherer Herleitung ist unvermeidlich. Dennoch: Nicht abschrecken lassen! Die Mühe wird belohnt. An dieser Stelle eine ausdrückliche Verbeugung auch vor Martin Mahner: Sein Beitrag kann von außen nur schlecht abgeschätzt werden, zu sehr sind die Inhalte aus einem Guss. Wenn hier von “Bunge” die Rede ist, sei er immer mitgemeint, sofern auf die gemeinsam verfassten Werke Bezug genommen wird.

Was den Titel angeht: Bunge/Mahner stellen sich hier selbstbewusst in die Tradition des Materialismus, die nie die führende gewesen ist, aber seit der Antike besteht. Sie haben das Recht dazu. Schon Lukrez war von christlicher Seite für verrückt erklärt worden (er habe sich in einem durch einen Liebestrank verursachten Wahnsinnsanfall umgebracht, sagt Eusebius). Spinoza war der meistgehasste Philosoph seiner Zeit, und die bloße Nachfrage, ob seine wüsten Kritiker ihn denn auch gelesen hätten, konnte kirchliche Karrieren zerstören [21]. Heinrich Heine sagt:

Merkwürdig ist es, wie die verschiedensten Parteien gegen Spinoza gekämpft. Sie bilden eine Armee, deren bunte Zusammensetzung den spaßhaftesten Anblick gewährt. Neben einem Schwarm schwarzer und weißer Kapuzen, mit Kreuzen und dampfenden Weihrauchfässern, marschiert die Phalanx der Enzyklopädisten, die ebenfalls gegen diesen penseur téméraire [rücksichtslosen Denker] eifern. Neben dem Rabbiner der Amsterdamer Synagoge, der mit dem Bockshorn des Glaubens zum Angriff bläst, wandelt Arouet de Voltaire, der mit der Pickelflöte der Persiflage zum Besten des Deismus musiziert. Dazwischen greint das alte Weib Jacobi, die Marketenderin dieser Glaubensarmee. [22]

Wieso Spinoza?

Folgen wir dem Beispiel, das Bento Spinoza gegeben hat, der kühnste und meistgehasste Philosoph seiner Zeit, und derjenige, der seine eigene Devise Caute! [Vorsicht] nur selten eingehalten hat. [23]

Es folgt Teil 4 unserer Serie zur Philosophie Bunges


  1. : Minois G: The Atheist’s Bible. The Most Dangerous Book, which Never Existed. Chicago 2012, S. 106
  2. : Heinrich Heine: Geschichte der Religion
  3. : Bunge M: Between Two Worlds: Memoirs of a Philosopher-Scientist, Springer International 2016, S. 277.

Lesereise 2: Konkretes und Abstraktes (Ontologie)

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Teil 2 unserer Serie zur Philosophie Bunges

Wenn es eine Idee gibt, die Bunges Philosophie zugrunde liegt, dann ist es wahrscheinlich diese: Man muss streng unterscheiden zwischen einer faktischen Existenz und einer konzeptuellen Existenz. Diese Unterscheidung durchzieht die gesamte Ontologie Bunges (Lehre vom Sein) und seine gesamte Erkenntnistheorie. Ich kenne keinen Philosophen, der da auch nur annähernd so konsequent ist. An keiner Stelle lässt er offen, ob er “von der Welt da draußen” spricht oder von der Vorstellung, die wir uns von ihr machen. Ein Objekt kann entweder materiell oder konzeptuell sein, aber nicht beides zugleich. Ein materielles Objekt, d. h. ein real existierendes, hat einen Zustandsraum, d. h. es kann sich verändern; ein Konstrukt, d. h. ein konzeptuelles Objekt hingegen hat keinen Zustandsraum – es kann sich also strenggenommen weder verändern noch nicht verändern: “der Zustandsraum eines abstrakten Objektes [ist] leer” [9]. Ein Konstrukt ist eine von ihrer Entstehung (Ideation) und ihrer Kommunikation abstrahierte Idee/Theorie [10], es ist eine Äquivalenzklasse von Gedanken (d.h. Hirnprozessen eines bestimmten Typs) [11], mithin nicht die individuelle, je einzigartige, reale Tätigkeit des einzelnen Gehirns. Konstrukte haben kein Eigenleben, nur konkrete Hirntätigkeit kann sie ‚verändern’. Wenn alle Gehirne aufgehört haben zu existieren, dann gibt es auch keine Gedanken mehr, und aus Büchern und CDs werden tote Gegenstände ohne Bedeutung – die Poppersche Welt 3 hat ihr Ende gefunden.

Our definition of “reality” cannot be other than this:

DEFINITION 3.30 Let Θ be the set of all things and [Θ] its aggregation.
Then

Reality =df [Θ] = ▯ = the world. [12]

Bis hierher ist diese Ontologie eigentlich statisch, denn Zeit ist eine Eigenschaft der Dinge, nicht die 4. Dimension der Raumzeit. “Kein Raum ohne Dinge, keine Zeit ohne Veränderung. Aristoteles nickt” [13]. Den eigentlichen Kick bekommt die Ontologie durch den Systemismus und Emergentismus Bunges.

Das Wort “Systemismus” ist durchaus zunächst geeignet, einigen Widerwillen auszulösen, denn sofort weckt es den Verdacht, es werde sich um Banalitäten handeln, die in eine hochabstrakte Sprache verpackt sind. Und mit dieser Befürchtung könnte man Bunge/Mahner nicht einmal überraschen. Luhmanns “menschenlose Theorie sozialer Systeme ist völlig verfehlt” [14], meinen sie [15]. Aber man begibt sich einer Bildungsmöglichkeit, wenn man diesen Punkt übergeht. Eine ausführliche Darstellung findet man im z. B. Treatise Vol. 4 oder später in Emergence and Convergence, eine auf den Kern reduzierte (und damit etwas weniger plastische) Darlegung in Natur der Dinge. Hier nur so viel:

Den Mittelweg zwischen Atomismus (“Jedes Ding geht seinen eigenen Weg”) und Holismus (“Jedes Ding hängt mit allen anderen Dingen zusammen”) nennen wir Systemismus: “Jedes Ding hängt mit einigen anderen Dingen zusammen.” [16]

Nebenbei: Der Systemismus ist nicht nur der Ausgangspunkt für das Begreifen jeglicher gesellschaftlicher Erscheinungen, Institutionen etc., sondern beispielsweise auch für die Analyse der Pseudowissenschaften [17]. So wird verständlich, warum die Suche nach einer einfachen Formel, mit der sie sich erschlagen lassen, bisher vergeblich war.

Emergenz ist das Auftauchen neuer Eigenschaften eines Systems, die seine einzelnen Komponenten nicht haben. Schon die Eigenschaften, die das H₂O-Molekül hat, sind gegenüber denen des O₂-Moleküls und denen des H-Atoms emergent. Es gibt Emergenz auf allen Ebenen der Komplexität, und es wird keine übergreifende “Theorie der Emergenz” geben können, die alle Fälle abdeckt. Sie hat nichts mit “Erklärbarkeit” zu tun (denn dann wäre sie vom erklärenden Subjekt abhängig), sondern sie ist eine Eigenschaft der Dinge (hier: der Systeme). Sie ist ein ontologischer und nicht ein epistemologischer Begriff. Faktisch richtig aber logisch falsch (weil Kategoriefehler) wäre also: Der Emergenz kann, aber muss nichts, Rätselhaftes innewohnen (wenn man diesen Fehler mitdenkt, darf man das aber sagen).

Da fühlen sich natürlich die Platonisten mächtig auf den Schlipth getreten, für welche die Welt die Verkörperung (Materialisierung) abstrakter Ideen ist: Die Behauptung, dass Konstrukte bloße Fiktionen seien, sei nichts als ein “unsubstantiated bluff”, und nirgends gäbe es auch nur die Andeutung eines Grundes dafür, dem Begriff ‘Existenz’ mehrere Bedeutungen zuzuschreiben [18].

Probleme mit Bunge haben jedoch auch Wissenschaftler, sofern sie einem lediglich schwachen Naturalismus [19] anhängen. Anatol Rapoport, amerikanischer Mathematiker und Biologe, “zentraler Vordenker der Systemwissenschaften” (WP), schreibt in seiner im Übrigen anerkennenden Rezension:

Zuweilen wird Bunge von seinen streng logischen [tightly reasoned] Argumenten zu Ansichten geführt, die bezweifelt werden können. So schreibt er beispielsweise, “Mentale Funktionen (Prozesse) können nicht direkt (d. h. ohne physische Kanäle) von einem Gehirn zum anderen übertragen werden. Folglich kommt extrasensorische Perzeption nicht infrage.” […] Aber zu sagen, dass extrasensorische Perzeption “nicht infrage” komme, weil “keine physischen Kanäle” existierten, bedeutet, die Sache vom heutigen Wissensstand aus zu beurteilen. Einstmals hätte man die Radioübertragung aus ähnlichen Gründen für unmöglich halten können. Noch früher wurde Newtons Gravitationstheorie von Philosophen abgelehnt, weil eine “Kraft über den leeren Raum hinweg” undenkbar gewesen ist. Doch zu beschreiben, welche Art von Evidenz [to state the sort of evidence] sich unter welcher Art von streng kontrollierten Bedingungen manifestieren muss, um die Kommunikation von Geist zu Geist (oder von Gehirn zu Gehirn, wenn man will) ohne physische Kanäle zu belegen, ist absolut möglich [entirely possible]. Sollten jemals positive Ergebnisse erzielt werden, dann wäre die Suche nach “Kanälen” wohl gerechtfertigt. [20]

Wenn man dem Gedanken eine Weile folgt, kann er sich vielleicht noch in ein richtiges, ausgewachsenes Galileo-Gambit verwandeln. Nicht allein die gesamte Evidenz der Naturwissenschaften, sondern auch die gewöhnliche Erfahrung des Menschen (seit er denken kann) widerspricht dem, sofern sie nur einigermaßen reflektiert ist. Wenn es eine natürliche extrasensorische Perzeption gäbe, dann wäre sie so verankert im Erleben und Bewusstsein der Menschen, dass ihr nichts Außergewöhnliches, Wunderbares anhaften würde. Um praktisch zu bleiben: Man blicke sich nur einmal um, in welchen Zusammenhängen und von wem (z. B. vom Herrn Walach) nach ihr gesucht wird. Die Wissenschaft und die Philosophie müssen dem nicht noch Schützenhilfe leisten: Es gibt auch so genug Irrationalität auf der Welt. Die “positiven Resultate” würden nicht die Suche nach “Kanälen”, sondern den Ruf nach professionellen Magiern (wie James Randi) rechtfertigen. Und schließlich: Selbst wenn der a priori unwahrscheinliche Fall einer Entdeckung “neuer Kanäle” eintreten sollte: sie wären immer noch physisch, wenn die Welt per definitionem die Gesamtheit der Dinge ist (s. o.).

Es folgt Teil 3 unserer Serie zur Philosophie Bunges


  1. : Bunge M, M Mahner: Über die Natur der Dinge, Stuttgart 2004, Kap. 2.5.1
  2. : Treatise on Basic Philosophy (1974 – 1989) Vol. 1. Ch. 1, Sec 1.2.
  3. : Natur der Dinge, Kap. 3.3.
  4. : Treatise Vol. 3. Ch. 3 Sec. 4.5.
  5. : Matter and Mind, Kap. 4.1.
  6. : Natur der Dinge, Anmerkung 4-12
  7. : Dazu gibt es auch einen denkwürdigen kurzen Abschnitt in unseren Forumsfäden, der hier beginnt. Man sollte es unbedingt noch bis zu diesem Post durchhalten.
  8. : Natur der Dinge, Kap. 2.6.1.
  9. : Bunge M: Philosophy in Crisis: The Need for Reconstruction, New York 2001, Kap. 8.
  10. : McFetridge I: Review [zu Treatise Vol. 1 und Vol. 2]. Mind, New Series, Vol. 87, No. 345 (Jan., 1978), pp. 144-146
  11. : “Der schwache Naturalismus lässt zu, dass unsere Welt in eine supranaturalistische Welt eingebettet bzw. von einer solchen umgeben sein könnte.” Natur der Dinge, Kap. 1.4.
  12. : Rapoport A, Book Review [zu Treatise Vol. 3 und Vol. 4]. Behavioral Science Volume 25 issue 2 1980

Lesereise 1: Das Problem

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Teil 1 unserer Serie zur Philosophie Bunges

Karl Popper schreibt 1982 an Hans Albert [2]:

Andererseits fürchte ich mich davor, einfachen gläubigen Menschen (ich meine nicht Theologen(!!)) ihren Glauben zu nehmen. Was wissen wir denn über diese Dinge? Nichts. Es ist richtig, dass es keine Auferstehung gibt. Aber es ist auch richtig, dass sich die Physik der Materie, sogar in den letzten 25 Jahren, grundlegend geändert hat: wir wissen nichts, sogar über die Materie, als dass sie ganz anders sein muss als zur Zeit Einsteins, Heisenbergs, Bohrs, Schrödingers. Und die Kosmologie steht auch vor Rätseln.

Selig sind, die da arm sind im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. Mit Verlaub: Hier scheint mir der große Philosoph doch ein wenig schief gewickelt. Er wird den “einfachen Leuten” ihren Glauben ohnehin nicht so einfach nehmen können – gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens. Fürchten muss er sich; aber davor, dass sie ihm das Haus anzünden. Außerdem: Wer schlicht ist, der ist auch manipulierbar, und: Soll das so bleiben? Weil wir nichts über die Materie wissen? Und ist es deshalb geboten, den einfachen gläubigen Menschen ihren Glauben nicht zu nehmen? Die einfachen gläubigen Menschen könnten mit ihrem Glauben Recht haben (wenn auch nicht die intellektuellen Winkeladvokaten des Glaubens, die Theologen)?

Wissen wir wirklich nichts über die Materie? Sind wir heute wirklich nicht weiter als Kant vor 200 Jahren, als Sokrates vor 2000 Jahren?

Mag sein, dass es die Materie gibt, aber der Materialismus ist nahezu sicher falsch, sagt Thomas Nagel [3]. Es ist mir nicht gelungen, in seinem Buch etwas zu finden, das einer Materie-Definition nahekommt – aber ich gestehe, ich habe es nicht komplett gelesen. Wenn man herausfinden will, was denn eigentlich mit Materie gemeint sein könnte, dann fällt auf: Ihre Existenz wird selten ausdrücklich infrage gestellt, aber was sie näher charakterisiert, worin sie sich vom “Geist” unterscheidet, das wird ebenso selten erörtert [4]. Seit 100 Jahren scheint sie von den Fluten der Quantentheorie verschlungen zu sein, von Schrödingers halbtoter Katze gefressen und in der Heisenbergschen Unschärferelation aufgelöst.

Früher oder später begegnet man auf der Suche nach Klarheit dem Namen “Mario Bunge”, auch wenn dem bescheinigt wird, dass er in der analytischen Philosophie (das ist diejenige Richtung, die noch am ehesten einen “Physikalismus” akzeptiert), nur eine marginale Rolle spiele (WP). Wenn man die Tippeltappeltour der Google-Suche beginnt, dann stolpert man sogleich über einen furchtbar übelgelaunten Verriss (hier), der über die “Armseligkeit” von dessen Philosophie unterrichtet. Bei genauerem Hinsehen stellt sich aber heraus, dass der Rezensent vor allem eine Antwort auf seine Frage “Warum ist etwas und nicht vielmehr nichts?” vermisst. Dabei wäre diese Antwort nicht weiter schwierig: Weil Gott sich, so mutterseelenallein, tödlich gelangweilt hat [5]. Wer sich also von solcherart Rätsel nicht tangiert sieht, möge sich eingeladen fühlen, mit mir auf eine Reise in den Kosmos der Bungeschen Ideen zu gehen.

Mario Bunge

Es ist mir unmöglich, auch nur die großen Linien im gewaltigen Werk des Philosophen Mario Bunge (geb. 1919) nachzuzeichnen. Ich kann nur einige unsystematische Impressionen schildern. Dabei werde ich locker assoziieren. Auf jeden Fall aber werde ich rein subjektiv und willkürlich bleiben. Mein Leitfaden wird die Nachzeichnung meiner eigenen Begegnung mit Bunges Philosophie sein, und ich werde mir auch die eine oder andere Abschweifung leisten.

Über seinen Werdegang klärt Bunge selbst in seinem Buch Between Two Worlds: Memoirs of a Philosopher-Scientist (2016) auf, das schlaglichtartig – und mit Anekdoten gepfeffert – insbesondere im zweiten Teil auch seine Philosophie beleuchtet. Hier sei nur kurz erwähnt, dass er aus Argentinien stammt, von Haus aus Physiker ist und von 1966 bis 2009 Philosophie an der McGill-Universität in Montreal gelehrt hat.

Doing Science

Meine eigene Bekanntschaft begann mit Doing Science in the Light of Philosophy (2017). Ich dachte mir: er ist ein höchstbetagter Mann, der in seinem Leben viel geschrieben hat. Da ist es unausweichlich, dass er seine Ansichten vielfach revidiert, verfeinert, ausgebaut hat; dies ist sein bisher letztes Werk und wird es vielleicht bleiben. Sicher werde ich darin gültige Formulierungen finden. Und, Bingo!, schon in der Einführung heißt es:

Was den Zusammenhang von Wissenschaft und Philosophie angeht, denke man beispielsweise an die Untersuchung der qualia oder sekundären Eigenschaften, wie Farbe, Geschmack und Geruch. Als ich in den 1930er Jahren die Oberschule besuchte, musste man sich im Chemie-Unterricht die organoleptischen Eigenschaften der verschiedenen Substanzen einprägen, über die wir in den Büchern lasen, mit denen wir aber nie umgingen. Beispielsweise lernten wir, dass Chlor gelbgrün aussieht, beißend schmeckt und stechend riecht. All dies war richtig und im Labor nützlich, aber es trug nicht mehr dazu bei, Chemie zu verstehen, als zu lernen, wie man Flecken vom Laborkittel entfernt. [6]

Natürlich ist es möglich, diese Überlegung in eine philosophischere Sprache zu übertragen [7]. Gemeint ist: qualia entstehen (emergieren) in Nervensystemen, gewöhnlich auf äußeren Reiz hin, und sind damit Untersuchungsgegenstand der Psychologie oder Psychophysik, aber nicht der Chemie oder der Physik oder einer aprioristischen Philosophie.

In Kürze: während Phänomene nur in Gehirnen vorkommen, kommen Fakten überall im Universum vor. Noch kürzer: Phänomene ⊂ [Teilmenge von] Fakten. [8]

Jedenfalls machte das Mut weiterzulesen. Für diejenigen, die schon hier angefüttert sind und sich fragen, wie es weitergeht: Er wird schon auch noch deutlich weniger plaudernd, aber der ätzende, bisweilen lustvoll verkürzende Sarkasmus verliert sich nicht. Was mich jedoch am meisten beeindruckt hat: Als das Buch 2017 erschienen ist, war Bunge 98 Jahre alt, aber die Literaturliste umfasst Quellen bis 2016 – und nicht nur so nebenbei, angepappt, sondern ernsthaft rezipiert und integriert.

Teil 2 unserer Serie zur Philosophie Bunges folgt


  1. : Morgenstern M, R Zimmer (hg.): Hans Albert Karl Popper Briefwechsel 1958-1994 Frankfurt/M 2005, S. 249.
  2. : Nagel, Th: Mind and Cosmos. Why the Materialist Neo-Darwinian Conception of Nature Is Almost Certainly False, Oxford University Press 2012
  3. : Beispielsweise gibt es in dem Buch Görnitz Th, B Görnitz: Von der Quantenphysik zum Bewusstsein. Kosmos, Geist und Materie (2016), das den Begriff schon im Titel führt, zwar ein Kapitel “Was ist ‚Materie’?”, aber nicht einmal ansatzweise den Versuch, diese Frage zu klären. Das Buch hatte eine enthusiastische Rezeption (wenn auch in der Laienpresse, d. h. dem Deutschen Ärzteblatt). Die Erörterung des philosophischen Materiebegriffs in der deutschen Wikipedia endet mit dem dialektischen Materialismus; der Artikel in der englischen kann bestenfalls als “stub” durchgehen. Popper kommt ganz ohne aus (in Logik der Forschung), und auch sonst sind “Essentialismus” oder “Ontologie” für ihn entbehrlich. Wer das Problem hat, die äußere Welt bezeichnen zu müssen, aber der Anrüchigkeit entgehen möchte, greife zu dem geläufigeren Begriff “Naturalismus”; wer ein wenig mehr auf Krawall gebürstet ist, verwende “Physikalismus”.
  4. : Die Langfassung dieser Antwort kann der Rezensent inzwischen bei Bunge, Doing Science in the Light of Philosophy, New Jersey 1017, S. 18 finden.
  5. : Doing Science, Introduction
  6. : Ausführlich zu qualia z. B. in Bunge M: Chasing Reality: Strife over Realism, Toronto 2006, Kapitel 4, oder in Matter and Mind. A Philosophical Inquiry, Dordrecht 2010, Kap. 9.6.
  7. : Doing Science, Kap. 8.6.

Die Philosophie von Mario Bunge – eine Lesereise

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Gewiss scheint es so, dass man ebensoviel und (vielleicht) mehr seelische Stärke und Standhaftigkeit braucht, um die Furcht vor Gott und den Glauben an ihn zurückzuweisen und entschlossen von sich abzustreifen, als um treu und beständig an ihm festzuhalten.
Pierre Charron (1541-1603)

Zweitens ist der Materialismus nichts für schwache Gemüter
Bunge/Mahner, Über die Natur der Dinge

Atheisten, Skeptiker, Naturalisten, Materialisten und wie sie alle heißen, sich nennen oder tituliert werden mögen, haben ein Defizit. Das wird immer zu Weihnachten, dem Fest des Lichtes und der Liebe, besonders deutlich (danach lässt die Deutlichkeit wieder nach): sie haben auf die großen Fragen des Lebens keine Antwort, außer vielleicht: “42“. Das kommt davon, dass ihnen das erhabene Gefühl beim Anblick des bestirnten Himmels als Erklärung (wofür auch immer) nicht ausreicht. Sicherlich, man kann damit unzufrieden sein.

Natürlich bilde auch ich [1] mir nicht ein, die Welträtsel lösen zu können. Doch gibt es keinen Grund, es nicht zu versuchen:

Nach der Lektüre eines Buches über die Geschichte der Philosophie äußerte sich Herr K. abfällig über die Versuche der Philosophen, die Dinge als grundsätzlich unerkennbar hinzustellen. »Als die Sophisten vieles zu wissen behaupteten, ohne etwas studiert zu haben«, sagte er, »trat der Sophist Sokrates hervor mit der arroganten Behauptung, er wisse, daß er nichts wisse. Man hätte erwartet, daß er seinem Satz anfügen würde: denn auch ich habe nichts studiert. (Um etwas zu wissen, müssen wir studieren.) Aber er scheint nicht weitergesprochen zu haben, und vielleicht hätte auch der unermeßliche Beifall, der nach seinem ersten Satz losbrach, und der zweitausend Jahre dauerte, jeden weiteren Satz verschluckt.«
Bertolt Brecht

Im Folgenden soll in einer kleinen Blogserie darüber berichtet werden, was man bei dem Versuch auflesen kann, etwas zu studieren.

  1. Das Problem
    • Mario Bunge
    • Doing Science
  2. Konkretes und Abstraktes (Ontologie)
  3. Über die Natur der Dinge
  4. Wahrheit (Semantik, Erkenntnistheorie)
  5. Religion
    • “Verbindung von Religion und Ethik”
    • “Getrennte Magisterien” und die “Vereinbarkeit der Religion mit der Wissenschaft”
  6. Wissenschaftlichkeit und Philosophie, Szientismus
  7. Anhang: What it is like to be a bat to read the Treatise

Für diejenigen, die diesen Text lieber im Zusammenhang und nicht am Rechner lesen wollen, hier das Ganze als PDF-Datei.


  1. : Verf. schickt voraus, dass er kein professioneller Philosoph und kein Physiker ist und nur einen winzigen Ausschnitt einer angewandten Wissenschaft mit Mühe überblickt. Alle Übersetzungen sind von mir; gelegentlich werde ich vermutlich nicht den adäquaten deutschen Fachbegriff treffen. Ich überblicke auch nicht das gesamte Werk Bunges; insbesondere habe ich seine Ethik bisher nur am Rande wahrgenommen. Auch mache ich mir nicht weis, nun alles verstanden zu haben, was ich gelesen habe. Alle Fehler sind selbstverständlich meine eigenen.

Leitfaden für Skeptiker – Teil 1: Der Dunning-Kruger-Effekt

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Was stimmt und was stimmt nicht? Wie lassen sich richtige von falschen Nachrichten unterscheiden? Wie erkennt man zwielichtige Angebote im Gesundheitsbereich? Was sind die typischen Merkmale von Scharlatanerie-Produkten? Und wem soll man überhaupt glauben?

Die Antwort auf die letzte Frage ist einfach: Niemandem. Es ist nicht notwendig, etwas zu glauben, wenn man in der Lage ist, Informationen auf Plausibilität zu prüfen, sie mit wissenschaftlich gesichertem Wissen abzugleichen, gründlich zu recherchieren und Täuschungen zu erkennen. Wir möchten unseren Lesern gerne ein paar nützliche Werkzeuge an die Hand geben, die das kritische Denken trainieren, und beginnen deshalb heute unsere Serie „Leitfaden für Skeptiker“, inspiriert durch das 2018 erschienene Buch „The Skeptics‘ Guide to the Universe“.

Zum Einstieg beschäftigen wir uns mit dem

Dunning-Kruger-Effekt

Definition: Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt die Unfähigkeit, die eigene Kompetenz (auf einem bestimmten Gebiet) realistisch einzuschätzen, mit der häufigen Konsequenz, die eigenen Fähigkeiten oder Kenntnisse zu überschätzen.

Erinnert sich noch jemand an die Comedy-Serie „Stromberg“? Darin zeichnet sich der Versicherungsangestellte Bernd Stromberg u.a. dadurch aus, als Abteilungsleiter auf den meisten Gebieten wesentlich weniger Kompetenz zu besitzen als die ihm unterstellten Mitarbeiter. Allerdings ist ihm das nicht bewusst, im Gegenteil: Er hält sich sogar für überdurchschnittlich kompetent. Es gelingt ihm trotz wiederholtem, fachlichen Versagen stets, sich durch mehr oder weniger geschickte Intrigen in seiner Führungsposition zu halten.

Gelegentlich mögen wir den Eindruck haben, dass auch der Lauf der Welt vor allem von inkompetenten Idioten bestimmt wird. Aber warum ist das so? Oder genauer: Warum sieht es so aus? Der Psychologe David Dunning hat 1999 gemeinsam mit seinem damaligen Studenten Justin Kruger ein Paper veröffentlicht, in welchem diese Frage genauer untersucht wird (1). 2014 führt er dazu aus (2) :

Das Merkwürdige ist, dass Inkompetenz in vielen Fällen nicht dazu führt, dass Menschen desorientiert, ratlos, irritiert oder vorsichtig sind. Stattdessen sind die Inkompetenten oft mit einem unangemessenen Selbstvertrauen gesegnet, getragen von etwas, das für sie wie Wissen aussieht.

Die folgende Grafik zeigt den Zusammenhang zwischen dem Ergebnis eines Tests, der eigenen Einschätzung des erwarteten Testergebnisses sowie der Wahrnehmung der eigenen Kompetenz.

Auffällig ist, dass vor allem die kompetentesten Personen dazu neigen, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen, während die beiden unteren Viertel sich teils deutlich überschätzen. Dieser Effekt wurde inzwischen in mehreren Studien beobachtet. Die deutsche Wikipedia nennt folgende Merkmale des Dunning-Kruger-Effekts:

Weniger kompetente Personen

  • neigen dazu, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen
  • erkennen überlegene Fähigkeiten bei anderen Personen nicht an
  • sind nicht in der Lage, das Ausmaß ihrer eigenen Inkompetenz zu erkennen
  • können durch Bildung oder Übung nicht nur ihre Kompetenz, sondern auch ihre Fähigkeit, sich selbst besser einzuschätzen, steigern.

Ein wichtiger Punkt: Wir reden hier nicht über „die anderen“, sondern über uns selbst. Wir alle sind diese inkompetenten Menschen, zumindest irgendwann auf irgendeinem Gebiet. Dieser Falle können wir nur durch Metakognition entkommen, indem wir unser eigenes Denken beobachten, unsere Schwächen erkennen und uns bei der Selbsteinschätzung Orientierungspunkte suchen. In jedem von uns steckt ein kleiner Stromberg.

Links:

Psirama – Der Psiram-Wochenrückblick (KW 2, 2019)

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Im ersten Wochenrückblick des Jahres 2019 kollidieren Wirklichkeit und Wunschdenken gleich an mehreren Stellen. Udo Endruscheit beschreibt ein Gerichtsurteil, bei dem die formelle Gesetzeslage über die Naturgesetze siegt. Natalie Grams erklärt, warum Pseudomedizin nicht wirksam wird, nur weil sie bei vielen Menschen besonders beliebt ist und bei Florian Aigner geht es um den Wunsch vieler Journalisten, die Wahrheit irgendwo in der Mitte zu suchen, auch, wenn die Faktenlage eindeutig ist. Wissenschaft und mit ihr die Suche nach der tatsächlichen Beschaffenheit der Welt wird zumehmend zu einem Argumentationsproblem. Populismus schreibt einfach die schöneren Geschichten und bedient die Sehnsucht nach einer Realität, die sich den persönlichen Wünschen unterwirft. Hat die Realität einmal die besseren Argumente, lässt sie sich immer noch mit einem Hamlet-Zitat niederringen. Warum das keine brauchbare Strategie ist, erklärt Onkel Michael in seinem Blog. Unsere selbstgewählte Aufgabe bleibt es auch in diesem Jahr, für den Realismus zu werben und das kritische Denken zu fördern. Dabei soll die neue Blog-Serie “Leitfaden für Skeptiker” helfen und wöchentlich Denkanstöße liefern. Für eure Neujahrswünsche und Linktipps haben wir immer ein offenes Forum und freuen uns über Kommentare auf allen Kanälen.


 

Gesellschaft, Politik und Religion

 

futurezone: Die Fairness-Falle

Kompromisse sind eine tolle Sache. Wenn zwei Seiten in einer politischen Diskussion grundlegend unterschiedliche Ansichten haben, dann lohnt sich oft der Gedanke, ob nicht beide ein bisschen recht haben. Aber das ist kein Naturgesetz, die Wahrheit muss nicht immer in der Mitte liegen. Manchmal ist eine Meinung richtig, und die Gegenmeinung einfach nur purer Unfug. Wer behauptet, dass die Erde flach ist, dass man mit feinstofflicher Energie Krebs heilen kann, oder dass er Einhörner in der Küche beherbergt, der hat auch nicht ein bisschen recht, sondern er hat überhaupt nicht recht. (Florian Aigner)

 

hpd: Aufruhr in Indien: Zwei Frauen haben einen Tempel betreten – Der Mob hütet den Götterpenis

Kürzlich haben zwei Frauen im indischen Bundesstaat Kerala ein altes Gebäude betreten und sich dort ein bisschen umgesehen. Die Frauen haben nichts beschädigt, niemanden verletzt oder beleidigt. Dann sind sie wieder gegangen. Die Folge: Landesweite Proteste, Aufruhr, Verletzte, hunderte Festnahmen, Versammlungsverbote, mindestens ein Brandanschlag auf das Zuhause eines Politikers – und eine überwältigende Gegendemonstration: eine Menschenschlange von angeblich 600 Kilometern Länge, die damit wohl eine der längsten in der Menschheitsgeschichte wäre.

 

watson: «Die Hip-Hop-Szene ist ein fruchtbarer Boden für Verschwörungstheorien»

Jeder kennt jemanden, der an Verschwörungstheorien glaubt. Die sozialen Medien sind ein fruchtbarer Boden für Weltanschauungen, die einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten. Auch in Hip-Hop-Kreisen sind sie beliebt: Manchmal werden sie als Stilmittel oder Metapher benutzt, manchmal aber scheinen die Künstler wirklich daran zu glauben.

 

dubito: Die irrwitzigsten Verschwörungstheorien und warum sie so gefährlich sind

Hillary Clinton betreibt einen Kinderporno-Ring im Keller einer Pizzeria, AIDS ist eine Biowaffe der USA und die Erde ist in Wirklichkeit flach. Die irrwitzigsten Verschwörungstheorien und warum sie nicht nur unsinnig, sondern auch gefährlich sind.

 

Richard Dawkins Foundation: Das Design-Argument – Eine Kritik Teil 1

Auf der Website des evangelikalen Vereins WORT UND WISSEN findet sich ein Grundsatzartikel über das Design-Argument in der Biologie. Letzteres nennt sich auch Intelligent Design, kurz: ID. Der Beitrag stammt von Markus WIDENMEYER und Reinhard JUNKER und dient Menschen als Handreichung, die „methodisch sauber“ für Schöpfung argumentieren wollen (WIDENMEYER & JUNKER 2016). Vollmundig heißt es, Kritiker würden am Kern des Design-Arguments „scheitern“. Entsprechend wird der Text beworben – als ein „must read“ für alle, die argumentativ „up to date“ sein möchten.

 

Onkel Michaels kleine Welt: Geh mir weg mit Shakespeare!

Ich muss ja ehrlich gestehen, dass ich Diskussionen mit Homöopathie-Fundamentalisten so weit wie möglich aus dem Weg gehe. Macht mir nur die Nerven kaputt, wenn ich mir ewig einen logischen Fehlschluss nach dem anderen anhören muss. Und wenn diese Menschen dann merken, dass sie keine wirklichen Argumente haben, dann kommt er. Dieser eine Satz! Ich hasse ihn! Er macht mich aggressiv! Welcher Satz fragt ihr? Na das dümmste Totschlagargument, das ich kenne:

There are more things in heaven and earth, Horatio,
Than are dreamt of in our philosophy.
(Hamlet, I/5)

 

Scientific American: The Case for Scientific Humanism (Michael Shermer)

In the April 2001 issue of Scientific American, I began this column with an entry entitled “Colorful Pebbles and Darwin’s Dictum,” inspired by the British naturalist’s remark that “all observation must be for or against some view, if it is to be of any service.” Charles Darwin penned this comment in a letter addressing those critics who accused him of being too theoretical in his 1859 book On the Origin of Species. They insisted that he should just let the facts speak for themselves. Darwin knew that science is an exquisite blend of data and theory. To these I add a third leg to the science stool—communication. If we cannot clearly convey our ideas to others, data and theory lie dormant.

 


 

Wissen und Forschung

 

Salonkolumnisten: Biolandbau: Glaube statt Wissenschaft

Der Biolandbau beruft sich gern darauf, wissenschaftliche Methoden zu verwenden. Das mag in Teilbereichen zutreffen, aber seine Grundprinzipien beruhen auf mystischen Vorstellungen.

 

heise online: Mysteriöse Radioblitze: Teleskop findet im Probelauf 13 neue Fast Radio Bursts

Kanadische Forscher haben mit einem neuen Radioteleskop schon in dessen Erprobungsphase mehr als ein Dutzend mysteriöse Fast Radio Bursts (FRB) entdeckt und blicken nun erwartungsvoll auf den Einsatz mit voller Kapazität. Sogar ein zweiter periodischer FRB ist darunter. Das teilten die Wissenschaftler auf einem Kongress der American Astronomical Society in Seattle und im Wissenschaftsmagazin Nature mit. Demnach gelangen die Funde mit dem Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment (CHIME), das eigentlich die Ausbreitung des Universums messen soll, aber für die Suche nach den Radioblitzen ideal ist.

 

Spektrum.de: Warum ‘Oumuamua wie eine Zigarre aussieht

Eines der vielen Rätseln rund um den interstellaren Kometen ‘Oumuamua betrifft seine Form: Warum hat der Besucher von einem anderen Stern, der 2017 durchs innere Sonnensystem raste, die Form einer Zigarre? Zwei russische Astrophysiker präsentieren nun eine mögliche Erklärung für diese populäre Interpretation der Messdaten: ‘Oumuamua könnte einst von der Form her einer Kartoffel geähnelt haben, reiste dann jedoch zwischen 20 Millionen und zwei Milliarden Jahren durch den interstellaren Raum, mit einer Geschwindigkeit von rasanten 50 Kilometern in der Sekunde. Dadurch seien immer wieder Staubkörner mit dem Kometen kollidiert, was mit der Zeit die Oberfläche stark abgeschliffen habe.

 

futurezone: Forscher erzeugen mit Lasern Blitze in Gewitterwolken

Ein deutschfranzösisches Forschungsprojekt hat erfolgreich Blitze in Gewitterwolken mit Lasern ausgelöst, wie phys.org berichtete. Die Versuche wurden während zweier Gewitter in New Mexico in den USA durchgeführt. Den Wissenschaftlern ist es gelungen, elektrische Entladungen auszulösen, indem sie einen starken Laser in Gewitterwoklen feuerten. Die kurzen Laserpulse erzeugen dabei Plasmakanäle, entlang derer sich dann eine Entladung ereignet.

 

Salonkolumnisten: Pflanzenforschung 2019 – Apfelessen verboten

Genveränderte Pflanzen sind erlaubt, wenn man das Genom mit der Schrotflinte zerschießt. Präzise Veränderungen hingegen gelten als unvorhersehbares Risiko. Ein Genforscher muss daher erst den Kontinent verlassen, bevor er in einen Apfel beißen darf.

 


 

Gesundheit und Medizin

 

boingboing.net: Gofundme jumpstarts a golden era of snake oil as desperate people raise millions for quack homeopathy cancer “remedies”

In Patients’ crowdfunding campaigns for alternative cancer treatments, published by researchers from Simon Fraser University in The Lancet Oncology (Sci-Hub mirror) we learn that thanks to Gofundme, 13,000 people have raised $1.4 million to help 200 desperate cancer patients pay for ineffective homeopathic “treatments.” A third of these fundraisers were launched by people who explicitly rejected evidence-based medicine and were seeking money to commit an especially grisly form of suicide, while enriching scammers who sell water as medicine.

 

dubito: Warum Homöopathie Quatsch ist

Die Homöopathie erfreut sich noch immer großer Beliebtheit, obwohl es keine wissenschaftlichen Belege für ihre Wirksamkeit gibt. Warum wir die Theorie der alchemistischen Zuckerkugeln nicht ernstnehmen müssen, ihr Gefahrenpotenzial aber schon.

 

Respectful Insolence: Traditional Chinese medicine is science, ma-an! National Geographic promotes quackery

Traditional Chinese is science, ma-an! No, really, TCM is science! Really and truly it is! It’s real medicine! That’s a frequent refrain from proponents of TCM. Indeed, it’s a propaganda line that I see so frequently that, seeing the latest example of it that I’m going to discuss here, I decided to name it the “traditional Chinese medicine is science, ma-an” gambit, or maybe just the “TCM is science” gambit. Never mind that it’s not at all true. If there’s one thing TCM is not, it’s science.

 

Schwesterfraudoktor: Integrative vs. Funktionelle vs. Orthomolekulare Medizin

Integrative, Funktionelle, Orthomolekulare Medizin. Der Bedarf nach Heilmethoden, die sich als ganzheitliche Therapie verkaufen und den Menschen nicht in einzelne Bausteine und Diagnosen zerlegen, scheint zu wachsen. Ein kritischer und genauer Blick lohnt sich, insbesondere für den Patienten. Dafür muss man aber verstehen, denn Wissen ist Macht.

 

Stiftung Gurutest auf derstandard.at: Deutsche Apothekerin verbannt Globuli aus den Regalen

Die Apotheke ist ex lege kein herkömmlicher Laden. Der Kunde darf darauf vertrauen, dass der Apotheker eine naturwissenschaftliche Ausbildung hat und man eine Beratung erhält, die dem Stand der Wissenschaft entspricht. Das schließt Analogiezauber, Totemismus, Aderlass, Globuli und Rosenkränze als Heilmittel aus.

 

Science-Based Medicine: Vitamin D supplements do not reduce the risk of cancer or cardiovascular disease

Vitamin supplements are a triumph of marketing over evidence, where sales continue to grow despite the evidence that they are neither necessary nor beneficial for the majority of people that take them. There are absolutely cases where vitamins are beneficial, however. While medically significant deficiencies of vitamins are generally rare in developed countries (you don’t see scurvy much anymore), dietary restrictions, pregnancy, and even socio-economic status may increase the possibility of a deficiency, and supplementation may be evidence based.

 

Spektrum.de: Grams’ Sprechstunde: Beliebt ist auch Freibier

Neulich bin ich in der »Ärzte-Zeitung« über den Titel »Homöopathiewende in Deutschland« gestolpert. Darin meldete sich vor allem die Interessenvereinigung homöopathischer Ärzte: Immer mehr Menschen in Deutschland, so der Tenor, würden sich nicht nur eine Agrar- und Energiewende wünschen, sondern auch eine »Medizinwende«, nach der Homöopathie dann eine größere Rolle spielen sollte. Im Rest des Artikels darf die erste Vorsitzende des Vereins die Homöopathie noch als wünschenswerte »Hilfe« in Zeiten zunehmender Antibiotikaresistenz und »Polymedikation« preisen – und das alles in einem ärztlichen Fachblatt. Wir hatten es ja zuletzt schon von gefühltem Wissen – hier kommt noch Chupze dazu, es öffentlich zur Schau zu tragen.

 

SZ.de: “Heilerin” steht vor Gericht

Aber auch die Strahlentherapie brach sie nach kurzer Zeit ab, obwohl sie, wie der Mann sagt, schon erste Erfolge gezeigt hatte. Stattdessen begab sich die Patientin in die Hände verschiedener alternativer Therapeuten, insbesondere in die einer Frau, die sich selbst als “Heilerin, Heilpraktikerin, Medium, Dozentin, spirituelle Lehrerin” bezeichnet. Diese behandelte die Frau unter anderem mit Schlangengift. Die Patientin starb, 27 Jahre alt, im Oktober 2015.

 

Wissen bloggt: Wenn die Realität mit der Wirklichkeit kollidiert… Gedanken von Udo Endruscheit

Die Richter argumentierten, dass „der Rechtsbegriff über die naturwissenschaftliche Begriffsbestimmung der ‚pharmakologischen Wirkung‘ hinaus unter den rechtlichen Wertungen des Gesetzgebers auszulegen sei. „Homöopathika sind also Arzneimittel kraft gesetzlicher Erstreckung“, erklärten sie. „Erstreckt der Gesetzgeber den Arzneimittelbegriff auf diese Präparate, so ist auch der Begriff der pharmakologischen Wirkung in rechtlicher Hinsicht auf diese zu erstrecken.“

 


 

Psiram

 

Aus dem Blog-Archiv (01/20112): Stehen Skeptiker auf verlorenem Posten?

Ohhja, das trifft meine aktuelle Lage sehr gut. Ich bin gerade dabei, ein wenig zu verzweifeln – überall schlägt mir, ich nenne es mal “wunschbasiertes Denken” entgegen. In meiner Familie gibt es eine ziemlich astrologiegläubige Dame, eine andere Person versucht mich permanent von der Kraft des Geistes über den Körper (und der Wunscherfüllung durch das Universum) zu überzeugen und, was dem Faß den Boden ausschlägt und gerade gewaltig an meiner Basis rüttelt, nun hat sich herausgestellt, dass mein eigener Partner mit Verschwörungstheorien sympathisiert. Ich muss ehrlich zugeben, dass mich das auslaugt und ich mich ebenfalls auf verlorenem Posten fühle.

 

Neu im Psiram-Wiki:

 


 

Video der Woche

 

Dinge Erklärt – Kurzgesagt: CRISPR – Gentechnik wird alles für immer verändern

Designerbabys, Heilung von Krankheiten, genetisch modifizierte Menschen, die niemals altern. Ein unvorstellbarer Fortschritt, den wir bisher nur aus Science Fiction Filmen kennen, könnte plötzlich zur Realität werden. Das einzige, das wir dabei sicher wissen ist, dass nichts mehr so sein wird wie es war.

Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=ZAz1GutJGbg

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