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Walachsche Methodenlehre für Anfänger (Teil 1)

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Die Speerspitze der Aufklärung [1], im Rang einer päpstlichen Autorität [2], hat sich kürzlich in der Rubrik „Methodenlehre für Anfänger“ [3] grundsätzlich zur Legitimität der Kritik an der „Komplementärmedizin“ geäußert. Wie zumeist in solchen Fällen ist der erste Gedanke des Lesers, dass es zu einer konkreten Widerlegung der Kritik, insbesondere der Kritik an dem Vordenker selbst, wohl nicht gereicht hat. Gelegenheiten dazu hätte es ja in jüngster Zeit genug gegeben [4, 5, 6]. Was hat er nun den methodologischen Anfängern stattdessen mit auf den Weg zu geben?

Zuerst: die Wissenschaftlichkeit der „jungen Blogger“ ist nur eingebildet, denn:

„Es handelt sich dabei um die Annahmen eines generellen Materialismus in dem Sinne, dass man davon ausgeht, einzig Materie sei wirklich, alles andere davon abgeleitet. Diese Aussage selbst ist eine philosophische oder religiöse, aber keine wissenschaftliche.“

Es ist nämlich nicht so, dass einzig die Materie wirklich sei. Es gibt ja schließlich auch noch den Geist, der sich aus ihr nicht ableiten lässt, und wenn man den nicht in Betracht zieht, dann ist man, so der O-Ton, „fundamentalreligiös“.

„Häufig verwechseln Autoren die Voraussetzungen, die eine bestimmte Form von Wissenschaft macht – und machen muß [sic] –, mit den Ergebnissen und mit den Möglichkeiten von Wissenschaft schlechthin. Ob Komplementärmedizin in diesem Sinne ‘wissenschaftlich’ ist oder nicht, ist nicht geklärt.“

Es gibt nur eine einzige Voraussetzung, von der die Wissenschaft ausgeht: es existiert eine Realität, und sie kann untersucht werden (eine Realität, die nicht untersucht werden könnte, deren Eigenschaften nicht bestimmbar wären, das wäre schon formallogisch ein leerer Terminus [7]). Mit welchen Ergebnissen der Wissenschaft könnte diese Voraussetzung „verwechselt“ werden? Was sind die „Möglichkeiten von Wissenschaft schlechthin“, die darüber hinausgehen könnten? Was hat die „Komplementärmedizin“ mit alldem zu tun? Wir werden es wohl nicht erfahren, und es ist ja ohnehin uninteressant, denn es handelt sich dabei nur um „krypto-religiöse“, „szientistische“ Weltanschauung. So schnell kann man gar nicht gucken, wie hier mit dem Inhalt von Begriffen jongliert wird. Der geschickteste Hütchenspieler würde vor Neid erblassen.

Was bietet uns die Methodologie noch, außer dieser Parterre-Akrobatik?

„Meist sind sie [die komplementärmedizinischen Verfahren] älter und traditionell überliefert und haben daher einen gewissen Vorsprung im Sinne einer allgemeinen ,Erfahrungsmedizin‘“

Das ist natürlich kein Vorsprung, sondern ein Zurückbleiben. Es sollte zutiefst misstrauisch machen, wenn sich eine Methode über Jahrzehnte und Jahrhunderte nicht ändert, mit anderen Worten: wenn sie einer Kritik nicht zugänglich ist.

„Dass auch diese Verfahren solide wissenschaftlich untersucht gehören, darüber sind sich die meisten Proponenten der Komplementärmedizin einig.“

Warum eigentlich? Unterwerfen sich die Proponenten damit nicht der Fundamental- oder wenigstens der Krypto-Religion?

Noch ein weiteres Schein-Argument der jungen Blogger gilt es zu dekonstruieren:

„Sozial: Häufig ist mit „unwissenschaftlich“ „den Konsens der Mehrheit der Fachleute verletzend“ gemeint.“

Die Kritiker meinen also, die wissenschaftliche Wahrheit werde per Mehrheitsbeschluss festgestellt? Dafür hätte man doch gern brauchbare Belege – aber die zu fordern wäre vermessen, weil:

„das selten explizit erwähnt wird.“

Pech gehabt. „Es wird sich doch irgendwie eine Schikane herausklauben lassen“ (Schopenhauer). Welche, das werden wir uns in Teil 2 ansehen.

  1. http://www.taz.de/!95412/
  2. „Unter Kollegen gilt Walach als ‘Methodik-Papst’“, http://www.psychophysik.com/h-blog/?p=9380, „… dass ich sogar seine Heiligkeit den Papst im Rennen ums Finale [für das Goldene Brett] ausgestochen habe“, http://harald-walach.de/2012/10/22/harald-walach-zur-verleihung-von-das-goldene-brett-2012/
  3. http://harald-walach.de/methodenlehre-fuer-anfaenger/11-wie-wissenschaftlich-ist-die-komplementaermedizin-oder-vom-hirsch-im-blaetterwald/
  4. http://blog.psiram.com/2012/10/von-langen-nadeln-und-einem-goldenen-brett/
  5. http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2013/02/14/cam-media-quatsch-professor-walachs-marchenstunde/
  6. http://scienceblogs.com/insolence/2012/12/14/its-not-just-homeopathy-its-quantum-homeopathy-which-is-so-much-better/
  7. Wessel H: Logik und Philosophie, Logos Berlin 1999

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